Zwei Missionare vor Augen

Predigt zum Goldenen Priesterjubiläum von Erich Hauck

Zu den ersten Bildern, die in früheren Zeiten uns Kinder vom Land prägten und sich tief ins Gedächtnis eingegraben haben, gehörten die Kunstwerke unserer Dorfkirchen. In einer Zeit, in der keine Bilder Tag und Nacht über die Fernsehschirme huschten, in einer Zeit, in der auch in den Wohnungen der einfachen Menschen keine wertvollen Kunstwerke zu finden waren, da machten die Bilder und Figuren unserer Kirchen auf Menschen großen Eindruck, waren seelische Erhebung und regten zum Nachdenken an. Bilder bilden!

Als Bub hattest du, Erich, die Bilderwelt deiner Heimatkirche in Brünnstadt oft vor Augen. Als Ministrant warst du vor dem Brünnstädter Hochaltar gekniet und hast oft zu den beiden Figuren dort aufgeschaut. Zu Kilian auf der rechten Seite und zu Bonifatius auf der linken Seite. Kilian und Bonifatius, beide iroschottische Wandermönche. Kilian, der den christlichen Glauben in unserem fränkischen Land grundgelegt hat, und Bonifatius, der Apostel der Deutschen, der mit seinem Organisationstalent kirchliche Strukturen legte. Die Brünnstädter Vorfahren haben zwei Missionare auf ihren Hochaltar gestellt und für ihr Kirchlein Bonifatius zum Kirchenpatron gewählt.

Ob die beiden Missionare schon damals in dir – vielleicht ganz unbewusst – den Traum, einmal selbst als Missionar in die weite Welt zu ziehen – wachküssten?
Sicherlich ist der Entschluss, Missionar zu werden, in dir erst später gereift. Ausschlaggebend für dich als jungen Theologiestudenten und Priester war die Missionsenzyklika „fidei donum“ - aus dem Jahr 1957.
In dieser Enzyklika forderte Papst Pius XII. die europäischen Bischöfe auf, angesichts des großen Priestermangels in der Dritten Welt ihren dortigen Kollegen zu helfen. Er bat besonders die Diözesanbischöfe, einige ihrer Priester für eine zeitlich begrenzte Tätigkeit in den Kirchen von Afrika, Lateinamerika oder Asien freizustellen. Damit setzte er ein Zeichen für die weltweite Verantwortung der Bistümer und Ortskirchen. Wie sich die Verhältnisse in der kurzen Zeit doch geändert haben!

Heute am Tag unseres Kirchenpatroziniums St. Bonifatius, an dem wir dein Goldenes Priesterjubiläum in deiner Heimatkirche feiern, möchte ich ganz bewusst diese zwei großen Missionare unseres Hochaltars zu uns sprechen lassen. Und ich meine auch, Erich, gewisse Parallelen zu deiner Missionsarbeit an ihrem Wirken zu entdecken.

Als Kilian von seinem Kloster übers Meer geschickt wurde, wusste er noch nicht, wo er einmal landen würde. Die Kilianslegende erzählt: Nach harten Entbehrungen auf seiner langen Missionsreise führt ihn der Weg über den Rhein ins Maintal. Wie Kilian mainaufwärts mit seinen Gefährten nach Würzburg kommt, meint er: „Hier ist es schön, dieser Ort ist so lieblich anzuschaun und die Menschen sind so freundlich zu uns. Hier lasst uns bleiben.“ Und so blieb Kilian im Würzburger Land hängen.

Erich, du erzähltest: Als du vor der Frage standest, wohin dich die Missionsarbeit führen sollte, da war dir klar: Nicht nach Asien, nicht nach Afrika. Ich gehe nach Lateinamerika, da ich annehme, diese Kultur dort, die auch durch die abendländische Kultur mitgeprägt wurde, kann ich von meiner Mentalität her besser verstehen. Und nach einigen Stationen in Ecuador, Chile, Costa Rica bist du schließlich in Quilicura bei Menschen, die vom Land in die große Stadt zogen, um sich dort eine Existenz aufzubauen, gelandet und hast hier deine große Lebensaufgabe im Aufbau einer jungen Pfarrei gefunden und die Kraft deines Lebens für diese Menschen dort am Rand von Santiago de Chile eingesetzt.

