21.09.2003

„Bitte nur einen Satz!“

Predigt bei der Pfarrwallfahrt am 20.09.03 zum Thema „Das Glaubensbekenntnis“

Einleitung

Es ist für mich ein erfreuliches Zeichen, wenn der Liturgieausschuss von St. Maximilian Kolbe in diesem Jahr für die Pfarrwallfahrt als Thema das Glaubensbekenntnis gewählt hat. Wie oft sprechen wir dieses Glaubensbekenntnis in unseren Gottesdiensten, wie oft singen wir es als Credolied. Aber wer sich einmal die Mühe macht, über einzelne Artikel des Glaubensbekenntnisses nachzudenken und zu formulieren, was sie für ihn und sein Leben bedeuten, der kommt schnell an seine Grenzen. Auf jeden Fall spürt er: Glaube ist nicht nur ein bloß äußeres Hersagen von dogmatischen Glaubenswahrheiten, sondern vielmehr der Mut, sich auf ein großes Wagnis einzulassen. Glaube ist nicht nur ein „Was-Glaube“ sondern als Allererstes ein „Dass- Glaube“. Vor der Frage „Was glaubst du“ steht die Frage „Kannst du glauben?“

Predigt

Der festliche Gottesdienst mit dem Hamburger Erzbischof Werner Thissen ist zu Ende. Der liturgische Dienst verlässt in einer langen Prozession die Kirche. Draußen wartet eine Frau auf den Bischof und spricht ihn an: „Ich will etwas von ihnen wissen. Ich möchte nur einen einzigen Satz von Ihnen hören. Sagen Sie mir mit einem Satz, warum Sie noch an Gott glauben können.“ Dem Theologen schoss in diesem Moment vieles durch den Kopf, aber wie sollte er in einem einzigen Satz sagen können, warum er an Gott glaubt? Und schon wieder die Frau: „Bitte nur einen Satz, warum Sie noch an Gott glauben.“
Das Lebensgefühl dieser Frau, nicht mehr an Gott glauben zu können und zugleich die Sehnsucht in sich spüren, dies wieder zu können, bringt der österreichische Dichter Ernst Jandl mit stotternden und schnoddrigen Worten auf den Punkt. Man merkt an den verbogenen Sätzen sein Ringen:

dass an gott geglaubt einstens er habe
fürwahr er das könne nicht sagen
es sei einfach gewesen gott da
und dann nicht mehr gewesen gott da


Viele haben es wie dieser Dichter erlebt. Gott war einfach da. Er hat dazugehört. Aber dann ist er schleichend aus dem Leben verschwunden, fast unbemerkt. Und dieses schwierige Unterfangen, ihm wieder auf die Spur zu kommen. Das Gedicht geht weiter:

jetzt aber er müsste sich plagen
wenn er jetzt an gott glauben er wollte
garantieren für ihn könnte niemand


Ernst Jandl spürt. Wer heutzutage an Gott glauben will, der muss etwas dafür tun. Der muss auf die Suche gehen, nachdenken, den Glauben wieder neu einüben. Und trotzdem diese Zumutung: eine Garantie dafür gibt es nicht, dass Gott da ist. Gerade diese Zumutung gehört zum Glauben, dass Gott nicht zu beweisen, nicht zu berechnen, nicht zu garantieren ist.
„Ich will etwas von ihnen wissen. Ich möchte nur einen einzigen Satz von Ihnen hören. Sagen Sie mir mit einem Satz, warum Sie noch an Gott glauben können, bitte nur einen Satz!“ So lautete die Frage der Frau vor der Kirchentür.
Was würden Sie auf diese Frage antworten? „Bitte nur einen Satz, warum Sie an Gott glauben.“

- kurze Stille -


Bischof Thissen schreibt: Was dann noch in mir vorging, weiß ich nicht mehr genau. Nur noch soviel, dass ich tief Luft holte und sagte: „Ich kann an Gott glauben, weil ich bete.“ Ich würde antworten: „Ich kann an Gott glauben, weil er mir nicht aus dem Kopf geht.“ Oder mit den Worten eines Ernst Jandl, der ein Leben lang um den Glauben rang: Ich glaube, weil ich spüre „ich klebe an Gott“.

Pfarrer Stefan Mai


 
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