Wollt auch ihr weggehen?

Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (Joh 6,60-69)

Einleitung

Wir kennen alle die Redewendung: „Ach, das war nur ein Strohfeuer!“ Stroh brennt schnell und groß, aber das Feuer findet schnell keine Nahrung mehr, da die Substanz aufgebraucht ist und erlischt kläglich. Diese Redewendung steht für eine euphorische Anfangsbegeisterung, die aber keine Dauer hat und schnell wieder erlischt.
Eine Karte, die ich zu meiner Priesterweihe erhielt hat mich am meisten beeindruckt. Auf ihr stand nur ein Wort: Durchhalten!

Predigt

Vor dem Ausbleiben von Zuschauern und Anhängern fürchten sich viele: die Vereine, die Verbände, die Schauspielhäuser, die Kinos, die politischen Parteien, die Gewerkschaften. Wenn die Zuschauer ausbleiben und die Anhänger kein Interesse mehr zeigen oder sich gar abmelden, fühlen sie sich in ihrer Existenz bedroht.
Es muss etwas geschehen, heißt es dann. Man versucht es mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit und besserer Werbung. Das Leistungsangebot wird überprüft, der Service wird verbessert. An der Spitze der Unternehmen oder Parteien tauchen neue Gesichter auf. Kurz gesagt: man unternimmt alles Mögliche, um das Publikum zurückzugewinnen.

Daran ist nichts zu deuteln. Mit Besucherschwund haben seit Jahren auch die Kirchen in unseren Breiten zu kämpfen. Der Gottesdienstbesuch geht unaufhaltsam zurück. Die Kirchen werden überall zu groß. Zuhauf laufen die Anhänger davon. Im vergangenen Jahr haben in Deutschland allein 217.000 Menschen ihren Austritt erklärt und der katholischen Kirche den Rücken gekehrt.
Was soll man angesichts dieses Anhängerschwundes tun? Bessere Werbefachleute beauftragen? Das Programm ändern? Die Preise senken?

Hellhörig macht es mich, wie Jesus sich im heutigen Evangelium verhält, als ihm die Anhänger davonlaufen. Da heißt es: Viele Jünger zogen sich zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher. Der Grund: Das, was Jesus denkt und sagt, ist ihnen zu schroff. Er ist ihnen einfach zu barsch. Viele Jünger Jesu, die ihm zuhörten sagte: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
Galanter, freundlicher, sensibler hätten sich seine Anhänger Jesus gewünscht.

Und was tut Jesus?
Er kriegt nicht die Muffe, er gibt nicht klein bei. Er entschuldigt sich nicht. Er bettelt auch nicht: Bleibt doch und lasst mich nicht allein. Er fragt nicht: Was hättet ihr denn gern? Oder was muss ich tun, damit euch das Bleiben leichter fällt? Nein! Im Gegenteil. Er setzt noch eins drauf: Er fragt die verunsicherten Zwölf: Wollt auch Ihr weggehen?

Er stellt vor die Entscheidung. Und dann die Worte des Petrus: „Herr, zu wem sollten wir gehen. Du hast Worte des ewigen Lebens!“
Da bleibt einer, weil er spürt: Hinter den Worten, die er von Jesus gehört hat, steckt etwas. Die sind nicht einfach so dahergesagt, die flunkern und schmeicheln nicht. Es sind Worte, die geben Orientierung und bringen mich im Leben weiter. Sie helfen mir, mich selbst zu hinterfragen und lassen etwas von einer Welt anklingen, wie Gott sie sich eigentlich vorstellt und zeigen mir, wie mein Beitrag zu einer menschlicheren Welt sein könnte.

Liebe Leser,
das heutige Evangelium ist für einen jeden von uns eine Anfrage: Warum bleibe ich?
Ich bleibe, weil dieser Jesus jeden Vergleich mit den Großen dieser Welt aushält.
Ich bleibe, weil ich es schon seit Jahrzehnten spüre: Seine Worte sind Worte, an denen ich im Leben gereift bin und die mich immer neu anregen, über eine menschliche Welt nachzudenken und meinen kleinen Beitrag für diese zu leisten.

Fürbitten

Herr, unser Gott, wir glauben, dass die Worte Jesu Worte des Lebens für Menschen sind. Wir bitten dich:

Wir beten für alle Frauen und Männer, die ehrenamtlich in unseren Gemeinden einen Dienst tun: Dass ihr bemühen und Wirken auch Früchte trägt

Wir beten für alle Menschen, die auf der Suche nach einem Sinn im Leben sind: Dass ihnen Worte Jesu zu Herzen gehen mögen

Wir beten für die Kinder in unseren Kindergärten und Schulen: Dass sie in froher Gemeinschaft lernen können, was sie für ein glückendes Leben brauchen

Wir beten um den ewigen Frieden für unsere Verstorbenen. In diesem Gottesdienst für...
Dass sie deine Verheißungen in Erfüllung gehen sehen


Pfarrer Stefan Mai

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