Daran glauben, dass mich Gott an einen Ort führt, zu dem ich passe, an dem ich gut zum Wohle von Menschen wirken kann. An einen Ort, wo ich die Menschen verstehe und diese dankbar sind, dass ich da bin. An einen Ort, wo ich mit meinen Begabungen Menschen zu Diensten sein kann. Dieses Grundvertrauen in Gottes gutes Weggeleit hat dich in all Deinen Jahren in Höhen und Tiefen begleitet. Für mich hat dies kein Mensch besser ausgedrückt als es Edith Stein in einem Gebet einmal formuliert hat:

Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen,
leg’ ich meinen Tag in Deine Hand.
Sei mein Heute, sei mein Morgen,
sei mein Gestern, das ich überwand.
Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen,
bin in Deinem Mosaik ein Stein.
Du wirst mich an die rechte Stelle legen,
Deinen Händen bette ich mich ein.


An unserem Kirchenpatron Bonifatius fasziniert mich allein schon sein Name. Sein ursprünglicher Name war Winfried. Als er nach einem fehlgeschlagenen ersten Missionsversuch bei den Friesen erneut zu seiner zweiten Missionsreise aufbrach, erhielt er von Papst Gregor II. den schriftlichen Missionsauftrag und als Symbol seiner Sendung einen neuen Namen: „Bonifatius – der Gutes tut, der Wohltäter.“ Ein Name ist ein Programm.

Erich, dein nordischer Vorname ist noch kein Missionsprogramm. Aber du hast Dir damals vor 50 Jahren einen Primizspruch gewählt, einen Satz des Apostels Paulus aus dem 2. Korintherbrief: „Gott hat uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst an der Versöhnung anvertraut.“

Wenn sich ein junger Mensch zu seiner Priesterweihe einen Primizspruch wählt, dann drückt er darin aus, was ihn persönlich tief berührt, was ihn anspricht, wofür er antreten möchte, was ein tiefer Wunsch und eine große Sehnsucht von ihm ist. Es ist ein Lebensprogramm, wie eine Überschrift, die er über seine Lebensaufgabe stellen will und die sein Wirken wie ein roter Faden im Leben begleiten soll.

Du hast dir diesen Spruch gewählt, weil du diesen Dienst an der Versöhnung in den Alltag deiner Missionsarbeit übersetzen wolltest. Eines Deiner Hauptanliegen lautet: Die Menschen in Quilicura, die aus allen Ecken und Winkeln Chiles ihr Glück in der Großstadt suchen, in ihrer unterschiedlichen kulturellen Prägung zusammenzuführen. Du hast dort in Quilicura damit begonnen, auf Straßen und Plätzen unterschiedliche Menschen in Gottesdiensten zu einer Gemeinschaft zu formen und hast es mit großer Hartnäckigkeit, mit Organisationstalent, deutscher Gründlichkeit und Verlässlichkeit – und wahrscheinlich auch mit angeborener Brünnstädter Bauernschläue – geschafft, für Menschen Orte der Gemeinschaft untereinander und mit Gott zu schaffen.

Mich hat die Antwort des großen Universitätslehrers Gerhard Lohfink beeindruckt, wie er einmal von einem Studenten gefragt wurde, ob er mit einem einzigen Satz alles zusammenfassen könne, was Jesus gewollt hat. Er stotterte erst herum, aber die Frage ließ ihn nicht los, bis er seine Antwort gefunden hatte. Er meinte: „Wenn ich nach einer Aussage über Jesus suchen müsste, die das enthält, was für heute nach meiner Meinung wichtig ist, würde ich sagen: Jesus hat Gemeinschaft hergestellt!“ Gemeinschaft mit Freunden, Aber auch mit allen, denen von anderen Menschen Gemeinschaft verweigert wurde: mit den Armen und den Ungelehrten, mit den Kindern und Kranken, mit den Zöllnern und Sündern. Indem er mit ihnen allen Gemeinschaft herstellt, stellt er zugleich die Gemeinschaft mit Gott her.

