Jesus und Franziskus räumen in heiligen Hallen auf

Predigt zum 3. Fastensonntag 2015


Einleitung

Unter einer Herkulesaufgabe verstehen wir eine Aufgabe, die kaum zu bewältigen ist. Dieses Bildwort „Herkulesaufgabe“ kommt aus der griechischen Sagenwelt. Der Götterbote Herkules hatte 12 Aufgaben zu bewältigen, die kaum zu bewältigen waren. Dazu gehörte das Ausmisten des Stalles von König Augias.
Die Ställe des Königs Augias, in denen 3000 Rinder standen, waren der griechischen Sage nach schon seit 30 Jahren nicht mehr gereinigt worden und das Ausmisten der Ställe galt deshalb als nicht durchführbar. Herkules wurde diese immense Arbeit nicht nur einfach aufgetragen, sondern auch zur Bedingung gemacht, dass er damit binnen eines Tages fertig sein musste. Unmöglich! Doch Herkules hatte eine Idee: Er öffnete an einer Stelle den Stall und leitete den nahegelegenen Fluss in den Stall, der den Mist hinausschwemmte.
Das wissen wir: Mit „Mist“ im übertragenem Sinn fertig zu werden, ist keine leichte Aufgabe. Und da begegnet uns Jesus im heutigen Evangelium, wie er im Tempel kräftig „ausmistet“.

Predigt

Jesus räumt einmal kräftig auf. Er geigt nicht nur den Männern, die im Tempelbetrieb das Sagen haben die Meinung. Nein, er lässt sogar die Peitsche knallen und wird handgreiflich. Da fliegen die Fetzen. Entsetzte und erstarrte Gesichter in den heiligen Hallen.
Entsetzte Gesichter in den heiligen Hallen des Vatikans. Papst Franziskus hält in seiner Weihnachtsansprache anstatt einer erwarteten frommen Rede dem Führungsgremium einen Spiegel vor Augen. Anstatt Dank triefender Worte hat er seinen Kardinälen und seinem obersten Führungsstab den Kopf gewaschen und bei ihnen 15 Krankheiten diagnostiziert.
Die erste Krankheit: Die Kurie für unsterblich, immun oder unersetzbar zu halten. „Eine Kurie, die sich selbst nicht kritisiert, die sich nicht erneuert, die nicht besser werden will, ist ein kranker Körper. Ein Besuch auf dem Friedhof kann uns helfen, die Namen all der Personen zu sehen, die glaubten, unsterblich, immun und unersetzbar zu sein.“ Diese Krankheit komme aus einem Narzissmus, der das eigene Gesicht, aber nicht das Gottes sehe und auch nicht das der Bedürftigen.
„Dann ist da eine weitere Krankheit: der Marta-lismus [nach der biblischen Figur der Marta], die obsessive Arbeitswut. (…) Die notwendige Ruhe vernachlässigen führt zu Stress und Aufregung,“ so der Papst weiter.
„Außerdem gibt es die Krankheit der geistlichen oder geistigen Versteinerung, das heißt, wie die zu sein, die ein Herz aus Stein haben und halsstarrig sind. Das sind die, die unterwegs die innere Seelenruhe verlieren, die Lebendigkeit und den Wagemut, und die sich unter Papier verstecken und ‚Arbeitsmaschinen’ werden, nicht ‚Menschen Gottes’. Es ist gefährlich, das menschliche Mitgefühl zu verlieren, das man braucht, um mit den Weinenden zu weinen und sich mit denen zu freuen, die froh sind!“
Zu den weiteren geistlichen „Krankheiten“ zählte der Papst: Funktionalismus und Planungswut, oder die Vereinzelung in der Arbeit. Immer wieder griff der Papst dabei auch in die Kiste der farbigen Metaphern.
„Da ist auch die Krankheit des geistlichen Alzheimer, also des Vergessens der Heilsgeschichte, der persönlichen Geschichte mit dem Herrn, der „ersten Liebe“. Dabei handelt es sich um ein fortschreitendes Absenken der geistlichen Fähigkeiten, die früher oder später zu einer schweren Behinderung des Menschen führen und ihn unfähig werden lassen, autonom zu handeln, und ihn so in einem Zustand völliger Abhängigkeit von den von ihm selbst geschaffenen Selbstbildern leben lassen.“
Viel Aufmerksamkeit bekamen auch die „Krankheiten“ der Eitelkeit: Titel und Auszeichnung zu suchen, das Einschleimen beim Chef - und die Chefs, die sich schmeicheln lassen.
„Dann gibt es die Krankheit der existenziellen Schizophrenie: die Krankheit derer, die ein Doppelleben führen, Ergebnis einer Heuchelei des Mittelmaßes und der fortschreitenden geistlichen Leere, die akademische Titel oder Abschlüsse nicht beruhigen können. Diese Krankheit betrifft vor allem diejenigen, welche die Pastoral aufgegeben haben und sich auf Verwaltung beschränken und so den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren haben, mit konkreten Menschen. So schaffen sie sich eine Parallelwelt.“
Überhaupt wog in den Worten des Papstes das Manko der fehlenden Pastoral schwer. Deutlich auch noch einmal die Aussagen zum „Geschwätz“, dem Herabsetzen des anderen. Man „töte kaltblütig den Ruf des Nächsten“, so der Papst, um selber besser dazustehen.
Das übermäßige Ansammeln von Gütern, die Härte und der Rigorismus gegenüber dem Nächsten, die in sich abgeschlossenen Kreise, die wie ein Krebsgeschwür seien: Der Papst ging immer wieder und aus immer anderen Perspektiven auf das ein, was die Leitung der Weltkirche behindere, ihr schade und den Zusammenhalt in der Kurie schädige.
„Da ist die Krankheit des Beerdigungsgesichtes: Das bedeutet Menschen, die mürrisch und finster drein blicken, die meinen, um ernsthaft sein zu können, ihr Gesicht mit Melancholie und Strenge anmalen zu müssen, und die die anderen, vor allem die Schwächeren, mit sturer Strenge, Härte und Arroganz behandeln. In Wirklichkeit ist diese theatralische Strenge ein steriler Pessimismus und ein Zeichen für Angst und Unsicherheit.“
Dagegen helfe vor allem eines: der Humor, und damit die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Ihm selber helfe da das Gebet des heiligen Thomas Morus, das er täglich bete: „Gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile“.
Sehr viel Schaden richte auch die Krankheit des weltlichen Profits an, wenn Dienst in Macht verwandelt werde. Das betreffe Menschen, die ihre Macht unbedingt vermehren wollten und alles dafür täten, auch andere diffamierten und diskreditierten, vor allem in den Medien, oft sogar in Namen von Transparenz und Gerechtigkeit.
Liebe Leser,
Jesus räumt auf, Papst Franziskus räumt auf. Denen da oben haben sie es einmal richtig gegeben. Viele von uns freuen sich darüber spitzbübisch. Hauptsache, die anderen sind dran, die anderen sind gemeint. Hauptsache die werden einmal so richtig gezöbelt - und wir sind aus der Schusslinie.
Doch im Schlusswort meint Franziskus:
„Diese Krankheiten und Versuchungen sind natürlich eine Gefahr für jeden Christen und jede Verwaltung, Gemeinschaft, Orden, Pfarrei und kirchliche Bewegung und können sowohl beim Einzelnen als auch in der Gemeinschaft vorkommen.“

