Die 99 schönsten Namen Allahs und die Dreifaltigkeit

Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag 2015

Einleitung

Alles klar haben, eine Formel kennen,
zu wissen wie es geht,
die Gebrauchsanweisung kennen,
gibt uns Sicherheit.
Doch nur zu häufig kommt es im Leben anders.

Auch im Glauben hätten wir gerne alles klar. Aber Gott bleibt mehr Frage als Antwort, ist häufig eher im Dunkeln als im hellen Licht.
Unsere theologischen Formeln fassen ihn so wenig, er bleibt der Unbekannte.

„Gott sei Dank gibt es nicht, was sich 60 bis 80 Prozent der Zeitgenossen unter Gott vorstellen,“ meinte einmal provokativ Karl Rahner.

Predigt

Wer durch die Schweinfurter Fußgängerzone geht, der begegnet oft türkischen Männern, die langsam dahinschreiten oder auf einer Bank sitzen und durch ihre Hände eine Perlenschnur gleiten oder direkt schnalzen lassen. Diese Perlenschnur ist den Muslimen heilig. Sie besteht aus 33 oder 99 Perlen. Ein frommer Muslim nennt beim Berühren der Perlen jeweils leise oder laut einen der 99 schönsten Namen Allahs. Mit diesen Namen ruft er sich Eigenschaften Gottes ins Gedächtnis, wie z. B.:
Der Barmherzige, Der König, Der Beschützer, Der Allmächtige, Der Schöpfer, Der Verzeihende, Der Schenkende, Der Zupackende, Der Hörende, Der Sehende, Der Freundliche, Der Sanftmütige, Der Gewaltige, Der Vergebende, Der Dankbare, Der Lebendige,Der Eine, Der Ewige, Der Geber, Das Licht, Der (ewig) Bleibende, Der Vernünftige, Der Geduldige...
Die 99 schönsten Namen Allahs lassen sich in fünf Gruppen einteilen:
Die erste Gruppe umfasst Namen, die Allahs Einheit, Heiligkeit und Andersartigkeit zum Ausdruck bringen (z. B. Der Heilige, Die Wahrheit, Der Preiswürdige, Der Lebendige, Der Eine, Der Ewige und Das Licht).
Die zweite Gruppe umfasst Namen, die seine Schöpfertätigkeit bezeichnen (z. B. Der Schöpfer, Der Urheber und Der Gestalter).
Verwandt sind damit drittens die Namen, die Allahs unbeschränkte Macht umschreiben (z. B. Der König, Der Bezwinger und Der Gewaltige),
und viertens die vielen Namen, die von ihm als dem Richter sprechen (Der Wissende, Der Demütigende, Der Richter, Der Berechnende, Der Überwacher, Der Zeuge und Der Rächer).
Eine fünfte, große Gruppe drückt Allahs Großzügigkeit im Schenken aus, die wiederum mit seiner Macht zusammenhängt (Der Barmherzige, Der Beschützer, Der Verzeihende, Der Versorger, Der Bewahrer, Der Liebende, Der Nachsichtige und Der (recht) Leitende).
Viele Muslime kennen die 99 schönsten Namen Gottes auswendig und sagen sie regelmäßig auf. Bewusst fehlt die hundertste Perle. Damit drücken die Muslime aus: All die Namen, die wir Allah geben, all die Eigenschaften, die wir Gott zuweisen, können niemals das Wesen Allahs umschreiben. Er ist viel größer als wie wir ihn denken und nennen können. Das tiefste Wesen Gottes bleibt dem Verstehen des Menschen immer entzogen.
Unsere Dreifaltigkeitsformel und Vorstellung ist ebenso ein Versuch – ein hochtheologischer - , Gott in seiner Erhabenheit und doch in seiner Nähe zu den Menschen und der Welt zu denken. Gott in seiner Unbegreiflichkeit zu lassen, aber doch zum Ausdruck zu bringen: In diesem Jesus kannst du am leichtesten dir ein Bild machen, wer Gott ist und wie er sich eine menschliche Welt vorstellt – und durch seinen Geist ist er auch heute noch wirkmächtig.
Selbst große Geister wie ein Augustinus stoßen hier an ihre Grenzen. Sie kennen die berühmte Erzählung:

Augustinus ging am Strand des Mittelmeers spazieren und kam an einem Kind vorbei, das am Strand spielte. Es schöpfte mit großer Geduld mit einem Becher Wasser aus dem Meer in eine kleine Grube, die es sich in den Sand gegraben hatte. "Was hast du vor?" fragte Augustinus das Kind freundlich. "Ich will das Meer ausschöpfen", sagte der Kleine. Augustinus musste lächeln, aber er kam sogleich auch ins Nachdenken. Was er da erlebte, war für ihn wie ein Fingerzeig für seine momentanen theologischen Überlegungen: So wenig es diesem Kind gelingen würde, das Meer auszuschöpfen, so wenig würde es dem Menschen jemals gelingen, mit seinem Verstand die Dreieinigkeit Gottes zu ergründen.

