Der Mond ist aufgegangen

Gedanken zur Nacht

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.


Ewig in Erinnerung – 3.Klasse Liedabend mit Lehrer Schmitt

Herbert Grönemeyer beschließt so gerne seine Liedabende

Der Mond ist aufgegangen – so hat Matthias Claudius gedichtet. Man kann sich den Dichter im Jahr 1779 vorstellen, wie er vor seinem Haus steht, den Himmel sieht und beobachtet und dann ins Nachdenken kommt. Er schaut nach oben und er sieht den Mond und die Sterne und den Himmel. Und er schaut nach unten und er sieht den Wald, und die Wiesen und den Nebel über den Wiesen. Noch ist er mit seinen Gedanken ganz bei der Natur. Er zeichnet ein Stimmungsbild, Abendstimmung, Naturstimmung. Schwarzer Wald – weißer Nebel. Schwarzer Wald – heller Himmel.

„Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“ Mascha Kaleko

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.


Die Welt ist still am Abend, sagt Matthias Claudius. Und – wenn man die Welt so am Abend in der Dämmerung betrachtet – dann sieht sie anheimelnd und bezaubernd aus, traulich und hold. Matthias Claudius beschreibt unsere Welt als eine stille Kammer, als Schlafkammer. Es gibt viel Jammer am Tag, aber am Abend soll man sich darum keine Sorgen machen und den Kummer verschlafen und vergessen.

Matthias Claudius lebte nicht im Wolkenkuckucksheim oder auf einer Insel der Seligen. Zur gleichen Zeit, also im Jahr 1779, in der er das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ veröffentlichte, zur gleichen Zeit erschien sein „Kriegslied“, also eine andere Erfahrung der Welt:

1. „’s ist Krieg! s’ ist Krieg!
o Gottes Engel wehre
Und rede Du darein!
‚s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
2. Was sollt’ ich machen,
wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass
Die Geister der Erschlagnen
zu mir kämen
Und vor mir weinten, was?
3. Wenn wackre Männer,
die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten
und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
4. Wenn tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich…
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.


Matthias Claudius sieht dort in der Nacht den Halbmond an und der Halbmond wird ihm zu einem Bild. Dort steht der Mond nur halb am Himmel – jeder weiß aber, dass er ganz und rund und schön ist. Es ist packend, wie Matthias Claudius hier vom Sichtbaren und Unsichtbaren, von Zeit und Ewigkeit spricht. Er ruft uns zu: Bedenke, dass du nicht alles sehen kannst! Bedenke, dass du immer nur Teile wahrnimmst, so wie den halben Mond. Paulus sagt: Unser Wissen ist immer nur Stückwerk. Das bewahrt uns vor schnellem Urteil und lässt uns auch im Umgang mit anderen Menschen barmherziger sein. Das hält uns dazu an, behutsam mit dem Leben umzugehen. Wir müssen dem Leben das Geheimnisvolle lassen. Wir sehen nur die Hälfte, auch im Hinblick auf Gott, seine Wahrheit und Schönheit.


Diese Bilder rühren uns an. Sie sind anschaulich, einfach und beruhigend.
Claudius hat sie bewusst gewählt. Zu seiner Zeit war es in der Kirche, in der Theologie, üblich und in Mode, nur noch über den Glauben zu rationalisieren. Alles Gefühlvolle wurde verdächtigt, nur beliebig und damit nicht maßgeblich zu sein. Das Gefühlte hatte keinen vernünftigen Inhalt und wurde deshalb verächtlich gemacht, darüber wurde gespöttelt oder gelächelt und gar aus der Fröm-migkeit verbannt.
Aber der Mensch ist nicht nur ein wandelndes Vernunftgerippe, sondern ein Geschöpf, das Gott auch noch auf anderen Ebenen als nur über die Vernunft zu denken, erleben möchte, etwa in der Schönheit des aufgehenden Mondes oder in der Schönheit des sich sanft erhebenden Nebel oder im Vogelflug der Störche. Aus der Naturbetrachtung kann auch Ehrfurcht vor Gott entstehen. Genau diese Frömmigkeit vertritt Claudius gegen die rationalistische Kritik.

Menschist mehr als Intellekt und Kopf

Bewegung so klein

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.


Dieser Vers spricht von uns Menschen. Wie sind wir? Stolz und eitel, armer Sünder, wir wissen nicht viel, wir spinnen Luftgespinste, träumen, leben im Irrealen, wir suchen viele Künste und kommen vom Ziel immer weiter ab. Was wird nicht alles unternommen, damit das Leben vermeintlich gut wird. Wir suchen nach Ablenkung, Urlaub, Hausbau, Museum, Ausstellungen, Karriere, Gesundheit, Hetze und Alterssicherung, Aktien und meinen, wenn wir das und jenes erreicht haben, dann ist´s gut leben.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!


