Erinnert euch!

Osternacht 2016 (Lk 24,1-12)

Einleitung am Feuer

Wiederholung ist die Mutter der Weisheit, sagt ein Sprichwort. Insofern ist die katholische Liturgie voller Weisheit. Immer werden die gleichen Riten wiederholt – wie auch in dieser Osternacht. Wir hören keine langen Erklärungen. Es sind die Riten, die zeigen, was Sache ist:
Wenn die Osterkerze in die dunkle Kirche getragen wird, spürt jeder: Auch das kleinste Licht ist stärker als die Dunkelheit.
Wenn dann das Licht von Kerze zu Kerze weitergegeben wird, spürt jeder: Wo Menschen miteinander teilen, gewinnen alle.
Feiern wir wieder diesen alten Ritus und erleben ihn neu!

Einleitung zu den Lesungen

Religionen speichern in ihren heiligen Texten das Allerwichtigste. Wo kommen wir her? Was hilft uns zum Leben? Gibt es nach dem Ende einen neuen Anfang?
Darum geht es in den Lesungen dieser Nacht. Um die Schöpfung. Um die Rettung. Um den Neuanfang: das Aufstehen aus Ruinen.
1.Lesung: Gen 1,1-2,2
3.Lesung: Ex 14,15-15,1
4.Lesung: Jes 54,5-14


Predigt

„Wässte noch, wie unser klenner Lehrer Grips wie verrückt nach seiner Brilln gsucht hat – und dabei war se auf seiner Nasn gsessn?“ Und auf der Klassenfeier lacht alles bei dieser Erinnerung. “
„Wässte noch, wie ich ganz forsch mit meim Fiesta rückwärts aus der Ausfahrt gschossen bin – und voll innen Baam gebraust bin, den enzigen aufm ganzen Marktplatz?“ Und die Schulfreunde kugeln sich vor Lachen.
Würde man die Osterbotschaft des Lukas im fränkischen Dialekt erzählen, dann würden die Männer im Grab die Frauen genauso fragen: „Wüsst er’s denn nix mer, wie der damals in Galiläa zu euch gsagt hat …?“
In Hochdeutsch: „Erinnert ihr euch nicht …?“ Gleich zweimal ist in der Ostererzählung vom „erinnern“ die Rede. Auf das Erinnern kommt es dem Evangelisten Lukas an. Ostern hat mit Erinnern zu tun. Erinnern an das, was Jesus gesagt und getan hat. Die Sache Jesu lebt und geht weiter, wo Menschen sich daran erinnern.
Und das wissen wir doch aus eigener Erfahrung. Wichtiges lebt in der Erinnerung weiter.
Ehepartner werden immer in Erinnerung behalten den Tag und den Ort, wo sie sich das erste Mal getroffen haben.
Ein anderer wird nie den Schlag vergessen, mit dem er in den Laster gerumpst ist – und trotzdem mit dem Leben davongekommen ist.
Kinder werden nie vergessen, was die Mutter ihnen noch als letztes Wort auf dem Sterbebett mitgegeben hat.
Erinnerung sitzt tief und hält längst Vergangenes lebendig.
Mit dem Glauben ist es genauso.
Ich erinnere mich, was mir meine Eltern, meine Lehrer, meine Seelsorger sagten, als sie mir den Glauben weitergaben.
Sie sagten es, weil sie sich erinnerten, was ihre Eltern, ihre Lehrer, ihre Seelsorger ihnen sagten, als sie ihnen den Glauben weitergaben.
Und die sagten es ihnen, weil die sich erinnerten, was die Generationen vor ihnen sagten.
Wir stehen in einer Kette der Erinnerungen. Sie zieht sich durch die Geschichte bis hin zu jener Begegnung am Grab, als zunächst die zwei Männer und dann er selbst ihnen sagte: „Erinnert ihr euch nicht“
Der Evangelist Lukas legt uns ans Herz: Was die Sache Jesu lebendig hält und was euch leben lässt, ist: Erinnern! Begreifen! Nicht vergessen! Weitersagen!

Liebe Leser, deswegen sitzen wir heute Nacht hier. Um die Erinnerung in uns selbst lebendig zu halten. Denn das ist das einzige, was wir tun können: In einer Zeit, die nur nach vorne schaut, nach neuesten Technologien und Entwicklungen, uns gegenseitig immer wieder daran zu erinnern, was Generationen vor uns getragen hat und was auch uns trägt – und den Mut haben, es auch weiterzusagen, ob es gehört werden will oder nicht.

Fürbitten

Herr, unser Gott, du bist ein Gott des Lebens. Wir rufen zu dir:

V/A Refrain von GL 291 „Kyrie eleison“

Wenn wir gedankenlos dahinleben …
Wenn wir nur nach vorne jagen …
Wenn wir nur um uns selbst kreisen …
Wenn wir uns von unseren Zweifeln herunterziehen lassen …
Wenn wir auf den Tod zugehen …


Pfarrer Stefan Mai

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