Jesus in den Schlagzeilen unserer Zeit

Predigt zum Weihnachtsfeiertag 2015 (Joh 1)

Einleitung

In der Heiligen Nacht wurde in der berühmten Geburtsgeschichte die Geburt Jesu in die Zeitgeschichte eingeordnet. Jeder kennt den Anfang auswendig: „In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Welt in Steuerlisten einzutragen … Dies geschah zum ersten Mal. Damals war Quirinius Statthalter von Syrien.“
Bis heute sprechen wir in unserer Zeitrechnung von „anno Domini“ – im Jahr des Herrn, und berechnen unsere Zeit „nach Christus“.
Das lässt aufhorchen: Die Geschichte wird interpretiert nach diesem Fixstern Christus. Christus

Predigt

Manchmal haben Pfarrer wirklich gute Ideen. Vor einem Jahr hat einer in seiner Kirche die Gottesdienstbesucher mit einer ungewohnten Krippeninszenierung überrascht: Er hat eine Futterkrippe aufgestellt, das Jesuskind aber nicht auf Heu und auf Stroh gelegt, sondern auf zusammengeknülltes Zeitungspapier. Jesus nicht auf dem Stroh der Vergangenheit, sondern mitten in den Schlagzeilen der Tageszeitungen. Ein starkes Bild. Ein Glaubensbekenntnis.
Ich meine, dieser Pfarrer wollte mit seiner Aktion darstellen, was es bedeutet: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Der ewige Gott hat mit unserer Welt zu tun. Er wird sichtbar, wo Menschen sein Wort in sich ranlassen – und versuchen, es in den Tat umzusetzen. Gott wird erfahrbar, wo christlicher Glaube sich einschreibt in die Zeilen unserer Zeit.
Wenn in unseren Zeitungen zu lesen ist: Angesichts des Flüchtlingsansturms ist eine ungeheure Welle der Hilfsbereitschaft in unseren Dörfern und Städten aufgeflammt. Hunderte von Menschen engagieren sich in Kleiderkammern, Asylcafees und Allerweltstreffs. Viele übernehmen Patenschaften für Flüchtlinge, geben ehrenamtlich Deutschkurse und begleiten die Fremden zu Ämtern und Ärzten.
Oder wenn zu lesen ist: Stammheim ist bunt. Ein ganzes Dorf und eine ganze Region wehrt sich gegen rechtsradikale Tendenzen.
Oder: Wenn überall bei uns Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen der Anonymität entgegensteuern und organisierte Nachbarschaftshilfe leisten, wo alten und gebrechlichen Menschen Hilfe angeboten wird, so dass sie möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden und in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Oder: Wenn Menschen nicht nur über die bedrohliche Erderwärmung diskutieren, sondern mit ihrem eigenen Lebensstil ein deutliches Zeichen setzen, bewusst ihren Wasserverbrauch reduzieren und versuchen, Energie nicht unnötig zu verbrauchen.
Wo solche Zeichen gesetzt werden, wird die Inszenierung vom Jesuskind auf den Schlagzeilen unserer Zeit entschlüsselt: Überall dort wird Gottes ewiges Wort mitten in unserer Welt wieder Fleisch. Bekommt christlicher Glaube Hand und Fuß.
Überall dort wird christlicher Glaube von Menschen nicht nur gepredigt, sondern gelebt – wie die Dichterin Christine Busta in ihrem Gedicht „Laienpredigt“ schreibt:

Laienpredigt – Ohne Genehmigung
In der Kirche wird dir das Wort ausgelegt.
Draußen bist du sein Fleisch geworden
und musst dich auslegen,
stückweis von Tag zu Tag.
Jenseits der Kirchentüren
beginnt das Wagnis ins Ungeborgene:
die Vogelfreiheit des eigenen Gewissens
zwischen dem Guten und dem Bösen,
die Freiheit, untröstlich zu werden
über das Elend der Welt
und dennoch niederzuknien,
um andere aufzurichten ...
hat immer mit Geschichte und Zeitgeschehen zu tun.


Fürbitten/b>

Lasst uns gemeinsam beten,
dass Gottes Kraft in unserem persönlichen Leben wirksam werde:


Dass Gottes Kraft wirksam werde
in unserem täglichen Mühen um ein glaubwürdiges christliches Leben

Dass Gottes Kraft wirksam werde in deiner Kirche,
dass sie zu dem wird, wie du sie gedacht hast.

Dass Gottes Kraft wirksam werde
in den Bemühungen um Frieden
und um die Bewahrung der Schöpfung

Dass Gottes Kraft wirksam werde
in unseren großen und kleinen Ängsten des Lebens
und uns Gelassenheit schenkt.

Dass Gottes Kraft wirksam werde
in unserer Sorge um die anderen,
in der Sorge um Menschen, die uns nahe stehen,
in der Sorge um Menschen, die der Hilfe bedürfen

Dass Gottes Kraft wirksam werde
in unserer Hoffnung für unsere verstorbenen Angehörigen und Freunde.


Pfarrer Stefan Mai

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