...dann schläft er...

Katholische Morgenfeier am 14. Juni 2015

„Herzlichen Glückwunsch! Sie haben die Stelle! Wir setzen in Sie als unsere neue Abteilungsleiterin größtes Vertrauen.“ Ein Jubelschrei entfährt Karin, als sie diese Nachricht aus dem Mund des Vorstandschefs am Telefon hört. Jahre lang hatte sie sich im Unternehmen hochgearbeitet. Ihre ganze Lebensenergie in den Beruf gesteckt. Sie hatte sich als absolut verlässlich erwiesen bei allen Aufgaben, die man ihr im Lauf der Zeit gestellt hatte. Endlich hat sie es jetzt geschafft. Eine führende Position als Abteilungsleiterin im Einkauf in einem weltweit agierenden Konzern. Jetzt gilt es ein Team mit sieben Mitarbeitern aus verschiedenen Kontinenten zu leiten. Sie freut sich riesig auf die neue Herausforderung und fühlt sich fachlich bestens geeignet. Fleißig war sie schon immer und hat die Unternehmungsleitung mit ihren konstruktiven Ideen beeindruckt. Mit großem Elan und ungeheurer Energie geht sie an ihre neue Aufgabe heran.
Doch ein halbes Jahr nach dem Jobantritt beginnen die Probleme. Karin spürt eine andauernde innere Unruhe. Der Kopf dreht sich nur noch um die Arbeit. Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Team dämpfen schnell die Anfangseuphorie.
Zunächst konnte Karin nur in den Nächten von Sonntag auf Montag nicht mehr gut einschlafen. Dann grübelte sie schon tagsüber, ob sie abends überhaupt einschlafen kann. Ihr Arzt verschrieb ihr Schlaftabletten, die sie einmal in der Woche nehmen sollte. Nach einigen Monaten schluckte sie die Pillen täglich – eine höhere Dosierung lehnte der Arzt ab. Bald schlief sie pro Nacht höchstens drei Stunden, und auch das nur unruhig. Das hinterließ Spuren.
Sie wurde zunehmend unkonzentriert, hatte Probleme, Auto zu fahren, und wollte in der Freizeit nur noch ihre Ruhe haben. Nur noch Blei in den Knochen. Ständige Müdigkeit. Eines Morgens konnte sie nicht mehr aufstehen. Sie war eigentlich nicht krank, sondern einfach zu schwach. Der jahrelange Schlafentzug hatte sie ausgelaugt.
„Das gibt’s doch nicht!“, redet Karin sich ein. Andere kommen auch mit vier, fünf Stunden Schlaf aus. Die Mehrheit der führenden Politiker sagen das von sich. Wie sollten sie auch sonst die endlosen Marathonsitzungen bis in die frühen Morgenstunden durchhalten. Sie hat die Sätze mancher Kollegen im Ohr: „Wer mehr als vier, fünf Stunden schläft, verpasst das Leben!“ Ja sie brüsten sich damit, mit wenig Schlaf auszukommen. Eine Kuh käme schließlich auch mit drei bis vier Stunden aus. Und ein Faultier wollte sie bei Gott nicht sein. Aber die schlaflosen Nächte machen sie mehr und mehr kaputt...

Musikeinspielung

Weil Karin am Sonntagmorgen wieder nicht schlafen konnte und von einer inneren Unruhe geplagt war, machte sie etwas, was sie schon lange nicht mehr getan hatte. Die Glocken der Stadtpfarrkirche läuteten gerade. Es zog sie in die Kirche und sie besuchte am Sonntagmorgen wieder einmal einen Gottesdienst. Karin wollte schon zu Beginn fast wieder rausgehen, als der Pfarrer den Gottesdienst mit der Frage begann: „Haben Sie heute Nacht gut geschlafen?“ und dabei noch grinste. Sie ärgerte sich über die satten Gesichter, die freundlich nickten. In ihr brodelte es:

Karin:
„Mann, hast Du ´ne Ahnung! Wach doch du nach einer Stunde gleich wieder auf und wälz dich im Bett herum! Gehst raus, trinkst ein Glas Milch mit Honig – vielfach gepriesenes Einschlafrezept, aber bei mir nützt es nichts. Wälzt dich wieder im Bett herum, schaltest den Fernseher an. Doch der macht auch nicht schlafbereit. Die Arbeit geht dir dauernd durch den Kopf. Alles ist in dir schwer, aber die Augen fallen einfach nicht zu bis in die frühen Morgenstunden hinein. Und dann stehst du erschossen wieder auf!“
Aber dann beruhigt sie doch der getragene Kyrieruf – und sie bleibt.


