Der Seele Salbung

Predigt zum Pfingstsonntag 2015

Einleitung

Wer kann sich schon etwas darunter vorstellen: unter dem Heiligen Geist? Das klingt so theoretisch. Nach Denken, nach Kopfarbeit. Einfach fleisch- und blutlos.
Aber in den Sprachen der Bibel, im Hebräischen und Griechischen, bedeutet das Wort für „Geist“ soviel wie „Atem, Hauch, Wind“. Biblisch verstanden kann man den „Heiligen Geist“ spüren: auf der Haut.


Predigt

Das war in der alten Welt ein bewegender Moment: Fanfaren blasen, Trommelwirbel, in Scharen haben sich die Menschen versammelt – und dann kommt er: der junge Thronanwärter, im Königsornat. Alles wartet auf den entscheidenden Augenblick: auf die Königssalbung. Aus einer kostbaren Schale wird ihm wohlriechendes Öl übers Haupt gegossen. Er trieft vor Salböl. Sein Haupt glänzt. Der Duft verbreitet sich über den ganzen Saal. Und alles jubelt dem neuen König zu.
Heute ist das anders. Salben, Gel, wohlduftende Öle sind in. Jeder kann sie sich leisten. Und wer etwas auf sich hält, verbringt am Morgen geraume Zeit damit, die Haut zu cremen, sein Haar zu stylen und den Duft für den Tag auszuwählen.
Vor einigen Jahren meinte der frühere Limburger Bischof Franz Kamphaus: „Wenn ich die Jugendlichen sehe, die zur Firmung kommen - was für ein Bild. Ganz anders heute, als vor zwanzig Jahren. Tipptopp gekleidet; an Salben, Cremes und Gels ist nicht gespart. Hat da die Chrisamsalbung noch eine Chance? Die jungen Leute sind doch schon nach allen Regeln des Trends an Haut und Haaren gesalbt.“
Ich denke: Doch! Denn bei der Chrisamsalbung in der Firmung geht es um etwas anders. Da werden bei der Salbung die Worte gesprochen: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den heiligen Geist.“
Da geht es nicht um den Duft, nicht um das rechte Styling. Es geht nicht darum, was auf die Haut kommt, sondern: ob etwas unter die Haut geht. Unser bekanntes Pfingstlied drückt es so aus: „Komm Schöpfer Geist …, du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Gut, der Seele Salbung, höchstes Gut“ (GL 351,2.)
Der heilige Geist: Salbung der Seele, etwas, was „unter die Haut geht“. Du spürst etwas von Gottes Geist, wenn dir etwas unter die Haut geht. „Das ist Balsam für meine Seele“, sagen wir. Das geht in die Tiefe, eben unter die Haut.
Sie erinnern sich sicher an solche Augenblicke in ihrem Leben, die ihnen „unter die Haut“ gingen.
Vielleicht bei der Geburt Ihres ersten Kindes, als die Hebamme Ihnen zum ersten Mal das Kind in die Arme gelegt hat und Sie nur staunen konnten: dieser drollige Mund, diese winzigen Finger, mein Fleisch und Blut.
Vielleicht, wenn beim Jahresschlussgottesdienst das Te deum angestimmt wird, die Glocken zu läuten beginnen, die Orgel brausend einsetzt und alle schmettern: „Großer Gott wir loben dich“.
Vielleicht, als Sie in einer ruhigen Minute im Urlaub mit ihrem Mann auf einer Bank saßen, ins weite Land schauten und er dann gesagt hat: Wie gut haben wir's doch. Und wie gut, dass ich dich habe – und er seine Hand auf die ihre gelegt hat.
Liebe Leser, der Heilige Geist ist nicht weit weg. Er ist Balsam für die Seele. Ich kann ihn spüren, wenn mir etwas unter die Haut geht.

Fürbitten

Herr, unser Gott, wir bitten dich heute: Lass Menschen deinen guten Geist spüren:

V: Berühre sie, o Gott! A: Berühre sie, o Gott!

alle, die gefühllos geworden sind
alle, die sich in sich selbst verkriechen
alle, die vom Leben nichts mehr erwarten
alle, die keinem Menschen mehr vertrauen können
alle, die links liegen gelassen werden
alle, die voller Groll sind
alle, die das Leben hart gemacht hat
alle, die Trost suchen
alle, die von Unruhe geplagt werden
alle, die in ihrem Leben die Richtung verloren haben

Text nach der Kommunion

Wind kannst du nicht sehen,
ihn spürt nur das Ohr
flüstern oder brausen wie ein mächtger Chor.

Geist kannst du nicht sehen;
doch hör, wie er spricht
tief im Herzen Worte voller Trost und Licht.

Wind kannst du nicht sehen,
aber, was er tut:
Felder wogen, Wellen wandern in der Flut.

Geist kannst du nicht sehen,
doch, wo er will sein,
weicht die Angst und strömt die Freude mächtig ein.

Hergesandt aus Welten,
die noch niemand sah,
kommt der Geist zu uns, und Gott ist selber da.

Markus Jenny (1983) 1991 nach dem schwedischen "Vinden ser vi inte" von Anders Frostenson 1958/73. In: EG 568.


Pfarrer Stefan Mai

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