Licht über dem Dunkel

Predigt zum Lichtmesstag (Segnung des Sorge- und Glücksbaums)

Wir Menschen sehnen uns nach Freude und Glück, wir möchten unsere Lebensstraßen mit leicht beschwingtem Schritt gehen dürfen. Wir sehnen uns danach, im Leben Schönes zu erleben. Wir hoffen, dass uns das Leben leicht von der Hand geht und wir von Schwerem und Leidvollen verschont bleiben.

Und doch wissen wir: Zu jedem Menschenleben gehören auch Angst und Sorgen, Trauer und Leid, Einsamkeit und Schmerz, Ohnmacht und Verzweiflung. Ein Paradies auf Erden oder ein immer blühender Rosengarten ist niemanden von uns versprochen. Das Dunkle und Schwere ist wie ein Zwillingsbruder der hellen und schönen Seiten des Lebens.

In unseren Kirchen beeindruckt mich es immer, dass gerade vor einer schmerzhaften Mutter Gottes, vor Bildern des Leids und des Schmerzes, so viele kleine Kerzen brennen, die Menschen hier anzünden. Eine Landschaft flackender, zuckender Flammen als Sinnbild für Menschen, die ringen und leiden, die hoffen und bangen, die Trost und neue Kraft finden möchten für ihren oft nicht leichten Alltag.

Vor uns steht heute eine eigenartige Skulptur. Sie wird zukünftig im Raum der Stille unseres neuen Kindergartens einen besonderen Platz haben. Zwei senkrecht stehende Holzblöcke, der eine in heller Farbe, der andere in dunkler Farbe. Sie sind direkt miteinander verzahnt. Das ist ein Bild dafür: Zum Leben gehört beides, Glück und Schmerz, Freude und Leid. Der dunkle und der helle Holzblock haben Bohrungen. In diese Bohrungen werden Kinder aus unserem Kindergarten Bilder aus ihrem Leben hineinstecken. Wenn sie Schönes und Freudiges erlebt haben, sind sie eingeladen, dazu ein Bild zu malen, in den Raum der Stille zu gehen und dieses in die Bohrungen des hellen Blocks zu stecken - und dabei Gott für das Schöne zu danken. Drücken sie Sorgen oder haben sie Kummer, können sie sich das Schwere von der Seele malen, mit diesem Bild in den Raum der Stille gehen und es in den dunklen Block stecken und im Gebet ihre Sorgen vor Gott ausbreiten.
Als ich Kinder aus meiner 3. Klasse fragte, wofür würdet ihr Gott gerne eine Danke sagen und in den hellen Holzblock stecken und welche Sorge würdet ihr gern los werden und in dem dunklen Block verschwinden lassen, waren sie eifrig bei der Sache. Hören wir einige Antworten und bestücken damit zum ersten Mal unseren hellen Block:

Lieber Gott. Ich danke dir, dass ich nach meiner schrecklichen Erkältung wieder gesund bin.

Lieber Gott, ich danke dir, dass es Felder gibt, wo Getreide wächst, mit dem man Brot machen kann.

Lieber Gott, ich danke dir für meinen tollen Winterurlaub mit meiner Familie. Es war toll. Denn ich habe die beste Familie.

Lieber Gott. Ich möchte dir heute sagen, dass du mein schönstes Erlebnis zum besten Tag meines Lebens gemacht hast. Nämlich wie ich in die Schule gekommen bin. Danke

Ich bin glücklich, wenn ich sehe, dass sich andere freuen.

Ich bin froh, dass ich zwei Hasen habe, die so knuffig und süß sind. Am liebsten könnte ich sie küssen.


In die schwarzen Löcher stecken wir die Sorgen der Kinder:

Ich habe Angst, wenn es gewittert - und Papa arbeitet draußen. Ich bitte dann, dass ihm nichts passiert.

Meine Sorge ist, wenn ich abends ins Bett gehe, dass ich einen Albtraum träume und um Hilfe schreie.

Für mich ist es schwer, wenn ich allein bin und keiner mit mir spielen will. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe und mich jemand auslacht.

Meine Sorge ist, wenn jemand aus der Familie schwer krank wird

Meine Oma ist im Altenheim gestorben. Das macht mich traurig


Wir haben dieser Skulptur einen Namen gegeben: Sorge- und Glücksbaum. Und ganz bewusst erhebt sich der helle Glücksblock über den dunklen Sorgeblock wie ein Hoffnungszeichen, dass die Freude am Leben sich stärker erweisen möge als alles, was uns im Leben niederdrückt. Dass sich ein zuversichtlicher Blick über allen Lebensschmerz darüberlegt.

Wir segnen diesen Sorge- und Glücksbaum heute im Lichtmessgottesdienst. Im Lichtmessevangelium stehen uns zwei alte Menschen vor Augen, deren Leben langsam zu Ende geht, die sich aber trotz allem Schweren, trotz allem Leid, das sie in einem langen Leben verkraften mussten, einen hoffnungsvollen Blick bewahrt haben und für die das kleine Kind Jesus im Alter zum Lichtblick ihres Lebens wird. Der alte Simeon bringt es in die Worte: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor den Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Und wenn wir unserem alten Brauch gemäß am Ende des Gottesdienstes uns die gekreuzten Blasiuskerzen vor Augen halten lassen und auf die brennenden Flammen schauen, dann drückt dies unsere große Sehnsucht aus: Über dem Dunkel der Kreuze des Lebens mögen wir stets kraft unseres Glaubens ein Licht sehen, in der Dunkelheit des Lebens möge uns der hoffnungsvolle Blick nie verloren gehen.


Kommunionmeditation

Eine alte indische Geschichte vom Sorgenbaum:

Es stand einmal in einem Dorf ein uralter, starker Baum.
Eines Tages wurden alle Dorfbewohner eingeladen, ihre Sorgen, Probleme und Nöte gut verpackt an diesen Baum zu hängen.
Die Bedingung allerdings war, dafür ein anderes Paket mitzunehmen.
Zu Hause wurden die fremden Pakete geöffnet und es machte sich Bestürzung breit, denn die Sorgen und Probleme der anderen schienen deutlich größer als die eigenen!
Und so liefen alle wieder zurück zum alten Baum, nahmen statt der fremden schnell wieder die eigenen Pakete an sich und gingen zufrieden nach Hause.


Pfarrer Stefan Mai

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