Musikeinspielung

Und wie die Worte des Evangeliums verlesen werden, wird Karin hellhörig. Es erzählt von einem, der gut schlafen kann.

In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf. Es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie.
Die Erde bringt von selbst ihre Frucht – zuerst den Halm – dann die Ähre – dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.


Im ersten Moment lächelt sie ein wenig über den naiven Sämann......aber dann wird sie nachdenklich, als der Pfarrer in der Predigt behauptet:
Das Gleichnis ist keine Anleitung für Faulenzer, sondern „revision de vie“ für Menschen, die alle Kraft bis über die Maßen in ihren Beruf, in die Familie oder Kirche hängen und meinen: auf mich allein kommt es an.
Dieses Gleichnis, so behauptet er, ist eine Warnung an Menschen, die meinen: ohne mich kann die Welt nicht bestehen. Und er provoziert: Nimm dich nicht allzu wichtig, sonst kann es passieren, dass du so lächerlich erscheinst wie der Vogel in einer alten Fabel, der sich so wichtig nahm, dass er meinte, ohne ihn würde die Welt zusammenbrechen.
Er lag darum ständig auf dem Rücken und streckte seine Beine starr gegen den Himmel. Ein anderer Vogel beobachtete das, flog herbei und fragte ihn: „Warum machst du das? Liegst so merkwürdig auf dem Rücken und streckst deine Beine nach oben?"
„Es ist so", sagte der andere, „ich trage nämlich den Himmel mit meinen Beinen. Würde ich sie nur einen Moment wegziehen und loslassen, dann würde das ganze Himmelsgewölbe einstürzen!"
Aber kaum hatte der Vogel das gesagt, löste sich von Baum nebenan ein Blatt und raschelte dicht neben ihm ins Gras. Da bekam der Vogel einen solchen Schrecken, dass er seine Beine einzog und in Panik davonflog. Der Himmel aber, so endet die Fabel, wölbte sich wie immer über der Erde.

Und der Pfarrer schloss seine Predigt mit den Worten: Der Sämann unseres Gleichnisses rät: „Wer tagsüber Vollgas gibt, muss seinen Akku abends aufladen. Schlaf ist für Körper und Geist so wichtig wie Atmen, Essen und Trinken.“
Nach der Predigt kehrt Stille ein und Karin kommt ins Nachdenken. Ihr gehen noch einmal die Sätze des einfachen Gleichnisses durch den Kopf.

Die Weisheit des Gleichnisses

Ein Mann sät Samen auf seinen Acker...

Karin:
Das ist klar. Wenn du etwas bewirken willst, musst du dich deiner Arbeit mit Sorgfalt und Mühe widmen. Du musst Ideen haben,deine Gedanken einbringen, und versuchen, andere dafür zu begeistern. Du musst die Widerstände bedenken, die auftauchen können und die einzelnen Schritte zur Realisierung genau planen.


Dann schläft er und steht wieder auf. Es wird Nacht und wieder Tag...

Karin:
Ja, es stimmt: Das Leben ist in einem Rhythmus angelegt. Du kannst nicht dauernd die Arbeit im Kopf herumtragen. Du kannst nicht dauernd puschen und unter Volldampf fahren. Auch du brauchst Ruhephasen. Momente, wo du aufatmen, staunen, dich freuen, ja dich hängen lassen kannst. Mach dir bewusst: Solche Brachzeiten sind keine verlorene Zeiten, sondern neue Energie- und Ideenquellen.


Der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie...

Karin:
Ja, und du weißt nicht wie…
Du weißt nicht wie schnell zum Beispiel die Zeit verging. Schau, deine Kinder waren doch eben noch klein und auf dem Schoß. Jetzt haben sie das Studium schon hinter sich, sind längst von daheim ausgezogen und turnen nun durch die Welt, als wäre sie ihr Kinderzimmer.