Auffällig ist für mich, dass der Patron unserer Pfarreiengemeinschaft, Franz von Assisi, in seinem Gebet auf die Größe und Unbegreiflichkeit des dreieinen Gottes eine ähnliche Litanei von schönsten Gottesnamen schreibt wie der Islam. Der Lobpreis lautet:

Heiliger Gott, Du bist der heilige Herr, alleiniger Gott, der Wundertaten vollbringt.
Du bist der Starke, Du bist der Große, du bist der Höchste.
Du bist der allmächtige König, Du heiliger Vater, bist König des Himmels und der Erde.
Du bist dreifaltig und einer, Herr Gott, Allgütiger.
Du bist gut, über alles gut, lebendig und wahr.
Du bist die Liebe und der geliebten Minne Ziel.
Du bist die Weisheit, Du bist die Erbarmung, Du bist die Langmut.
Du bist Sicherheit, du bist Ruhe, Du bist Freude und Glück.
Du bist Maß und Gerechtigkeit, Du aller Reichtum.
Du bist die Schönheit, Du bist die Milde.
Du bist Schützer, Hüter und Schirmherr.
Du bist Kraft und Erquickung zumal.
Du unsere Hoffnung, Du unser Glaube, Du unsre große Wonne.
Du unser ewiges Leben, Großer, Wunderbarer, Herr, allmächtiger
Gott und barmherziger Heiland.
Dir sei Lob und Preis in alle Ewigkeit. Amen


Wurde Franziskus dazu vielleicht sogar von den 99 schönsten Namen Gottes des Islam inspiriert?
Wir wissen: Franziskus war mit dem Kreuzfahrerheer im Jahr 1219 unterwegs. Die Kreuzfahrer belagerten im Nildelta die Festungsstadt Damiette. Franziskus gelingt es, in der Nacht zum Palast des Sultans zu gelangen. Sultans Melek al-Kamil war ein hochgebildeter Mann. Es kommt zu einer Begegnung der beiden charismatischen Figuren. War Franziskus bei dieser Begegnung von der Gebetsschnur der Muslime mit den 99 schönsten Namen Allahs vielleicht so beeindruckt, dass dies ihn zu seinem Lobpreisgebet inspirierte?

Ich weiß es nicht. Eines ist mir aber klar: Kein Versuch, Gott zu denken, ihn auf den Begriff zu bringen, wird jemals gelingen:
Gott wird immer als undurchschaubares Geheimnis vor uns stehen, aber als Geheimnis, das fasziniert und anzieht.
Wären wir sonst hier?

Fürbitten
(Bernhard Rathmer)

Lasst uns beten zu dem einen Gott,
der als Vater, Sohn und Heiliger Geist
uns nah und fern zugleich ist:

Für alle Menschen, die in ihrem Leben nach Gott fragen,
dass sie ein Antworten bekommen, die uns auffordern,
in unseren alltäglichen Erfahrungen nach dir zu fragen.

Für alle Menschen, die glauben,
Gott in ihren Formeln und Wissen zu besitzen,
dass sie lernen, dich als mitgehenden Gott
in verschiedenen Lebenssituationen zu erfahren.

Für alle Menschen, die an Gott zweifeln
oder ihn abgeschrieben haben,
weil das Leben ihnen zu viel abverlangt,
dass sie hinter ihrem Leid, ihren Fragen und Zweifeln
dich als mitgehenden und sorgenden Gott erfahren.

Für die Menschen in den Krisengebieten unserer Erde,
besonders in Syrien, der Ukraine und in Nepal,
dass Frieden und gegenseitiges Verstehen wieder einkehren mögen.

Für alle Religionen und Konfessionen,
dass sie sich gegenseitig achten und sich alle bewusst werden,
dass wir als Menschen immer auf der Suche sind,
die immer nur ein Teil von dem erfassen können, wer Gott ist.

Für uns als Kirche und Gemeinden,
dass wir in unserer Zeit die Frage nach dir offen halten
und in der Beziehung zu den Menschen
in unserem Alltag etwas von deiner Beziehung zu uns leben.

Für unsere Toten. In diesem Gottesdienst nennen wir die Namen von....................................
dass sie dich schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht

Dreifaltiger Gott, du bist uns fremd und nahe zugleich.
Dafür danken wir dir und sprechen:
Ehre sei dem Vater... - Amen.


Kyrie

Suchende sind wir, Herr, nach einem Sinn.
Lass uns in den vielen Worten Dein Wort erkennen!
Herr erbarme dich.

Hoffende sind wir, Herr, auf ein Zeichen.
Lass uns in den vielen Dingen dich nicht verlieren!
Christus erbarme dich.

Wartende sind wir, Herr, auf ein Wort.
Las uns in all dem Lärm Dich hören.
Herr erbarme dich.


Pfarrer Stefan Mai

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