Ohne Ernst kein Vergnügen

Predigt zum Faschingssonntag

Einleitung

Wenn Sie die Veitshöchheimer Fastnacht aus Franken anschauen und so die verschiedenen Akteure an ihrem Auge vorbeiziehen lassen, einen Michl Müller aus der Rhön, einen Oti Schmelzer aus Oberschwappach, das Fürther Duo Martin Rassau und Volker Heißmann, den Bauchredner Sebastian Reich mit seiner Nilpferddame Amanda, die Altneihausner Feierwehr, Peter Kuhn aus Schweinfurt – welcher Art von Komik gehört Ihre Sympathie?

Ich muss gestehen, meine gehört eher einer mehr versteckten, tiefsinnigen Komik wie der von Peter Kuhn, die oft mehr zum Nachdenken als zum Lachen anregt. Ich glaube, das werden Sie heute am Faschingssonntag auch an meiner Predigt merken.

Predigt

In der Zeitung von heut´ wundert sich Klaus Vogt, unser Organist,
dass in Gerolzhofen am Fasching so gar nichts mehr los ist.

Die Gaudi, meint er, macht um Gerolzhofen einen großen Bogen,
wo doch Geo einmal Faschingshochburg war – des is nix gelogen.

Wo 1584 zum Fasching schon Schulmeister Komödien zum Besten gaben
und beim Spiel der Hochzeit zu Kana die Gerolzhöfer Unmengen Wein gesoffen haben.

Wo in den 50er und 60er Jahren wahre Faschingskanonen ihre Sketche und Reden schmissen
und das Publikum zu Lachsalven und Beifallsstürmen haben hingerissen.

Wo Tausende beim Faschingsumzug die Straßen säumten runter und nauf,
kannst du heut´ am Faschingssonntag nackert durch Geo renn und kee Sau fällt´s auf.

Im Wohnstift, im Kindergarten und beim Frauenbund is noch a bisschen was los,
aber sonst passiert in Geo an den närrischen Tagen nix mehr groß.

Ich muss gesteh´n: ich bin auch kein großer Faschingsnarr,
aber ist es nicht irgendwie doch recht bizarr:

Wo früher die Menschen gefiebert haben auf den Fasching hin,
haben die meisten heut´ mit Fasching nix mehr groß im Sinn.

Aus Höflichkeit oder Langeweil´ geht man zur Sitzung oder zum Faschingsumzug hin,
aber mit einer echten ausgelassenen Faschingslaune ist bei den meisten nicht mehr viel drin.

Das größte Faschingsvergnügen ist für viele die Glotze mit der Fastnacht aus Franken,
da lässt mer den Michl Müller, den Schmelzer und den Kuhn sich machen ihre Gedanken.

Aber die fünfte Jahreszeit im Jahr ist längst kein Höhepunkt mehr.
Als Theologen interessiert mich vielmehr die Frage: Wo kommt das denn her?

Wo liegt der Grund für das Faschingssterben in unserem Land?
Mir persönlich sind ein paar Gründe dafür bekannt.

Ein wichtiger Grund scheint mir darin zu liegen,
dass die meisten Leut´ übers ganze Jahr haben ihr Vergnügen.

365 Tage und Nächte hindurch muss es bei uns alles geben,
sonst hat es anscheinend keine Qualität mehr unser armseliges Leben.

Von Jugend auf ist es anscheinend Usus und schick,
jedes Wochenende zu suchen einen neuen Kick.

Ein Urlaub im Jahr reicht schon lange nicht mehr,
da müssen in den Ferien schon weitere Urlaube her.

Wir sind unersättlich geworden im Hunger nach Vergnügen
und können unterm Jahr einfach nicht genug davon kriegen.

Mittwoch und Freitag – ein Fasttag? Oh liebe Leut!
Das ist doch ein blödsinniges Relikt aus einer alten Zeit.

Wenn Fasten dann Fasten, wenn Rebhuhn dann Rebhuhn, meinte einstmals Teresa von Avila.
Aber bei uns muss es mehr als alles geben - und zwar über das ganze Jahr.

Das ganze Jahr Disco, Fun und Tralala,
zu jeder Zeit alles zur Verfügung – alles ist da.

Ich kapier immer mehr: So blöd waren die Alten nicht,
wenn sie meinten: Auch beim Vergnügen muss einmal sein: Schicht!

„Immerzu is kee Ackerläng“, sagten die Alten,
und an diese Weisheit sollten wir uns halten.

Ein jedes Vergnügen braucht seine Frist,
sonst sein Schicksal auf Dauer die pure Langeweile ist.

Wer immer, zu jeder Zeit alles hat,
der wird doch mit der Dauer an allem satt.

Für alles gibt es eine ganz bestimmte Zeit,
diese Weisheit stellt uns schon die Bibel bereit.

Der stille Advent, Fastenzeit ohne Tanz und Krach wurden platt gemacht.
Aber liebe Leut, wird heute wirklich mehr gelacht

als damals, als sich abwechselten Feste und Fasten,
als es wirkliche Hoch-Zeiten des Lebens gab und Tage des Rastens?

Anstatt sich der Illusion immerwährenden Vergnügens sich hinzugeben,
sollte man wieder besser lernen vom normalen Leben:

Es braucht Gegensätze, um dem Leben Spannung zu geben,
sonst wird bei allem Vergnügen hohl und leer das Leben.

Wenn wir Menschen immer auf der Suche sind nach Jux und Tollerei,
ist es mit der echten Gaudi – die auch einmal Pause braucht – bald vorbei.

Und ich frag mich: Wo das Halleluja in unseren Kirchen immer weniger wird gesungen,
kann da wirklich aus Menschenkehlen ein echtes Hellau erklingen?

Denn tiefe Dankbarkeit ist Voraussetzung für echte Freude.
Sie ist nicht immer zu erleben und schon gar nicht künstlich zu produzieren, ihr lieben Leute!

Ich weiß, ich hab jetzt keine echte Büttenpredigt hingelegt,
aber vielleicht doch ein wenig zum Nachdenken angeregt.

Ich hoff´, ihr verstehts: Ein Theologe ist mehr zum Denken da,
anstatt ein Mosaiksteinchen zu sein in dem großen Vergnügungszirkus Heiter-Trubel-Tralala.

Fürbitten

Herr, unser Gott, unser Leben ist eingespannt zwischen Geburt und Tod, hat Höhen und Tiefen, Freude und Schmerz, Lachen und Weinen. Wir bitten dich:

Wir beten für alle, die durch ihre humorige Art oder geistvolle Witze und Sketche in diesen Tagen Menschen zum Lachen bringen

V/A: Christus höre uns

Wir beten für alle, die zur Zeit nichts zum Lachen haben und das Leben nur grau in grau sehen

Wir beten für uns, die sich nach einem leidfreien Leben sehnen, aber genau wissen, dass Leid und Schmerz zum Leben gehören

Wir beten um die Einsicht, dass zeitweiliger Verzicht das Leben nicht schmälert, sondern den Geschmack am Leben steigert

Wir beten für unsere Verstorbenen. Heute nennen wir stellvertretend für alle die Namen von.........
Schenke ihnen die Freude bei dir, die niemals endet


Pfarrer Stefan Mai

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