Der hl. Geist ist ein Praktiker

Predigt zum Pfingstmontag 2015

Einleitung

Vor ein paar Jahren brachte mir mein Freund von einer Amerikareise aus einem modernen Museum ein kleines rotes Magnettäfelchen mit. Darauf sind die Worte zu lesen:
God is in the details – Gott steckt im Detail.
Er erinnert mich oft daran: Du redest in deinem Beruf viel von Gott. Gott aber steckt im Detail. Wenn Menschen von ihm etwas erahnen und erleben können, dann in den Details des Alltags, und nicht in großen Worten. Wenn Menschen etwas von ihm spüren sollen, dann geschieht dies in den Details, wie du mit ihnen sprichst, auf Fragen eingehst, mit Menschen umgehst, wie du die großen Worte unseres Glaubens buchstabierst

Predigt

Er galt als ein etwas verschrobener, eigenwilliger Mensch, der alte Mann, den die Nachbarn teils spottend, teils liebevoll den "Alten" nannten. Sein Beruf blieb ein Geheimnis. Mann, Frau rätselten von Lehrer, Pfarrer, Bankkaufmann. Das Bahnwärterhäuschen an der stillgelegten Strecke von Geislingen nach Aalen hatte er sich mit seiner Frau zu einem kleinen Schlösschen umgebaut. Seiner praktische Fähigkeit wegen glaubten viele, er sei früher Maurer, Schreiner oder Gärtner gewesen. Neben einem großen Garten betreute er einige Hühner und Enten, sowie zwei Esel in dem als Stall umgebauten Fahrradschuppen.
Nein, lange Reden halten war nicht seine Stärke. Wenn er zu den Gemeindeversammlungen in die Stadt fuhr, sagte er nur wenig. Auch zur Kirchengemeinde hatte er nur losen Kontakt. Unvergesslich für viele blieb der Gottesdienst an Pfingsten mit dem sich anschließenden Gemeindefrühstück. Mitten in die vielen wortreichen Überlegungen über den Heiligen Geist hatte er laut dazwischen gerufen: "Der Heilige Geist ist ein Praktiker."

Der hl. Geist ist ein Praktiker! Es bringt nicht viel, über ihn theoretisch zu philosophieren. Es gilt, ihn in der Realität des Lebens aufzuspüren. Dorthin zu schauen, wo das Leben im Geist Jesu gestaltet wird. Dort ist er zu erahnen.

Ja, wo ist der Praktiker der “hl. Geist“ am Werk, wo sind seine Spuren zu entdecken? Der alte Karl Rahner gab hierfür einmal folgende Ratschläge:

Hast du schon einmal geschwiegen, obwohl du dich verteidigen wolltest, obwohl du ungerecht behandelt wurdest?
Hast du schon einmal verziehen, obwohl du keinen Lohn dafür erhieltest und man dein schweigendes Verzeihen als selbstverständlich annahm?
Hast du schon einmal etwas drangegeben, ohne Dank, ohne Anerkennung, selbst ohne das Gefühl einer inneren Befriedigung?
Warst du schon einmal restlos einsam?

Hast du dich schon einmal zu etwas entschieden, rein aus dem inneren Spruch deines Gewissens heraus? Du kannst es niemandem mehr sagen, niemanden klarmachen; wenn du weißt, dass du eine Entscheidung fällst, die dir niemand abnimmt, die du für immer zu verantworten hast?
Hast du schon einmal versucht zu lieben, wo keine Welle einer gefühlvollen Begeisterung dich trägt, wo alles ungreifbar und scheinbar sinnlos zu werden scheint?
Hast du einmal eine Pflicht getan, wo man sie scheinbar nur tun kann mit dem Gefühl sich selbst auszustreichen, oder eine entsetzliche Dummheit zu tun, die einem niemand dankt?
Warst du einmal gut zu einem Menschen, von dem kein Echo der Dankbarkeit und des Verständnisses zurückkommt, und du auch nicht durch das Gefühl belohnt wurdest, »selbstlos« oder »anständig« gewesen zu sein?
Suche solche Erfahrungen in deinem Leben. Wenn du solche findest, hast du die Erfahrung des Geistes gemacht. Die Erfahrung, dass der Geist mehr ist als ein Stück dieser zeitlichen Welt. Die Erfahrung, dass der Sinn des Menschen nicht im Sinn und Glück dieser Welt aufgeht. Die Erfahrung eines Wagnisses, das eigentlich keine ausweisbare, dem Erfolg dieser Welt entnommene Begründung mehr hat.
Wenn du die Erfahrung des Geistes machst, dann hast du (als Christ zumindest kannst du das glauben) faktisch auch schon die Erfahrung Gottes gemacht. Sehr anonym vielleicht. Sogar so, dass du dich dabei nicht umwenden kannst und auch nicht darfst, um Gott direkt in den Blick zu bekommen. Um etwa zu sagen: Da ist er, ich habe ihn.
Man kann ihn nicht finden, um ihn triumphierend als sein Eigentum zu erklären. Man kann ihn nur finden, indem man sich vergisst. Man kann ihn nur finden, indem man sich hingibt, ohne zu sich selbst zurückzukehren. Ein weiter Weg vielleicht - aber ein Weg!

Fürbitten

Als Christen sind wir sind berufen, ein Leben aus dem Glauben zu führen. Jesus, im Vertrauen auf das Wirken deines Geistes bitten wir dich:

Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

Für alle, die in deiner Kirche Verantwortung tragen:
Dein Geist leite sie und schenke ihnen Mut, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen.

Für die Kirche auf der ganzen Welt:
Dein Geist bewege sie, anderen Halt und Unterstützung auf ihren Glaubensweg zu geben.

Für alle, die vor kurzem die Sakramente der Taufe und Firmung empfangen haben:
Dein Geist begleite sie auf ihrem Glaubensweg
und lass ihre Liebe zu dir und deiner Kirche wachsen.

Für alle, die durch ihre Lebensgestaltung von dir Zeugnis ablegen.
Dein Geist stärke sie in ihrem Tun
und mache sie zu frohen Zeugen deiner Frohbotschaft.

Für alle, die einen neuen Aufbruch wagen:
Dein Geist ermutige sie, erste Schritte zu setzen,
und schenke ihnen Ausdauer.

Für uns persönlich:
Dein Geist lasse seine Früchte in uns reifen
und wandle uns nach deinem Bild.

Für alle, die uns im Glauben vorausgegangen sind:
Nimm sie in dein Reich auf
und gib, dass wir sie in dankbarer Erinnerung halten.

Jesus, im Heiligen Geist hast du uns einen Bestand verheißen,
der immer bei uns bleiben wird.
Dafür danken wir dir heute und alle Tage unseres Lebens.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de