Ich kapier’s einfach nicht!

Ostermontag 2016 (Lk 24,13-35)

Einleitung

Heutzutage wird so getan, als müsste man alles wissen, alles gelesen haben, sich überall auskennen. Es ist schon eine Schande, wenn man nachfragen muss. Lieber ist man dann still – und lächelt wissend.
Und doch wissen wir: Wer weiß, dass er etwas nicht weiß, ist bereit, etwas tiefer verstehen zu wollen.

Predigt

„Ich kapier´s einfach nicht!“ In diesem Satz liegt so viel Ungeduld und Verzweiflung. Auch wenn ich mich noch so sehr bemühe und anstrenge, ich verstehe es einfach nicht. Ich kann es nicht erzwingen. Ich kann mich auf den Kopf stellen – und trotzdem will es einfach nicht in meinen Kopf rein.
Solche Leute sind heute im Evangelium unterwegs. Es will einfach nicht in ihren Kopf rein: Da hat es einer so gut gemeint. Warum musste das dann so enden? Das sah doch am Anfang so gut aus – und jetzt diese Blamage! Einfach nicht zu kapieren.
Und die Emmausleute hätten‘s tatsächlich nicht kapiert, wenn da nicht einer zu ihnen gestoßen wäre, der gemerkt hätte, dass ihnen das Verstehen so schwer fällt. Vorsichtig tastet er sich an sie heran, lässt sie erzählen, stellt Fragen, versucht zu erklären, Hintergründe aufzudecken, neue Perspektiven zu zeigen: Könnte man die Sache nicht auch so sehen?
Und trotzdem: Da fühlt sich einer so gut ein, da baut einer so viele Verstehensbrücken, aber dass es bei den anderen „Klick“ macht, das hat er nicht in der Hand.
Oft braucht es noch lange Zeit, viel Geduld, Ruhe zum Überdenken, und oft auch eine besondere Situation, bis mir ein Aha-Erlebnis geschenkt wird – und ich endlich selbst kapiere, was der andere mir sagen wollte. Dass mir die Augen aufgehen und ich im Nachhinein merke: An seinen Worten war wirklich was dran.
Manchmal ist es so wie bei den Emmausjüngern: Ich kapiere erst, wenn der andere nicht mehr da ist.

Fürbitten

Im heutigen Evangelium begegnen uns zwei Menschen, die die Geschehnisse nicht mehr verstehen können. Gott, wir bitten dich:

- Wir denken an Menschen, die dich und die Welt nicht mehr verstehen können.
V: Gott, nimm dich ihrer an!
A: Gott, nimm dich ihrer an!


- Wir denken an Menschen, die spüren, aber nicht zugeben wollen, dass die Aufgaben, die ihnen gestellt werden, ihre körperliche oder geistige Kraft übersteigen.

- Wir beten für die Kinder, dass sie sich trauen, daheim und in der Schule Fragen zu stellen und dass ihre Fragen auch ernst genommen werden.

- Wir beten für alle Eltern, Erzieher und Erzieherinnen, Katecheten und Katechetinnen, die sich bemühen, den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben.

- Wir beten für die Toten, die uns den Glauben vorgelebt und ans Herz gelegt haben.


Pfarrer Stefan Mai

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