Und er fragt somit einem jeden von uns: Mit welcher der 15 Krankheiten bin auch ich besonders infiziert?
Halte auch ich mich für unersetzlich?
Hat mich die Arbeits- und Planungswut so im Griff, dass ich daneben nichts mehr sehe?
Gibt es auch bei mir Anzeichen für eine geistliche und geistige Versteinerung oder gar schon einen geistlichen Alzheimer?
Wie stets mit der Krankheit der Schleimerei oder des dauernden Geschwätzes über andere, mit dem persönlichen Egoismus, der Härte gegen andere und unserem christlichen Beerdigungsgesicht?
Vielleicht müssen wir da gar nicht bis Rom deuten, sondern vor der eigenen Tür kehren?

Fürbitten

Gott, die Fastenzeit möchte für uns eine Zeit der Besinnung und Erneuerung sein. Hilf uns, dass wir uns immer wieder neu an der Botschaft Jesu ausrichten. Wir bitten dich:

Erneuere unser Denken, damit wir bewusster und verantwortungsvoller mit unseren Talenten und Aufgaben umgehen, die du uns auf unserem Lebensweg mitgegeben und vor die du uns gestellt hast

Erneuere unser Fühlen, damit wir sensibler und empfindsamer werden für die Anliegen der Menschen, denen wir begegnen

Erneuere unser Handeln, damit wir engagierter und bereitwilliger dort eingreifen, wo unsere Hilfe gefordert ist

Erneuere unsern Glauben, damit wir vertrauensvoller und freudiger den Weg gehen, den Jesus uns in seinen Worten und Taten gewiesen hat

Erneuere unsere Hoffnung auf das ewige Leben, das wir für unsere Toten erhoffen. In diesem Gottesdienst nennen wir stellvertretend für alle die Namen von....

Gott, du willst uns erneuern, aber wir bleiben so gerne die Alten. Ruf uns zum Aufbruch durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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