Wirklich?

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Lk 24,35-48)

„Werkli?“ - das heißt für nicht fränkische Ohren „wirklich“ - wird oft zurückgefragt, wenn einer oder eine ein fast unglaubliches Erlebnis oder eine märchenhaft anmutende Geschichte erzählt.
„Werkli?“ Mit dieser Frage will man sich rückversichern, dass das Erzählte auch wirklich stimmt, wirklich passiert ist und einem kein Bär auf die Nase gebunden wird.

Wie oft stellen wir uns die Frage? Ist die Auferstehung wirklich passiert? Sind die Jünger dem Auferstandenen wirklich begegnet? Haben sie ihn wirklich hautnah gesehen? Wie gerne hätten wir Beweise dafür.

Diese Sehnsucht nach dem begreiflich Sichtbaren ist groß.
In dieser Woche erzählte mir eine Frau im Krankenhaus, dass sie in der Osternacht in Baunach war. Dort wird alle drei Jahre Ostern inszeniert. Alte Männer bauen mit Riesenaufwand die Kulisse des Grabes auf, in der der Leichnam Jesu liegt. Und dann in der Osternacht das Spektakel: Es donnert, Weihrauchschwaden steigen auf, gleißendes Licht - und der Auferstandene fährt zum Himmel. Sehnsucht nach Erfahrbarkeit der Auferstehung.

In einer Ministrantenausstellung war ein modernes Osterbild zu sehen. Der junge Cartoonist hatte die Auferstehungsszene in die heutige Zeit übertragen: Jesus steigt gerade im hellen Licht aus dem Grab. Und vor dem Grab stehen fünf Jünger und photographieren mit ihren Handys den Auferstandenen. Sehnsucht nach Wirklichkeit der Auferstehung.

Unsere Osterevangelien sind ein Zeugnis von dieser Sehnsucht nach Erfahrbarkeit und Wirklichkeit der Auferstehung und zugleich ein Zeugnis dafür, dass es der Osterglaube nicht leicht hat. Von Zweifel, Erschrecken, Angst, Bestürzung ist andauernd die Rede. Und selbst als Jesus vor ihren Augen isst, kann man es vor Freude immer noch nicht glauben.

Auffällig für mich ist an unserer Ostergeschichte: Jesus tritt in die Mitte der Apostel, als die beiden Emmausjünger, die ja auf dem Weg blind waren - und in dem Moment, in dem sie Jesus erkannten, er ihnen schon wieder entschwunden war - von ihrer Erfahrung erzählen.

Heißt das nicht: Dieser Jesus steht immer neu dort auf, wo Menschen ihre Erfahrung mit dem Glauben an den Auferstandenen in ihrem Leben miteinander teilen? Miteinander teilen, wo ihnen durch den Glauben neuer Lebensmut zugewachsen ist. Miteinander teilen, wo sie im Glauben eine neue Sicht der Dinge gewonnen haben. Miteinander teilen, wodurch neues Licht ins Leben kam.

Dies wollen sich die orthodoxen Christen in der Osterzeit einander bewusst machen. Wenn sie sich in der Osterzeit treffen, dann grüßen sie sich mit dem Gruß: „Der Herr ist auferstanden!“ Als Antwort wiederholt man diesen Gruß und verstärkt ihn noch durch die Hinzufügung des Wortes „wirklich“: „Er ist wirklich auferstanden.“
Ich glaube, die orthodoxen Christen machen durch diese gegenseitige Erinnerung an die Auferstehung Jesu eines deutlich: An den Osterglauben müssen wir uns immer wieder gegenseitig erinnern und ihn immer wieder weitersagen. „Der Herr ist auferstanden!“ - „Er ist wirklich auferstanden.“ Und das geschieht dort, wo der Glaube in der Wirklichkeit des Lebens Wirkung zeigt.


Pfarrer Stefan Mai

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