11.01.2009

„Du, ich glaube, Gott hat mich angeblinzelt.“

Predigt zum Tag der Taufe Jesu 2009

Der kleine Martin steht mit seinem Papa am Heiligen Abend an der Krippe. Mit großen Augen schaut der Bub alle Figuren an - lange und still. Am meisten hat es ihm das Jesuskind angetan. Auf einmal stupst er seinen Papa und sagt: „Du, ich glaube, das Jesuskind hat mich angeblinzelt. Meinst Du, es kennt mich?“

Nicht nur zum Schmunzeln ist diese weihnachtlich Familienszene. Sie stellt mir die Frage: Glaubst du wie dieser kleine Martin, dass Gott dich in deinem Leben anblinzelt, dich kennt und dich mag? Meist erfahren dies Menschen nicht in großen Gefühlsregungen oder weltbewegenden Ereignissen, oft sind es kleine Erfahrungen, kleine Gesten, unerwartete Momente.

Ein Pfarrer erzählt: Ich schaue auf meine Weihnachtspost. Da schreibt mir ein Bekannter: „Auch wenn du es selbst vielleicht nicht so empfindest, du bist eine Bereicherung für uns.“ Und der Pfarrer, unter dessen Leitung ich meine ersten Dienstjahre in der Seelsorge verbrachte, fügte seinem gedruckten Gruß an: „in Dankbarkeit“. Er, dem ich viel zu verdanken habe, bedankt sich nach Jahren bei mir. Am Neujahrstag kam auf dem Handy eine SMS aus Hunderten von Kilometern Entfernung: „Ich denke gerade an dich“. Ich habe sie noch nicht gelöscht, die SMS, und die Briefe noch nicht weggeräumt. Ich weiß, ich brauche sie. Es sind Botschaften, aus denen ich Kraft schöpfe für meinen Alltag - die guten Worte, diese Freundschaftszeichen. Aus ihnen lebe ich doch, durch sie wird vieles leichter, was vor mir liegt. Sie sind wichtiger als die Terminpläne für dieses Jahr. Vielleicht hat Gott mich heuer auf diesem Weg „angeblinzelt und mich spüren lassen: Du ich kenne dich. Und ich mag dich.

Liebe Leser,
die Taufszene erzählt: In jenen Tagen kam Jesus von Nazareth in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“

Hätte der Evangelist Markus heute gelebt, ich bin überzeugt, er hätte mit solchen Alltagsszenen und Bildern, wie sie der Pfarrer erzählt hat, geschildert, wie in Jesus diese Grundüberzeugung und Grundgefühl seines Lebens wachsen konnte. Und wie er aus diesem Lebensgefühl: Gott begleitet mich im Leben , sein Wohlwollen ist verlässlich, selbst zu einem Menschen wurde, durch den andere das Blinzeln des Himmels spüren durften.


Die Taube, die aus dem geöffneten Himmel auf Jesus herunterfliegt, sind sprechende Bilder seiner Zeit, die die Menschen verstanden. Ich bin überzeugt. Gott malt für jeden Menschen ganz persönliche Bilder. Jeder von uns darf seine kleinen und großen Erfahrungen machen, die ihn erahnen lassen: Gott meint es gut mit mir - Er kennt mich - er mag mich .
An diese sich dankbar erinnern oder offene Augen für solche Gesten und Erfahrungen zu haben, dazu regt uns der Evangelist Markus heute am Tag der Taufe Jesu an.

Pfarrer Stefan Mai


 
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