Sing, bet und geh...

Predigt zum 4. Fastensonntag 2015 (Laetare – 330. Geburtstag von Johann Sebastian Bach)

Einleitung

Mitten in der Fastenzeit, einer Zeit mit herben Liedern und sperrigen Texten, die von Umkehr und Buße sprechen am heutigen 4. Fastensonntag der Aufruf „Laetare!“- „freue dich!“, der dem 4. Fastensonntag seinen Namen gab. Mitten in der Fastenzeit, wo die Passion Jesu immer mehr in den Mittelpunkt rückt und in den Kreuzwegen betrachtet wird, dieser Introitusvers des Messbuchs: „Freue dich Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart!“ Was soll das? Freude lässt sich doch nicht einfach befehlen und schon gar nicht in Zeiten der Krise oder der Trauer.

Und doch meine ich, steckt hinter diesem Sonntag „Laetare“ eine große Lebensweisheit, der ich mit Ihnen heute mit einem großen Musiker, dessen 330. Geburtstag auf den 21. März fällt, ein wenig auf die Spur kommen möchte.

Predigt

1695 lauscht ein Junge von neun Jahren in der Kirche den Ostergesängen „Christ ist erstanden!“ „Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit.“
Der kleine Junge hört es und kann es nicht fassen. Denn was da in sein Ohr dringt, das spürt und fühlt er nicht. Fremd ist ihm dieser Jubel, diese Freude.
In seinem Innern ist es dunkel, trostlos und leer. Seit kurzem lebt er in einer fremden Stadt, untergekommen bei seinem großen Bruder, ein verwaistes Kind an einem Ort, irgendwo im Wald. Ohrdruf mit Namen.
Im Februar erst war der Vater verstorben und im Jahr zuvor seine Mutter, im wunderschönen Monat Mai. Nein! In seinem Herzen ist nicht Ostern. Es ist Karfreitag in seiner Welt und will kein Ostern werden.
So steht er da vor seinem großen Bruder Johann Christoph, in dieser österlichen Zeit in Ohrdruf, mit all seinen Fragen im Herzen, auf die keiner eine Antwort gibt. Die Eltern kommen nicht wieder.
Die klugen Reden, die Osterpredigten dieser Welt – sie wissen so viel und sie trösten so wenig.
Sein Bruder macht ihn indes zum Chorknaben in Ohrdruf. Fortan singt er mit, was er nicht sagen kann: Christ ist erstanden. Wir wollen alle fröhlich sein.
Ungläubig gläubig, mal mit Tränen im Hals, mal mit Freude und Trotz.
Und die Lieder, sie heilen Wunden. Sie nehmen ihn mit. Ziehen ihn mit ihren Melodien himmelwärts. Manchmal hat er dabei das Gefühl: Das was eigentlich viel zu schwer zu tragen ist, kann er tragen, meint, das Schwere wird leichter. Die Lieder stellen keine Fragen und geben keine altklugen Antworten: Sie sagen einfach: Es ist. Es ist alles gut!
Mit unverschämter Zuversicht nehmen sie trotzig vorweg, wovon andere noch träumen.
Er lernt, dem Schmerz mit Liedern zu begegnen. Mit Osterliedern gegen den Tod zu protestieren.
Und die Schar der Sänger, rechts und links neben ihm, sie werden ihm zu Helfershelfern im Hoffen und Wagen.
Er stimmt ein in die Lieder. Wieder und wieder. Er schlüpft in sie hinein wie in ein Gewand, das andere ihm gewebt haben, das noch zu groß ist. Aber er spürt dieses Gewand aus Liedern und Melodien wärmt. Wie gut tut es ihm.
Aus diesem kleinen Jungen ist ein weltbekannter Musiker geworden: Johann Sebastian Bach, dessen Geburtstag sich am 21. März zum 330. Mal jährt. Ein Mann, der die leisen und lauten Töne des Herzens kennt.

Aus diesem kleinen Buben ist ein Mensch geworden, der anderen Leuten Lieder schenkt, in denen sie wandeln können, die sie selbst anziehen können.......
Zu meinen Lieblingsliedern gehört eines, dem er die Noten gegeben hat

Orgel spielt leise die Melodie von Gl 424
Text wird hineingesprochen


„Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach. Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.
Sing, bet´ und geh auf Gottes Wegen, verricht´ das deine nur getreu und trau des Himmels reichen Segen, so wird er bei dir werden neu. denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“

Solche Lieder sind Nachtherbergen für die Wunden, die das Leben schlägt. Sie nehmen einen einfach mit und lassen wieder neues Vertrauen schöpfen, lassen einen schon Licht sehen, wo es noch dunkel ist.
Die Kantaten und Lieder von Johann Sebastian Bach rufen mir zu: „Laetare!“, freue dich, auch wenn es dir noch nicht danach zumute ist. Sie laden mich ein zu singen, auch wenn noch manchmal der Ton im Hals stecken bleibt. Johann Sebastian rät zum Singen, weil er selbst die heilende Kraft der Musik im Leben gespürt hat. Diese Erfahrung möchte er weitergeben.
Abertausende von Menschen haben eine ähnliche Erfahrung gemacht, so z.B auch Konrad Adenauer:
Eines Tages kam ein Freund zu ihm, dessen Frau gestorben war. Er war untröstlich und erzählte ihm, dass er über den Tod seiner Frau nicht hinwegkommen kann und bat ihn um einen Rat. Und Konrad Adenauer soll zu ihm gesagt haben: „Geh zu den Mönchen nach Maria Laach und lerne dort wieder das Singen. Erst wenn du wieder singen kannst, findest du wieder ins Leben zurück.!“

Die Anregung zur Predigt verdanke ich Dr. Kristin Jahn

Fürbitten

Wir beten zu Gott, der durch den Propheten Jesaja die Stadt Jerusalem und uns alle einlädt: „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart!“.

Damit unser Leben Zuversicht und Freude ausstrahlt: Schenke uns deine Freude, Gott.

Damit trotz unserer Sorgen und Ängste die Freude am Leben nicht verlieren: Schenke uns deine Freude, Gott.

Damit wir, wenn wir uns selbst das Leben schwer machen, deine frohmachende Botschaft hören: Schenke uns deine Freude, Gott.

Damit wir in unserem Lied- und Gebetsschatz, den Generationen vor uns für uns angelegt haben, Erbauung und Trost finden: Schenke uns deine Freude, Gott.

Damit unsere Verstorbenen bei dir erfahren dürfen, worauf sie gehofft haben: Schenke ihnen deine Freude, Gott.

Gott, du lässt uns entdecken, was uns Freude gibt und uns zum Leben hilft. Dafür danken wir dir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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