Und du weißt nicht wie… aber plötzlich war sie da, fühlbar, aber nicht fassbar, kann auch nur sagen dass, kann nicht erklären warum, könnte zerspringen vor Glück, weil sie einfach da war: die Liebe – und du weißt nicht wie…

Und du weißt nicht wie… aber dass ich hier und nicht dort gelandet bin, dass ich Familie und Beruf unter einen Hut gebracht habe. Manche Krisen in der Beziehung gemeistert habe und nicht daran zerbrochen bin... und du weißt nicht wie.

Und du weißt nicht, wie...
Bei allem strategischen Denken, dem Planen und Konzipieren - Vielleicht sollte ich öfters über dieses geheimnisvolle „Ich weiß nicht wie…“ nachdenken, um mir bewusst zu machen, dass vieles nicht in meiner Hand liegt, einfach Draufgabe und Zugabe des Lebens ist.


„Von selbst bringt die Erde Frucht“...

Karin:
Ja, es gehört zum Wesen des Samens, automatisch aufzugehen und Frucht zu bringen.
Der Same ist aktiv, nicht der Sämann: Der Same geht auf, er wächst, er bringt Frucht. Der Sämann aber schläft und steht auf und schläft und steht auf, Tag und Nacht.

Das gibt zu denken, dass das Gleichnis nicht das Schwergewicht auf das Tun des Sämanns legt, nicht auf pflügen, eggen, säen, wässern, jäten… Das Gleichnis verkehrt demonstrativ das Tun des Sämanns ins Nichtstun. Müßiggang. Schlafen und Aufstehen. Während der Same aktiv wird: wächst und gedeiht. Seltsam! Heißt das: Auch ohne mein Tun kann vieles wachsen, sich entwickeln, sich Erfolg einstellen?

Da brauch ich doch nur meine Kinder anschauen. Vieles, was ich ihnen beibringen und vermitteln wollte, ist auf keinen fruchtbaren Boden gefallen. Aber ich muss zugleich gestehen: Ich sehe so viel Positives bei ihnen, wofür ich keinen Finger gerührt habe. Gute Entwicklungen, die ich nicht in die Wege geleitet habe. Wofür ich einfach nur dankbar sein kann. Gott sei Dank sind meine Kinder nicht nur Abziehbilder von mir, sondern eigene Persönlichkeiten geworden.


Die Erde bringt von selbst ihre Frucht – zuerst den Halm – dann die Ähre – dann das volle Korn in der Ähre...

Karin:
Ja, bei meiner ungeduldigen Art sollte ich mir das endlich eingestehen. Der Erfolg stellt sich nicht mit einem Schlag ein. Er lässt sich nicht mit meiner Leistung einfach herbeizwingen. Das sollte ich mir von allem Lebendigen sagen lassen: Leben heißt Entwicklung und lässt sich nicht aus dem Boden stampfen. Leben geht Schritt für Schritt. Entwicklung braucht Zeit. Ja vielleicht hat mein Sohn Recht, als er mir neulich schrieb: „Frag dich einmal, wohin willst du eigentlich noch? Rennst du nur noch? Bist du nicht nur von dem Ziel getrieben, vor den anderen zu bleiben, und nur ja nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wird dir nicht dein Positionskampf zum Schicksal in dem Sinn: Wenn es keinen richtigen Platz gibt, dann ist der beste Platz an der Spitze!“ Und er legte mir eine alte chinesische Fabel bei von einem Bauer aus Sung, von dem man sich erzählt:

Der Bauer war traurig, weil sein Weizen nicht schnell genug wachsen wollte. Deshalb zupfte er Halm für Halm höher. Ganz erschöpft kam er nach Hause und sagte: „Ich habe schwer gearbeitet. Ich habe dem Weizen beim Wachsen geholfen!“ - Da rannte sein Sohn hinaus aufs Feld und fand alle Sprösslinge verwelkt auf dem Acker liegen.

