„Geiz ist geil“ - oder „Geiz bringt um“?

Predigt zum Weißen Montag 2015

„Geiz ist geil“ – dieser Werbeslogan ist einer der bekanntesten der letzten zehn Jahre gewesen. Er wäre es nicht geworden und hätte sich nicht so lange gehalten, wenn diese Gier, alles möglichst billig zu bekommen nicht in uns Menschen drin stecken würde.
Vor ein paar Tagen brachte das Radio ein Gedicht über den Geiz, das ganz anders denkt. Es ist schon über 200 Jahre alt. Johann Aloys Blumayer, ein Dichter, der bissige Gedichte schrieb, gab ihm den Titel „Geizhals“. Es lautet:

Ein Geizhals fiel in einen Fluß, der tief
Und reißend war. Ein Fischer, der das Leben
Ihm retten wollte, sprang hinein und rief:
Er möchte nur die Hand ihm geben;
Allein der Geizhals sprach, indem er untersank:
Ich kann nichts geben, und ertrank.


Merkt Ihr, der Geiz bringt diesen Menschen ums Leben, da dieser gar nicht merkt, dass ihm einer helfen will und er glaubt, die entgegengestreckte Hand will etwas von ihm. Da ersäuft er lieber. Der Geiz hat ihn ums Leben gebracht.

Zur gleichen Zeit haben die Gebrüder Grimm Märchen gesammelt. Unter diesen Märchen ist eines, das von einem Mädchen erzählt, das offene Hände hat. Ich glaube, Ihr kennt es:

Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Zimmer mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bett mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nicht mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stück Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiger Mensch geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf Gott hinaus.
Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig." Das Mädchen reichte ihm das ganze Stück Brot und sagte: "Gott segne dir's", und ging weiter.
Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann." Da nahm das Mädchen seine Mütze ab und gab sie ihm.
Und als das Mädchen noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte keinen Pullover an und fror: da gab es ihm seinen; und noch weiter, da bat ein Kind um einen Rock, den gab es auch von sich hin.
Endlich gelangte das Mädchen in einen Wald; und es war schon dunkel geworden: da kam noch ein Kind und bat um ein Hemd, und das Mädchen dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.
Und wie das Mädchen so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter silberne harte Taler: und ob das Mädchen gleich sein Hemd weggegeben hatte, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.


Wer denkt „Geiz ist geil“, muss da sagen: Schön blöd!
Wer offene Hände hat und sie aufmacht, wird aus seiner Lebenserfahrung sagen: Wer gibt, der empfängt auch im Leben. So wie dieses Märchen und Jesus es behaupten.


Pfarrer Stefan Mai

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