Die Weisheit eines Tagesgebetes

Predigt zum Aschermittwoch 2015

Einleitung
„Jetzt geht’s wieder aus en annern Fassla“ - diesen Ausdruck haben wir als Kinder immer gehört, wenn die Ferien vorbei waren und die Schulzeit begann. Damit war gemeint: So jetzt ist die schöne Zeit rum und es geht mit einem größeren Lebensernst weiter.

„Jetzt geht’s wieder aus en annern Fassla“ - das könnten wir auch heute am Aschermittwoch sagen. Die Faschingstage sind rum und eine ganz anders geprägte Zeit beginnt: Die Fastenzeit.

Aber hat nicht jedes „Fassla“ auch seinen besonderen Reiz?


Predigt
Wenn wir mit dem Ruf „Lasset uns beten“ im Gottesdienst aufgefordert werden, wissen wir, was kommt: Das Tagesgebet. Bevor der Priester das Gebet spricht, so die Erklärung im Messbuch, „soll in einer kurzen gemeinsamen Stille sich jeder auf die Gegenwart Gottes besinnen und sein eigenes Gebet im Herzen formen.“ Der Sinn des Tagesgebetes ist eigentlich: Es sammelt die Gebete der Mitfeiernden und bündelt sie in minimalistischer Einprägsamkeit auf ein Thema hin.

Das Tagesgebet zum Aschermittwoch lautet:

Getreuer Gott,
im Vertrauen auf dich beginnen wir
die vierzig Tage der Umkehr und Buße.
Gib uns die Kraft zu christlicher Zucht,
damit wir dem Bösen absagen
und mit Entschiedenheit das Gute tun.

Dieses Gebet gibt ein Programm für die Fastenzeit an, das ich mit Ihnen heute einmal bedenken will.
Mich macht es sofort nachdenklich. Es beginnt mit den Worten: Getreuer Gott, im Vertrauen auf dich beginnen wir die vierzig Tage der Umkehr und Buße.
D.h. wir beginnen nicht mit tausend guten Vorsätzen, wir beginnen die Fastenzeit nicht mit einem religiösen Trainingslager oder großem Entschlackungskurs. Das erste woran wir erinnert werden ist das Vertrauen auf Gott. Das Wort „Fasten“ kommt im germanischen von der Sprachwurzel her von sich „fest machen“. Die Aufforderung in den Flugzeugen in englischer Sprache „Fasten your seat belts“, „bitte Sicherheitsgürtel festmachen“ erinnert noch an diese ursprüngliche Bedeutung. Das Aschermittwochgebet erinnert somit als erstes: Vergiss nicht, dein Leben im Vertrauen auf Gott festzumachen.


Nach dieser Erinnerung fährt es weiter mit der Bitte an Gott.
Gib uns die Kraft zu christlicher Zucht.
Wer spricht heute schon noch gern von Zucht. Das klingt altmodisch, wenn nicht sogar anrüchig. Die Zeiten, in der in der Schule mit Stock und Backenschellen für „Zucht und Ordnung“ gesorgt wurden, sind nicht mehr herbeizuwünschen. Zucht, das hat den unguten Geschmack von Zwang und wenig mit der „Freiheit der Kinder Gottes“ zu tun.
Aber auch hier ist es gut, auf die eigentliche Sprachwurzel zu schauen: Das Wort Zucht kommt von der Wortwurzel „ziehen“. Die ursprüngliche Bedeutung ist positiv. Richtig verstanden heißt das: Sich von jemanden oder etwas ziehen, anziehen lassen. Somit bedeutet unsere Gebetsbitte von der christlichen Zucht nicht Askese und Selbstkasteiung, sondern stellt zu Beginn der Fastenzeit die Frage: Was zieht dich in deinem Leben? Wovon lässt du dich ziehen und leiten? Was motiviert dich? Üben die Worte Jesu, sein Lebensbeispiel auf dich eine Faszination aus, wonach du dein Leben ausrichten möchtest?

Diese Ausrichtung auf die Worte und das Lebensbeispiel Jesu sollen helfen – wie es der Schluss des Tagesgebetes ausdrückt -
damit wir dem Bösen absagen
und mit Entschiedenheit das Gute tun.
Christsein ist eben nicht nur Abkehr vom Bösen, sondern Hinkehr zum Guten. Dieses Gute ist keine abstrakte Sache, sondern es muss im Leben konkret werden. Darin hat Erich Kästner mit seinem bekannten Spruch „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ Recht. Und das mit Entschiedenheit, nicht halbherzig.

Drei gute Ratschläge für die Fastenzeit – meine ich – die im Aschermittwoch-Tagesgebet versteckt sind:
Vergiss nicht, dein Leben an Gott festzumachen!
Lass dich von den Worten und dem Lebensbeispiel Jesu ziehen!
Tu mit Entschiedenheit das Gute!

Fürbitten
Herr, unser Gott, zu Beginn der 40 Tage bitten wir dich:

Lass uns immer wieder neu begreifen, welch wertvolles Geschenk das Vertrauen in dich und das Grundvertrauen ins Leben ist

Lass uns dankbar sein für Menschen, denen wir vertrauen können und die uns Vertrauen schenken

Lass uns offene Ohren haben für die Worte aus der hl. Schrift und daraus immer wieder neue Impulse und Motivation empfangen

Lass uns nicht nur über das Böse in der Welt klagen, sondern auch bewusst unseren Beitrag für ein gutes Zusammenleben unter den Menschen leisten

Schenke uns ein mehr an innerer Gelassenheit, damit wir auf Wesentliches im Leben blicken können

Lass unsere Toten bei dir erleben, woran sie geglaubt und worauf sie gehofft haben.


Pfarrer Stefan Mai

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