Bis jetzt war das Lied eine Beschreibung, jetzt wird es zu einem Gebet. Gott wird angesprochen mit einer Bitte. Diese Strophe handelt von dem Ziel, um das es eben schon ging, von Gottes Heil, Gottes Rettung. Darauf kommt es an: sich nicht auf Vergängliches stützen, einfältig werden und wie Kinder leben, wenn es um die Beziehung zu Gott geht.

„Wie Kinder fromm und fröhlich sein“, so dichtet er. Mathias Claudius und seine Frau Rebekka hatten elf Kinder, die werden wild getobt haben. Sicher hat Claudius auch an die Sätze von Jesus gedacht. „Jesus sagt: Wer sich Gottes neue Welt nicht schenken läßt wie ein Kind, wird niemals hineinkommen« (Lk 18,17). Wer Kinder und Enkel hat oder mit Kindern arbeitet, kann es beobachten, wie einfach, fröhlich und unkompliziert kleine Kinder etwas annehmen, wenn sie ein Geschenk bekommen, offen, ehrlich, ohne Umschweife, unkompliziert, fröhlich. Um solches Vertrauen geht es beim Glauben. Solches Vertrauen kann man sich von Gott schenken lassen.

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!


Bisher konnte man den Eindruck bekommen, Claudius beschreibt eine Idylle. Der Mond und die Welt, Mensch und Religion, volkstümlich, humorvoll, schlicht, naiv. Aber er beschreibt keine Idylle, er kannte die Vergänglichkeit und den Tod. Als er elf Jahre alt war, wurde sein Geburts- und Wohnort Reinfeld von einer Seuche heimgesucht. Er sah verstört, wie seine zweijährige Schwester Lucia Magdalena starb und tags darauf der sechsjährige Bruder Lorenz. Zwei Monate später wurde der achtjährige Friedrich Karl auf den Friedhof getragen.

Und der Schatten des Todes begleitete ihn weiter. Sein erster Sohn, Matthias, wurde zwei Monate zu früh geboren und starb Stunden nach der Geburt. Ein Jahr später starb sein Vater, ein Pfarrer. Der Vater stand ihm sehr nahe. Und später in seinem Leben ging es weiter so: Ein weiteres Kind, er hieß wiederum Matthias, lebte bloß zwei Jahre. Christiane, die zweitälteste Tochter, erlag mit zwanzig einem Nervenfieber. Die Briefe von Matthias Claudius sind oft voll Traurigkeit.

Besonders der Tod des zweijährigen Sohnes Matthias 1788 und der einundzwanzigjährigen Christiane 1796 hat den Eltern schwer zugesetzt.
Ergreifend ist das Gedicht, das die Überschrift „Christiane“ trägt:

1. Es stand ein Sternlein am Himmel
Ein Sternlein guter Art;
Das tät’ so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!
2. Ich wusste seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle
Und suchte, bis ich’s fand;
3. Und blieb denn lange stehen,
Hatt’ große Freud’ in mir,
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.
4. Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her,
Wo ich es sonst gefunden,
Und find’ es nun nicht mehr.


Auf diesem Hintergrund erscheint dieser Vers und das Lied ganz neu. Man sieht den traurigen Schmerz, den das Lied hier hat. Es heißt von Matthias Claudius, er habe in träumerischer Melancholie gelebt. Ich bin da unsicher, er hat wohl nur das verarbeitet, was er in seiner Familie erlebt haben. Er weiß, was ein unsanfter Tod ist und erbittet daher einen sanften Tod von seinem Herrn. Wir müssen uns klar machen, dass heute die Medizin viel Leid lindert. Auch wenn sie nicht mehr helfen kann, kann sie doch noch Schmerzen lindern und das Sterben erleichtern. Das war früher noch anders.

Matthias Claudius hofft darauf, in den Himmel zu kommen, zu Gott. Er erbittet, dass das ohne Kummer und Traurigkeit geschieht. Dies alles erbittet er, wieder ist dieser Liedvers ein Bittgebet. Sehr viele Lieder im Gesangbuch und in den Volksliederbüchern haben eine Strophe, die vom Tod handelt. Der Tod war in den alten Zeiten näher. Abendlieder denken immer auch an den Abend im Leben und das Sterben.

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!


Bisher konnte man den Eindruck bekommen, Claudius beschreibt eine Idylle. Der Mond und die Welt, Mensch und Religion, volkstümlich, humorvoll, schlicht, naiv. Aber er beschreibt keine Idylle, er kannte die Vergänglichkeit und den Tod. Als er elf Jahre alt war, wurde sein Geburts- und Wohnort Reinfeld von einer Seuche heimgesucht. Er sah verstört, wie seine zweijährige Schwester Lucia Magdalena starb und tags darauf der sechsjährige Bruder Lorenz. Zwei Monate später wurde der achtjährige Friedrich Karl auf den Friedhof getragen.

