Leichten Herzens weggeben

Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (10,17-30)

Einleitung

Dieses Lied, das wir eben gesungen haben (Wü GL 814), gehört zu meinen Lieblingsliedern: Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.
Um die Sehnsucht nach einem geglückten und sinnvollen Leben geht es auch heute in unseren Schrifttexten.

Predigt

Ein junger Mann ist auf der Suche nach einem sinnvollen Leben.
Er geht zu einem Pfarrer und fragt ihn: „Was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?“ Der Pfarrer antwortet ihm: „Führe ein anständiges Leben nach den 10 Geboten, vergiss das Beten nicht, geh zum Gottesdienst!“
Daraufhin sucht er einen Psychiater auf und sagt: „Herr Psychiater, was raten Sie mir, um ein sinnvolles Leben zu führen?“ „Denken Sie immer schön positiv. Denn positive Gedanken beflügeln!“, bekommt er zu hören.
Daheim bittet er seine Eltern um einen Ratschlag: „Junge lern´ fleißig, denn nur mit einem guten Uni-Abchluss hast du Chancen auf einen guten Job und ein gutes Auskommen!“
Während eines Praktikums in einem großen Unternehmen fragt er auch einen erfolgreichen Manager: „Was hilft mir zu einem guten Leben?“ „Leistung, mein Freund, vorausdenken, schneller sein als die anderen, das ist der Schlüssel zum Erfolg.“
Interessant ist es, wie Jesus im heutigen Evangelium auf die Frage des Mannes, der nach Lebenssinn hungert, reagiert. Der fragt: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ „Du kennst doch die Gebote als Richtschnur für dein Leben“, fragt Jesus zurück, und prompt kommt die stolze Antwort: „Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.“
Dann diese ergreifenden Worte: Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: „Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe was du hast, gib das Geld den Armen und dann komm und folge mir nach.“ Weil Jesus ihn gern hatte, weil er ihn fördern möchte, fordert er ihn. Er fordert ihn auf, loszulassen. Er möchte ihm beibringen: Lebenssinn wird nicht im viel Haben gefunden, sondern in der Fähigkeit, für andere von dem, wovon ich genug habe, leichten Herzens etwas wegzugeben.
Meisterhaft bringt diese Lebenshaltung Anthony de Mello in einer Geschichte zum Ausdruck:
Ein hinduistischer Mönch hatte den Dorfrand erreicht und ließ sich unter einem Baum nieder, um dort die Nacht zu verbringen, als ein Dorfbewohner angerannt kam und sagte: 'Der Stein! Gib mir den kostbaren Stein!' 'Welchen Stein?' fragte der Mönch. 'Letzte Nacht erschien mir Gott Shiwa im Traum', sprach der Dörfler, 'und sagte mir, ich würde bei Einbruch der Dunkelheit am Dorfrand einen Mönch finden, der mir einen kostbaren Stein geben würde, so dass ich für immer reich wäre.' Der Mönch durchwühlte seinen Sack und zog einen kostbaren Stein heraus. 'Wahrscheinlich meinte er diesen hier', als er dem Dörfler den Stein gab. 'Ich fand ihn vor einigen Tagen auf einem Waldweg. Du kannst ihn natürlich haben.' Staunend betrachtete der Mann den Stein. Es war ein Diamant. Wahrscheinlich der größte Diamant der Welt, denn er war so groß wie ein menschlicher Kopf. Er nahm den Diamant und ging weg. Die ganze Nacht wälzte er sich in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Am nächsten Tag weckte er den Mönch bei Anbruch der Dämmerung und sagte: 'Gib mir den Reichtum, der es dir ermöglichte, diesen Diamanten so leichten Herzens wegzugeben.

Fürbitten

Herr, unser Gott, wir sehnen uns nach einem geglückten Leben. Wir bitten dich:

Beten wir für jene, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind:
dass sie gute Begleiter finden und nicht in die Irre gehen.

Beten wir für jene, die viel besitzen:
dass sie die Weisheit des rechten Umgangs mit ihrem Besitz finden.

Beten wir für alle, die durch Unglücke und Naturkatastrophen Familie, Freunde, Hab und Gut verloren haben:
dass sie genügend Hilfe und Helfer in ihrer Not erhalten.

Beten wir für alle, die in den letzten Monaten unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten:
Dass sie eine neue Heimat finden und Menschen, die ihnen einen Neuanfang ermöglichen.

Beten wir für unsere Verstorbenen:
Nimm Sie auf in deine Liebe.


Pfarrer Stefan Mai

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