Mit dem Kopf durch die Wand?

Predigt zum Dreikönigstag 2015 (Mt 2,1-12)

Einleitung
Drei Zitate zur Einstimmung auf den heutigen Dreikönigstag:
„Gott erfüllt nicht all unser Wünsche, aber all seine Verheißungen“ (Dietrich Bonhoeffer)

„Die göttliche Vorsehung hat es so geordnet, dass einem jeden geschenkt wird, nach seiner Art und Weise zu dem Ziele zu gelangen, das in seinem Wesen angelegt ist.“ (Thomas von Aquin).

Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt“ (Jüdischer Spruch).

Predigt
Der kürzeste Weg ist oftmals der mit dem Kopf durch die Wand. Und viele Menschen gehen ihn.
Aber sie machen damit die Erfahrung, dass dieser Weg sehr schmerzhaft ist. Sie holen sich Beulen oder schlagen sich dabei gar den Schädel ein.
Aber leider ist es so: Man versteift man sich gern auf diesen einen Weg, den ich so deutlich vor mir sehe und den ich partout für den einzigen Weg ohne Alternative halte. Und dann bricht eine Welt zusammen, wenn sich dieser Weg am Ende doch nicht als gangbar erweist.
Oft ist der kürzeste Weg nicht der beste.
Ich denke: Jeder von uns kennt das. Mit dem Kopf durch die Wand wollen.
Meine Kinder müssen studieren. Die sollen ihr Geld einmal nicht mit Handarbeit verdienen müssen. Die sollen einmal nicht jeden Tag früh um 5 Uhr raus und sich dann den ganzen Tag von anderen diktieren lassen. Egal, wie viel die Nachhilfestunden kosten. Egal, wie viel sie sich dagegen wehren. Ich weiß es besser. Nur wer was lernt, ist später oben auf. Hauptsach‘ das Abitur in der Tasche. – Aber am Ende geht alles schief. Und es bleibt der Vorwurf der Kinder: „Ihr habt mich doch bloß für eure Karrierepläne benutzt!“
Oder: Diese Stelle ist die richtige für mich. Diese und keine andere! Es gibt keine Alternative. Er rechnet aus, wann sie frei wird. Er macht Kratzfüße bei den Vorgesetzten und stellt sich ins beste Licht. Und dann bekommt die Stelle ein anderer. Und die Stelle, die man ihm schon länger angeboten hat, hat er einfach ausgeschlagen. Zurück bleibt Enttäuschung und Wut.
Liebe Leser,
die Dreikönigsgeschichte zeigt uns einen anderen Weg. Sie erzählt von Menschen, die sich etwas in den Kopf gesetzt haben, alles dafür aufgeben und auf diese eine Karte setzen – sich dann aber eines Besseren belehren lassen.
Der Stern führt sie nach Jerusalem. In Jerusalem, der Königsstadt, muss der neue König zu finden sein. Hier im Palast – und nirgends anders. Aber dann die große Enttäuschung: Hier ist er nicht. Und dann wollen sie nicht mit dem Kopf durch die Wand. Sondern: Sie lassen sich eines Besseren belehren und hören auf den Ratschlag: Geht nach Bethlehem.
Und siehe da: Dort finden sie, was sie gesucht haben. Aber ganz anders, als sie sich das vorgestellt haben: Es ist kein König in einem Palast mit vielen Dienern und großem Gefolge. Es ist kein berühmter Mann, der große Weisheiten von sich gibt. Nein, es ist ein kleines hilfloses Kind mit einfachen Eltern. Und sie verehren es – wie einen König.
Und sogar ein zweites Mal lassen sie sich abbringen von dem, was sie sich in den Kopf gesetzt und vorgenommen haben. Sie gehen nicht zurück nach Jerusalem. Sie spüren: Da stimmt etwas nicht. Und sie träumen in der Nacht von einem anderen Weg. Und es heißt: Sie zogen auf einem anderen Weg heim in ihr Land.
Liebe Leser,
was sagt mir diese alte Geschichte? Höchst selten gibt es nur einen einzigen Weg. Höchst selten ist der einzige Weg von Anfang bis zum Schluss planbar. Es ist viel wichtiger, auf die Zeichen zu achten, auf die Ratschläge zu hören, auf die innere Stimme zu horchen.
Es mag sein: Der kürzeste Weg ist der mit dem Kopf durch die Wand. Aber der ist nicht immer der beste. Meistens bieten sich Alternativwege an. Freilich, man muss sie entdecken.

Fürbitten
„… und sie zogen auf einem anderen Weg heim in ihr Land“, erzählt die Dreikönigsgeschichte. Gott, höre du unsere Bitten:
- Alle, die Neues ausprobieren
Führe und begleite sie!
- Alle, die sich verrannt haben
- Alle, die mit Scheuklappen durch die Welt gehen
- Alle, die nur noch schwarz sehen
- Alle, die eine Durststrecke im Leben durchmachen
- Alle, die dich im Leben suchen
- Alle, die den Weg zum andern suchen
- Alle, die ihre Ideale verloren haben
- Alle, die sich nach einem Partner sehnen
- Alle, die den schweren Weg des Sterbens durchmachen müssen


Pfarrer Stefan Mai

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