Wie Herodes oder wie die Weisen?

Predigt zum Dreikönigsfest (Mt 2,1-12)

Einleitung 1

Wilhelm Busch ist uns als witziger Dichter bekannt. Über die Weisen aus dem Morgenland hat er ein witziges und zugleich tiefsinnges Gedichtlein geschrieben, das uns still anfragt, ob wir in unserem Leben den Spuren dieser Männer folgen wollen. Es lautet:

Hätt´einer auch fast mehr Verstand
Als die drei Weisen aus dem Morgenland
Und ließe sich dünken. Er wär wohl nie,
dem Sternlein nachgereist wie sie;
dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt
fällt auch auf sein verständig Gesicht,
er mag es merken oder nicht,
ein freundlicher Strahl:
Des Wundersterns von dazumal.

Einleitung 2

Für den Weltjugendtag 2005 in Köln wurde eigens ein Titelsong komponiert. Er stammt von Gregor Linßen. In Köln hat er natürlich mit den hl. Drei Königen zu tun. In der ersten Strophe heißt es:

Warum verließen Könige ihre Paläste?
Warum verfolgten Könige einen wandernden Stern?
Warum beugten Könige vor einem Kind ihre Knie?
Als man sie fragte, sagten sie:
Venimus adorare eum.

Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.
Und in der letzten Strophe werden die Mitfeiernden einbezogen:
Darum sind wir hier, um ihn anzubeten.
Seine Kinder sind wir, Gesalbte und Propheten.
Darum sind wir hier, um ihm zu begegnen
In Brot und in Wein und in dir und mir.
Und wenn man euch fragt, dann sagt:
Venimus adorare eum.

Predigt

Wer bei der Magiergeschichte fragt: Wie kann ein Stern genau wie ein Navi sagen: Hier genau haben Sie Ihr Ziel erreicht? Wer sagt: Ein Stern kann doch höchstens die grobe Zielrichtung anzeigen, aber niemals genau den Zielpunkt orten, der geht schon an dem tiefen Sinn unserer Erzählung vorbei. Dem Evangelisten Matthäus geht es nicht um eine einmalige historische Geschichte von Menschen aus dem fernen Morgenland, sondern um eine Geschichte, die uns über den eigenen Lebens- und Glaubensweg zum Nachdenken bringen will. Die uns fragt: Mit welcher Haltung und Lebenseinstellung packst du dein Leben an.
Wenn wir diese Auslegung anwenden, dann liest sich unsere Geschichte so:
Die Weisen, das sind wir, Menschen, die es durch ihre Arbeit und Leistung zu etwas gebracht haben, zu Ansehen, Erfolg und Wohlstand. Aber trotzdem sind wir oft nicht zufrieden. Wir wollen mehr. Wir Menschen holen uns nie ganz ein. Wir sind immer hinter uns her. Wenn wir ein Ziel erreicht haben, tun sich gleich drei neue auf. Wir suchen ein letztes, endgültiges, unverlierbares Glück. Unser ganzes Leben ist bestimmt von einer Sehnsucht nach etwas, das wir selbst nicht schaffen können. Einer Sehnsucht nach mehr.
Einem Stern folgen. Gibt es ein schöneres Bild für diese menschliche Sehnsucht? Die Magier verkörpern diesen Grundzug von uns Menschen, die wir gerade dadurch menschlich sind, weil wir suchen.
Sie suchen nach mehr als sie leisten können, nach mehr als dem, was sie sich nicht erarbeiten können. Sie folgen nicht ihrem Stern, sondern seinem Stern. Von diesem geheimnisvollen Fremden erwarten sie Glück, Erfüllung, Leben.
Wir können aber auch das Leben anpacken, wie König Herodes. Er genügt sich selbst. Er will sich nicht nach einem Größeren ausstrecken. Ja, er wittert von überall her Gefahr und will ausschalten, was ihm gefährlich werden kann. Er möchte dazu die andern nur benutzen. Er will nur angepasste Informationsvermittler, die seinen egoistischen Lebensplänen dienlich sind, will aber selber nicht Suchender werden. Darum bleibt er in der Festung seiner angeblichen Stärke, in der fest ummauerten Stadt Jerusalem. Da geht alles seinen geordneten, festgefahrenen Gang. Da kommt keine Bewegung mehr ins Leben. Da dreht sich alles um das eigene Ego. Hauptsache „Ich“.
Anders die Anders-Könige, die Weisen aus dem Morgenland, die zu einer tiefen Lebenseinsicht finden: Sie beugen sich herunter zu einem Menschenkind und merken: Lebensglück ist nicht in der Gelehrtheit, im Erfolg und der Macht zu finden, sondern wenn ich bereit bin vor dem Menschsein in die Knie zu gehen und vor einem Menschen zu staunen und ihm zu Diensten zu sein.
Herodes hat nicht zu dieser Lebenseinstellung finden können. Dafür ist er sich viel zu gut und viel zu groß. Und doch hat er Angst in all seiner angeblichen Größe. Deshalb wird er unmenschlich und sieht im Menschen nur den Konkurrenten, den man aus dem Weg schaffen muß.
Liebe Leser,
die Geschichte von den Magiern aus dem Morgenland und dem König Herodes hat sehr viel mit uns zu tun. Wir können nämlich beides sein:
Herodes, der nur sich sieht und sich behaupten will und deshalb an sich selbst scheitert.
Aber auch die Weisen, die suchen, die ihr Ego-Schneckenhaus verlassen, klein werden vor einem Kind und dadurch Menschen zum Geschenk werden und einen neuen Lebenssinn finden.
Wer wird sich bei uns durchsetzen: Herodes oder die Weisen?


Pfarrer Stefan Mai

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