29.06.2003

Worauf Gott die Kirche baut...

Predigt zum Fest Peter und Paul 2003

Einleitung

Ich glaube, es war oder ist immer noch der Werbeslogan der Bausparkasse Schwäbisch Hall: Auf diese Steine können Sie bauen. Dieser Werbespruch möchte beim „Häuslebauer“ den Eindruck erwecken, dass die Baufinanzierungskonzepte verlässlich sind und nicht ins Wanken geraten.
Er wird nicht nur als Stein, sondern als Fels der Kirche bezeichnet, dessen Namenstag wir zusammen mit dem Apostel Paulus feiern: Simon, genannt Petrus, der Fels. Eigentlich behält die Bibel sonst Gott diesen Ehrentitel vor: „Er ist der Fels und die Burg, wo ich in Sicherheit bin. Wie sollte ich da wanken?“ (Ps 62,3). Wenn wir ihn nicht schon aus den Evangelien kennen würden, welche Eigenschaften müsste da ein Mensch unserer Meinung nach vorzeigen, damit er diese Worte verdient: Du bist der Fels! Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!

Predigt

„Wie stellen Sie sich die Kirche im Jahre 2000 vor? Nach kurzem Nachdenken sagte Herr Zett: Ein sündiger Papst, ein gutes Hundert sündiger Kardinäle, ein paar tausend sündiger Bischöfe, Millionen sündige Christen, eine Handvoll sündige Heilige.“

Könnten Sie diesem Gedicht, das Kurtmartin Magiera schon vor Jahren geschrieben hat, zustimmen oder reizt es zum Widerspruch? Gefällt Ihnen ein solches Bild von Kirche oder denken Sie sich: Wo bleibt da der Anspruch, wo bleiben da die Ideale? Soll eine solche Kirche für Menschen von heute Anziehungskraft ausüben? Kann eine Kirche mit diesem Niveau „eine Kirche der Sünder“ überzeugen?

„Wie stellen Sie sich die Kirche im Jahre 2000 vor? Nach kurzem Nachdenken sagte Herr Zett: Ein sündiger Papst, ein gutes Hundert sündiger Kardinäle, ein paar tausend sündiger Bischöfe, Millionen sündige Christen, eine Handvoll sündige Heilige.“