Dir, Erich, war es ein Anliegen, gerade für die unterprivilegierten Schichten Räume der Begegnung, der Gemeinschaft zu schaffen: einen Pfarrsaal, eine Schule, eine große Kirche und zum Schluss einen Bau mit Gemeinschaftsräumen. Und der Name Eurer jungen Pfarrei führt dieses Programm deines Herzensanliegens weiter: „Sagrada Familia de Quilicura“ - Heilige Familie von Quilicura – diesen Namen habt ihr gewählt. Was heißt das anderes, als Menschen in eine große Gemeinschaft zusammenführen?

Lieber Erich,

zu Deinem Priesterjubiläum darfst du kurz vor deiner Pensionierung in Dankbarkeit auf die Früchte deines in die Realität umgesetzten Lebensprogramms zurückschauen. Aus der Erfahrung unserer deutschen Kirche wird auf die, die in deine Fußstapfen treten, die auf deine Arbeit aufbauen und an ihr weiterbauen, eine große Aufgabe zukommen, wie sie Martin Buber einmal in einer seiner chassidischen Geschichten formuliert hat. Er erzählt folgende Begebenheit:

Rabbi Jizchak erging sich einmal an einem Spätsommerabend mit seinem Enkel im Hof des Lehrhauses. Da sagte er zu ihm:
"Wenn einer Führer wird, müssen alle nötigen Dinge da sein, ein Lehrhaus und Zimmer und Tische und Stühle, und einer wird Verwalter, und einer wird Diener und so fort. Und dann kommt der böse Widersacher und reißt das innerste Pünktlein heraus, aber alles andere bleibt wie zuvor, und das Rad dreht sich weiter, nur das innerste Pünktlein fehlt".
Der Rabbi hob die Stimme: "Aber Gott helfe uns. Man darf´s nicht geschehen lassen".


Von Herzen wünsche ich Dir, dass Du es im Alter aus der zweiten Reihe heraus erleben darfst: dass Deinen Leuten auch in Zukunft bei der von dir geschaffenen guten Infrastruktur dieses innerste Pünktlein, der begeisterungsfähige in Gemeinschaft gelebter Glaube lebendig bleibt.

Fürbitten

Gott und Vater der Menschheit, du hast uns durch deinen Sohn Jesus Christus mit dem Glück des Glaubens beschenkt und willst, dass wir es in seinem Namen an alle Menschen weiterreichen. Darum bitten wir:

• Gib deiner Kirche ein waches Bewusstsein von ihrem Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums.
• Mache alle Personen in der Kirche hellhörig für die weltweite Bedeutung deiner Frohbotschaft.
• Verleihe dem Papst und den Bischöfen, den Priestern und Laien, den Ordensleuten und Missionaren Mut zu echtem Glaubenszeugnis.
• Schenke allen Menschen die aufrichtige Bereitschaft, sich deiner Einladung zu öffnen.
• Zeige allen Suchenden und Zweifelnden einen Weg zu dir.
• Begleite unseren Jubilar Erich Hauck und alle Missionare in ihrem Dienst mit deiner Weisheit, Kraft und Gnade.
• Erfülle alle Gläubigen mit dem Verlangen, den eigenen Glauben auch an andere weiterzugeben.

Gütiger Gott und Vater aller Menschen, du hast uns zur Teilnahme an der Sendung deines Sohnes berufen. Erhöre unser Gebet, das wir an dich gerichtet haben durch ihn, unsern Herrn und Meister Jesus Christus, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.


Pfarrer Stefan Mai

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