Und der Schatten des Todes begleitete ihn weiter. Sein erster Sohn, Matthias, wurde zwei Monate zu früh geboren und starb Stunden nach der Geburt. Ein Jahr später starb sein Vater, ein Pfarrer. Der Vater stand ihm sehr nahe. Und später in seinem Leben ging es weiter so: Ein weiteres Kind, er hieß wiederum Matthias, lebte bloss zwei Jahre. Christiane, die zweitälteste Tochter, erlag mit zwanzig einem Nervenfieber. Die Briefe von Matthias Claudius sind oft voll Traurigkeit.

Auf diesem Hintergrund erscheint dieser Vers und das Lied ganz neu. Man sieht den traurigen Schmerz, den das Lied hier hat. Es heißt von Matthias Claudius, er habe in träumerischer Melancholie gelebt. Ich bin da unsicher, er hat wohl nur das verarbeitet, was er in seiner Familie erlebt haben. Er weiß, was ein unsanfter Tod ist und erbittet daher einen sanften Tod von seinem Herrn. Wir müssen uns klar machen, dass heute die Medizin viel Leid lindert. Auch wenn sie nicht mehr helfen kann, kann sie doch noch Schmerzen lindern und das Sterben erleichtern. Das war früher noch anders.

Matthias Claudius hofft darauf, in den Himmel zu kommen, zu Gott. Er erbittet, dass das ohne Kummer und Traurigkeit geschieht. Dies alles erbittet er, wieder ist dieser Liedvers ein Bittgebet. Sehr viele Lieder im Gesangbuch und in den Volksliederbüchern haben eine Strophe, die vom Tod handelt. Der Tod war in den alten Zeiten näher. Abendlieder denken immer auch an den Abend im Leben und das Sterben