Und doch hat dieses Gedicht etwas an sich, was mich nicht locker lässt, gerade nicht am Tag eines Petrus und Paulus. Denn diese beiden, die wir heute feiern, machen mir eines klar: Auf die Bekehrung eines Verfolgers und auf die Tränen eines Versagers hat Gott die Kirche gebaut. Nicht auf strahlende Helden und makellose Idealgestalten, nicht auf brillante Intelligenz und tiefe Frömmigkeit, nicht auf große Tüchtigkeit und moralische Integrität sondern auf zwei sündige Menschen. Trotz Versagen entwickelten diese beiden Sünder Petrus und Paulus Kräfte, die ihnen niemand zugetraut hätte. Paulus, der mit blinder Leidenschaft die jungen Christen verfolgte, wurde ein leidenschaftlicher Jünger Jesu und Verkünder seiner Botschaft. Petrus, der im Hof des Hohenpriesters so kläglich versagt hatte, weinte bitterlich – und fand den Weg aus der Verzweiflung hin zu neuem Mut und neuer Kraft. In zwei Versagern steckten neue ungeahnte Möglichkeiten, von denen niemand hätte träumen können.
Unsere Kirche ist heute einem hohem Anspruch ausgesetzt, Fehler werden ihr in der heutigen Gesellschaft nicht nur nicht verziehen, sondern schwer heimgezahlt. Wer mit Anspruch auftritt, der wird auch an seinem Anspruch gemessen. Vielleicht hat Kirche lange zu sehr so getan, als menschele es nicht in ihr, vielleicht hat sie die Latte oft so hochgelegt, dass sie den Eindruck erweckt hat, sie sei ein wahrer Hort der Tugend, ein Reich der Selbstlosigkeit und schaue hochmütig auf die sogenannte böse Welt herab. Vielleicht hat sie von ihren beiden Säulen Petrus und Paulus nicht den kreativen Umgang gerade mit Fehlern gelernt. Vielleicht sind wir in unserer Kirche zu sehr einer Macher-Mentalität verfallen, die dazu verführt, alles aus eigener Kraft bewerkstelligen und vorzeigen zu müssen und sich deswegen schwer tut, wenn sie versagt oder weit hinter ihrem Anspruch und ihren Möglichkeiten zurück bleibt. Vielleicht hat die Kirche heute viel zuviel Angst, etwas falsch zu machen, und bringt deswegen keinen Mut zu kreativen Würfen mehr auf die Beine. Vielleicht ist in unserer Kirche zu sehr das Vertrauen geschwunden, dass wir noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten sind, wenn wir versagen. Vielleicht glauben wir selbst nicht mehr richtig daran – obwohl das Wort Umkehr eine große Rolle in unserer Kirche spielt –, dass Versagen die Chance für einen Neuanfang sein kann.
Ich habe Achtung vor Menschen, die meinen, sie seien ungeheuer wichtig und müssten die Kirche retten durch Aktionen, Frömmigkeit, Arbeitskraft und Tüchtigkeit. Aber wenn ich auf das Beispiel der beiden Apostel Petrus und Paulus schaue, dann sind mir am Ende doch die lieber, die um ihre Beschränktheit wissen, sich aber nicht entmutigen lassen und daran glauben, dass Gott mit dem Versagen seiner Kirche zurechtkommen muss und dass er sie trotzdem nicht fallen lässt. So wie jener alter Pfarrer, der vor 50 Jahren vor der Weihe, als er wie seine Kurskollegen fieberhaft nach einem Primizspruch suchte, meinte: „Wir schreiben alle hehre Sprüche auf unser Primizbild, die vor Idealen strotzen. Am liebsten würde ich den Satz drauf schreiben: Die Kirche hat einen verdorbenen Papst Alexander VI. ausgehalten, auch ich werde sie nicht zu Grunde richten.“
Liebe Zuhörer! Petrus ist nicht zum Fels der Kirche und Paulus nicht zum größten Missionar geworden wegen ihrer besonderen Leistungen und ihrer charakterlichen Vorzüge. Sie sind zu zwei Säulen der Kirche geworden, weil sie nach Schuld und Versagen Mut zum Neuanfang hatten und somit zu denen wurden, die Kurtmartin Magiera als höchste Karrierestufe in der Kirche „ein paar sündige Heilige“ nennt.

Fürbitten

Als deine Kirche, o Gott, an deren Anfang die beiden Apostel Petrus und Paulus stehen, bitten wir dich:
(Antwortruf: Schau auf sie)

In ihrer Größe und echtem Bemühen
In ihrer Treue zum Glauben und ihrem Auftrag
In ihrem Bemühen, deine Botschaft in unserer Welt zu Gehör zu bringen
In ihrem Einsatz um Frieden und Gerechtigkeit
In ihrer Leistung für Kunst und Musik
In ihrer Fähigkeit, Menschen zusammen zu führen
In ihrem Einsatz für den Schutz allen Lebens
In ihrem Kampf gegen Hunger und Elend
In ihrem Gewähren von Heimat und Geborgenheit
In ihrem Aufzeigen von Werten und Sinn

Trotz allem Versagen
Trotz aller Feigheit
Trotz allem Zurückbleiben hinter deiner Botschaft
Trotz aller Phantasielosigkeit
Trotz aller Ohnmacht
Trotz aller Sturheit
Trotz aller Weltfremdheit
Trotz aller Eigensucht
Trotz aller Unbeweglichkeit
Trotz allem Unfrieden in ihr

Gott, du bist der Herr deiner Kirche, erhalte, reinige und beschütze sie. Darum bitten wir durch Christus unsern Herrn. Amen

Pfarrer Stefan Mai


 
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