Karin:
Ja, ich muss wieder neu in mich hineinhorchen: Was entwickelt sich zur Zeit? Spürst du nicht: Wie du mit der Zeit – weil angeblich immer keine Zeit da war - deine Freunde vergessen hast, keine Zeit für ein Telefonat, geschweige denn für einen Besuch?
Merkst du nicht, dass du mit der Zeit älter wirst und du nicht mit deinen jungen Kollegen kräftemäßig mehr mithalten kannst? Warum meinst du, früh als erster im Büro sein zu müssen und abends der letzte, der das Licht ausmacht?
Ich muss schon zugeben: Dieser Sämann, der gut schlafen kann, macht mich nachdenklich. Ich bin zwar keine fromme Tante, aber dieses Gleichnis hat was in sich. Die Frage wird in mir weiterbohren: Mit welcher Haltung gehe ich das Leben an? Wird sich bei mir noch einmal die engagierte Gelassenheit dieses Sämanns einstellen? Dieses Vertrauen und dieser Optimismus: Was ich ehrlich angehe und in die Wege leite, hat eine dynamische Kraft in sich und wächst alleine, ohne mich dauernd unter Druck zu setzen?


Karin geht nach dem Gottesdienst nachdenklich nach Hause. Dieser gelassene Sämann mit seinem guten Schlaf geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Und wie gern würde sie eine gelassenere Lebenshaltung von Rabbi Schmelke lernen, mit dem sie sich so seelenverwandt fühlte. Der Pfarrer gab den Gottesdienstbesuchern die chassidische Geschichte als Wort in den Tag noch mit auf dem Weg:

„Rabbi Schmelke pflegte, damit sein Lernen nicht allzu lange Unterbrechung erleide, nicht anders als sitzend zu schlafen, den Kopf auf dem Arm und zwischen den Fingern ein brennendes Licht, das ihn wecken sollte, so wie die Flamme seine Hand berührte. Als Rabbi Eli Melech ihn besuchte, bereitete er ihm ein Ruhebett und bewog ihn mit viel Überredung, sich für ein Weilchen darauf auszustrecken. Dann schloss und verhüllte er das Fenster.
Rabbi Schmelke erwachte erst am hellen Morgen. Er merkte, wie lange er geschlafen hatte, aber es reute ihn nicht, denn er empfand eine unbekannte Klarheit. Er ging ins Bethaus und betete der Gemeinde vor, wie es sein Brauch war. Aber der Gemeinde schien es, als hätte sie ihn noch nie gehört. Als er den Gesang vom Schilfmeer anstimmte, mussten sie den Saum ihrer Kaftane raffen, dass sie die rechts und links bäumenden Wellen nicht netzten. Später sagte Schmelke zu Eli Melech: ‚Jetzt erst habe ich erfahren, dass man Gott auch mit dem Schlafe dienen kann.“

Liedeinspielung

Gebetsteil

Im Gebetbuch Israels, den Psalmen gibt es einen Psalm, der dem Gleichnis vom gelassenen Sämann seelenverwandt ist. Es ist der Psalm 127. Er lautet in der Übersetzung von Arnold Stadler:

„Wenn nicht der Herr das Haus baut, ist alles umsonst gebaut.
Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, ist alles umsonst bewacht.
Umsonst, dass ihr aufsteht in aller Herrgottsfrühe
und Feierabend macht kurz vor dem Einschlafen,
und noch schnell ein hartes Brot hinabschlingt,
denn: den Seinen gibt's der Herr im Schlaf."