Lieber Johannes!
Die Zeit kommt allgemach heran, daß ich den Weg gehen muß, den man nicht wiederkommt. Ich kann Dich nicht mitnehmen und lasse Dich in einer Welt zurück, wo guter Rat nicht überflüssig ist. Niemand ist weise von Mutterleibe an, Zeit und Erfahrung lehren hier und fegen die Tenne. Ich habe die Welt länger gesehen als Du. Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn, was glänzt, und ich habe manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den man sich verließ, brechen sehen. Darum will ich Dir einigen Rat geben und Dir sagen, was ich gefunden habe und was die Zeit mich gelehrt hat.
Es ist nichts groß, was nicht gut ist und ist nichts wahr, was nicht besteht. Der Mensch ist hier nicht zu Hause und er geht hier nicht von ungefähr in dem schlechten Rock umher. Denn siehe nur, alle andre Dinge hier, mit und neben ihm, sind und gehen dahin, ohne es zu wissen; der Mensch ist sich bewußt und wie eine hohe bleibende Wand, an der die Schatten vorübergehen. Alle Dinge mit und neben ihm gehen dahin, einer fremden Willkür und Macht unterworfen; er ist sich selbst anvertraut und trägt sein Leben in seiner Hand. Und es ist nicht für ihn gleichgültig, ob er rechts oder links gehe. Laß Dir nicht weismachen, daß er sich raten könne und selbst seinen Weg wisse.
Diese Welt ist für ihn zuwenig und die unsichtbare siehet er nicht und kennet er nicht. Spare Dir denn vergebliche Mühe und tue Dir kein Leid und besinne Dich Dein. Halte Dich zu gut, Böses zu tun. Hänge Dein Herz an kein vergänglich Ding. Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten. Was Du sehen kannst, das siehe und brauche Deine Augen und über das Unsichtbare und Ewige halte Dich an Gottes Wort. Bleibe der Religion Deiner Väter getreu und hasse die theologischen Kannengießer. Scheue Niemand so viel, als Dich selbst. Inwendig in uns wohnet der Richter, der nicht trügt und an dessen Stimme uns mehr gelegen ist, als an dem Beifall der ganzen Welt und der Weisheit der Griechen und Egypter.
Nimm es Dir vor, Sohn, nicht wieder seine Stimme zu tun und was Du sinnest und vorhast, schlage zuvor an Deine Stirne und frage ihn um Rat. Er spricht anfangs nur leise und stammelt wie ein unschuldiges Kind; doch, wenn Du seine Unschuld ehrst, löset er gemach seine Zunge und wird Dir vornehmlicher sprechen. Lerne gerne von ander’n und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit, Tugend etc. geredet wird, da höre fleißig zu.
Doch traue nicht flugs und allerdings, denn die Wolken haben nicht alle Wasser und es gibt mancherlei Weise. Sie meinen auch, daß sie die Sache hätten, wenn sie davon reden können und davon reden. Das ist aber nicht, Sohn. Man hat darum die Sache nicht, daß man davon reden kann und davon redet. Worte sind nur Worte und wo sie so gar leicht und behende dahin fahren, da sei auf Deiner Hut, denn die Pferde die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes. Erwarte nichts vom Treiben und den Treibern und wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß. Wenn Dich jemand will Weisheit lehren, so siehe in sein Angesicht. Dünket er sich noch und sei er noch so gelehrt und noch so berühmt, laß ihn und gehe seiner Kundschaft müßig. Was einer nicht hat, das kann er auch nicht geben. Und der ist nicht frei, der da will tun können was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll. Und der ist nicht weise, der sich dünkt, daß er wisse; sondern der ist weise, der seiner Unwissenheit inne geworden und durch die Sache des Dünkels genesen ist. Was im Hirn ist, das ist im Hirn und Existenz ist die erste aller Eigenschaften. Wenn es Dir um Weisheit zu tun ist, so suche sie und nicht das Deine und brich Deinen Willen und erwarte geduldig die Folgen.
Denke of an heilige Dinge und sei gewiß, daß es nicht ohne Vorteil für Dich abgehe und der Sauerteig den ganzen Teig durchsäure. Verachte keine Religion, denn sie ist dem Geist gemeint und Du weißt nicht, was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne. Es ist leicht zu verachten, Sohn, und verstehen ist viel besser. Lehre nicht andere, bis Du selbst gelehrt bist. Nimm Dich der Wahrheit an, wenn Du kannst und laß Dich gerne ihrentwegen hassen; doch wisse, daß Deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist und hüte, daß sie nicht ineinander fließen, sonst hast Du Deinen Lohn dahin. Tue das Gute vor Dich hin und bekümmere Dich nicht, was daraus werden wird. Wolle nur einerlei und das wolle von Herzen. Sorge für Deinen Leib, doch nicht so als wenn er Deine Seele wäre. Gehorche der Obrigkeit und laß die anderen über sie streiten. Sei rechtschaffen gegen Jedermann, doch vertraue Dich schwerlich. Mische Dich nicht in fremde Dinge, aber die Deinigen tue mit Fleiß. Schmeichle niemand und laß Dir nicht schmeicheln. Ehre einen jeden nach seinem Stande und laß ihn sich schämen, wenn er’s nicht verdient.
Werde niemand nichts schuldig; doch sei zuvorkommend, als ob sie alle Deine Gläubiger wären. Wolle nicht immer großmütig sein, aber gerecht sei immer. Mache niemand graue Haare, doch wenn Du recht hast, hast Du um die Haare nicht zu sorgen. Mißtraue der Gestikulation und gebärde Dich schlecht und recht. Hilf und gib gerne, wenn Du hast und dünke Dir darum nicht mehr und wenn Du nicht hast, so habe den Trunk kalten Wassers zur Hand und dünke Dir darum nicht weniger. Tue keinem Mädchen Leides und denke, daß Deine Mutter auch ein Mädchen gewesen ist. Sage nicht alles, was Du weißt, aber wisse immer, was Du sagst. Hänge Dich an keinen Großen. Sitze nicht, wo die Spötter sitzen, denn sie sind die Elendsten unter allen Kreaturen. Nicht die Frömmelnden, aber die frommen Menschen achte und gehe ihnen nach. Ein Mensch, der wahre Gottesfurcht im Herzen hat, ist wie die Sonne, die da scheint und wärmt, wenn sie auch nicht redet. Tue was des Lohnes wert ist und begehre keinen. Wenn Du Not hast, so klage sie Dir und keinem anderen
Habe immer etwas Gutes im Sinn. Wenn ich gestorben bin, so drücke mir die Augen zu und beweine mich nicht. Stehe Deiner Mutter bei und ehre sie so lange sie lebt und begrabe sie neben mir. Und sinne täglich nach über Tod und Leben ob Du es finden möchtest und habe einen freudigen Mut und gehe nicht aus der Welt, ohne Deine Liebe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch irgend etwas öffentlich bezeugt zu haben.

Dein treuer Vater

"Ich danke Gott und freue mich wie's Kind zur Weihnachtsgabe, dass ich bin, dass ich dich, schön menschlich Antlitz, habe.
Ich danke Gott mit Saitenspiel, dass ich kein König worden. Ich wär' geschmeichelt worden viel und wär' vielleicht verdorben.
Auch bet' ich ihn von Herzen an, dass ich auf dieser Erde nicht bin ein großer reicher Mann und auch wohl keiner werde.
Gott gebe mir nur jeden Tag, so viel ich darf zum Leben. Er gibt's dem Sperling auf dem Dach, wie sollt'er's mir nicht geben?"


Pfarrer Stefan Mai

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