Sitz einfach da!

Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis (Mk 6,30-34)

Einleitung

Die Schulglocke schrillt. Pause! rufen die Kinder und rennen johlend in den Pausenhof.

„Pausen! Sie müssen die Pausen einhalten! Pausen sind wichtig! Sonst verliert die Komposition ihre Spannung,“ mahnt der Dirigent.

Ich muss jetzt die vorgeschriebene Ruhepause einlegen, kündigt der Busfahrer an, und fährt auf den Rastplatz. So mancher murrt. Warum schon wieder?

Legt eine Pause ein! Das legt Jesus im heutigen Evangelium den Jüngern nahe.

Legt eine Pause ein! Das ist seine Einladung für jeden Gottesdienst.

Predigt

Franz von Assisi, der große Tierliebhaber, der den Vögeln predigte und mit allen Tieren auf Du und Du stand, hatte nur mit einem Tier Schwierigkeiten: mit den Ameisen. Sein Klosterbruder Leo fragte ihn einmal: Jedes Tier achtest du. Du sprichst sogar mit den Wölfen, und sie hören auf dich. Die Schnecke hast du gesehen und von der Straße schnell in die Wiese gesetzt, um sie zu schützen. Jeden Tag gehen wir an einem Ameisenhaufen vorbei. das Werk der Ameisen ist im Vergleich höher als der Turm von Babel. Aber du hast nie ein Wort des Lobes für die kleinen Schwestern gehabt. Sollen wir von ihnen nicht lernen? Liebst du die fleißigen Ameisen nicht?
Der heilige Franz wurde nachdenklich: Du hast Recht, Bruder Leo. Ich wundere mich jeden Tag über die Ameisen. Sie arbeiten unentwegt, bauen und schaffen viel. Dabei aber sehen sie den Himmel nicht mehr und halten nicht mehr inne. Das erschreckt mich. Ich befürchte, dass die Menschen von den Ameisen nur das Beschäftigtsein lernen. Ich wünsche mir aber, dass sie einfach mal stehen bleiben, innehalten, in den Himmel schauen und Gott Dank sagen.

Fleißige Ameisen waren sie, die Zwölf, die Jesus ausgesandt hatte, sie brennen für ihren Auftrag, sind voller Euphorie und Tatendrang und sie können es kaum erwarten, bis sie von ihren großartigen Erfolgen erzählen. Doch da verordnet ihnen Jesus eine Pause. Er möchte, dass sie das Erlebte wie ein Echo nachklingen lassen, sich darüber austauschen, es tiefer setzen lassen. Was sie erlebten, ist einfach zu wertvoll als dass sie es einfach abhaken und sofort zum nächsten übergehen. Immer drauf los ohne nachzudenken tut der menschlichen Seele nicht gut. „Immerzu is kee Ackerläng“ sagten schon unsere Vorfahren.

Die meisten von uns haben eine Ameisennatur. Irgendwie steckt es in uns, immer etwas tun, immer beschäftigt sein. Von einem ins andere. So manche/r traut sich bis heute nicht, am Werktag einmal mitten am Tag an der Eisdiele zu sitzen. Was könnten denn da die Leut´ denken!

Irgendwie haben wir Worte im Ohr: Was sitzt du denn nur einfach da - tu etwas! Das sind stille Antreiber.

Der große Zen-Meister Tich Nhat Hanh rät dagegen: „Statt zu sagen: Sitz nicht nur einfach da, tu irgendetwas, sollten wir das Gegenteil fordern: Tu nicht einfach irgendetwas - sitz nur da!“

Ob nicht Jesus mit seiner Einladung an einen stillen Ort dasselbe im Sinn hat? Hüte dich, dich in ein Hamsterraddasein verwickeln zu lassen. Pass auf, dass du nicht zum gehetzten Tier wirst, das nicht mehr nachdenkt.

Ich werde die Frau in Schweinfurt nie vergessen, die mich nach einem festlichen Gottesdienst einmal am Arm nahm und mir zuflüsterte: „Sie haben uns heute mit diesem Gottesdienst etwas so Schönes geschenkt. Schauen Sie doch, mit welch frohen und zufriedenen Gesichtern die Leute nach Hause gehen. Ich hoffe, Sie nehmen sich auch jetzt die Zeit, dies in einer stillen Stunde zu genießen und rennen nicht gleich zum nächsten.“

Fürbitten

Herr, unser Gott. Jeder Gottesdienst ist eine Einladung: Kommt und ruht ein wenig aus. Wir bitten dich:

Für alle, die nur ihre Arbeit kennen und sonst im Leben nichts mehr ernst- und wahrnehmen

V/A Christus höre uns

Für alle, die sich in ihrem Beruf verausgabt haben und innerlich oder körperlich ausgebrannt sind

Für alle, die sich in Konflikten aufreiben und aus dem Streit nicht mehr herausfinden

Für alle die Erholung suchen oder sich nach neuer Gelassenheit sehnen

Für die alten und kranken Menschen, die nichts mehr tun können und ständig auf Hilfe angewiesen sind


Pfarrer Stefan Mai

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