In dieser Gebetshaltung möchte ich beten:
Lass mich meine Arbeit in Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt tun, als käme es ganz allein auf mich an. Lass mir aber zugleich bewusst sein: Ich bin nicht das Wichtigste auf der Welt und auf mich kommt es am Ende nicht an.
Lass mich gut umgehen mit der Zeit, die du mir schenkst. Lass mich meine Lebenszeit nützen, sie nicht tot schlagen und vertrödeln. Schenke mir aber ein Fingerspitzengefühl dafür, was erstrangig, zweitrangig und weniger wichtig ist, um nicht in Allmachtsphantasien zu verfallen.
Wenn ich am Abend das Gefühl mit ins Bett trage: Vieles ist liegengeblieben. Vieles arbeitet noch in mir. Und wenn ich schon an Morgen denke, dann wird mir ganz anders. Gönne mir trotzdem den Schlaf, und lass Unerledigtes im Schlaf reifen.
Lass mich konzentriert bei meiner Arbeit sein und Aufgaben abarbeiten, aber lehre mich auch die Kunst, Dinge liegen zu lassen und mir Zeit zu gönnen für die Muße und das Nichtstun.
Ernst nehmen möchte ich meine Arbeit. Lass mich aber auch über mich lachen können, wenn ich sie zu ernst nehme. Schenke mir eine heitere Gelassenheit.
Ich möchte den Erfolg meiner Arbeit sehen und auch die Früchte meiner Arbeit ernten dürfen. Lehre mich aber auch die Geduld, warten zu können, Geduld zu haben und mit kleinen Schritten nach vorn zufrieden sein.
Schenke mir Erfolg in all meinen Unternehmungen, aber auch zugleich die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe des Lebens sind, durch die wir wachsen und reifen.
Ich möchte nicht umsonst die Kräfte meines Lebens einsetzen. Aber schenke mir auch Augen dafür, dass mir Vieles ganz umsonst, gratis im Leben geschenkt wird.

Gib mir Freude am Planen und am Ziele stecken. Gib mir Phantasie, welche Wege ich einschlagen kann, um die Ziele zu erreichen.
Aber lass mich nicht mutlos werden, wenn die eingeschlagenen Wege nicht weiterführen und ich umdenken muss.

Ich möchte mich an Zielen ausrichten und sie auch erreichen. Aber bewahre mich vor dem Gedanken, dass dies der einzige Schlüssel zu einem gelingenden Leben ist.
Lass mich von der Natur lernen, dass alles Zeit und Entwicklung braucht und dass sich nichts im Leben, aber auch gar nichts, krampfhaft erzwingen lässt.

Schenke uns auch als Kirche diese engagierte Gelassenheit:
In unserer Kirche gibt es viele flüchtige Beziehungen. Menschen besuchen punktuell die ein oder andere Veranstaltung, hören ein Konzert und werden danach unter Umständen nie mehr gesehen.
Wir sehen keinen Erfolg; aber vielleicht tragen diese Menschen doch in sich einen Samen, der hier ausgestreut wurde und dort aufgeht, an anderem Ort, zu anderer Zeit, ich weiß nicht wie…

Wir wissen nicht, was die Kinder alles mitnehmen aus unserem Kindergarten, aus den Schulgottesdiensten, aus unseren Kommunion- und Firmkatechesen. Aber vielleicht ist es ja so ein Samenkorn, das viel später einmal aufgeht, sie erinnert, ihnen Kraft, Halt, Orientierung gibt,... und wir wissen nicht wann und wo und wie.

Wieviel Hirnschmalz und Lebenskraft stecken Menschen, die Sonntag für Sonntag die frohe Botschaft zu übersetzen und auszurichten haben, in die Predigt und können den Erfolg ihrer Bemühungen nicht sehen. Aber wer kann wissen, was die, die zuhören, hören. Und es mag sein, dass ein Satz, dem ich gar keine Bedeutung beigemessen habe, für diesen oder für jene wichtig wird, ins Mark trifft und überzeugt,... und ich weiß nicht wie.

„Wenn nicht der Herr das Haus baut, ist alles umsonst gebaut.
Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, ist alles umsonst bewacht.
Umsonst, dass ihr aufsteht in aller Herrgottsfrühe
und Feierabend macht kurz vor dem Einschlafen,
und noch schnell ein hartes Brot hinabschlingt,
denn: den Seinen gibt's der Herr im Schlaf."


Für den Segen möchte ich mir die Worte des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr leihen; früher hat man sein „Gelassenheitsgebet“ Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782) zugeschrieben:

Gott, gebe dir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

...und er möge dir einen guten Schlaf schenken!

Verwendete Musik:
Vaya von Dios, Nr. 3 Wanderung, edel Records LC 01666
Sarah Kaiser, Geistesgegenwart Nr. 3 Wer nur den lieben Gott lässt walten, Gerth Medien 13743


Pfarrer Stefan Mai

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