Am Anfang stand ein Wort
Predigt zum ersten Weihnachtsfeiertag 2014 (Joh 1,1-18)
Einleitung „Im Anfang war das Wort“, Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen. Ich muss es anders übersetzen.“ So lässt Goethe seinen Faust sinnieren, als er den Anfang des Johannesevangeliums übersetzen will. Heute möchte ich diesen Satz einmal ganz ernst nehmen: „Im Anfang war das Wort.“
Predigt Am Anfang stand ein Wort: „Du kannst‘ mich mal!“ So ging es los. Ein Wort gab das andere. Und am Ende knallte die Tür. Am Anfang stand ein Wort: „Du bist an allem schuld!“ Und die Schuld wurde hin- und hergeschoben. Bis man sich nichts mehr zu sagen hatte und sich nur noch anschwieg. Am Anfang stand ein Wort: „Mit dir muss man sich ja schämen!“ Und das Kind verinnerlichte dieses Wort. Und traute sich nichts mehr zu. Worte sind nicht nur Luftblasen. Worte sind nicht nur in den Wind gesprochen. Worte zeigen Wirkung. Worte haben Folgen. Worte können Beziehungen kaputt machen. Worte können Leben verpfuschen. Aber Worte können auch eine ganz andere Wirkung haben. Worte können aufbauen. Worte können ermutigen. Worte können Dinge ins Rollen bringen, an die man nie geglaubt hat. Seit Wochen haben sie miteinander nicht mehr gesprochen und sich nur schief angeschaut. Und dann, in der Mittagspause, geht der eine auf seinen Arbeitskollegen zu, gibt ihm einen Stups und meint: „Du, sollten wir nicht endlich wieder miteinander reden?“ Worte können auch einen neuen Anfang setzen. „Heute muss ich dich aber einmal loben!“, sagt die Lehrerin zu ihrem Problemschüler. Und Lukas will seinen Ohren nicht zu trauen. Ausgerechnet er, der Hanskasper der Klasse, macht einmal etwas richtig?
Aber die Lehrerin meint es ernst und klopft ihm auf die Schulter. Seit diesem Tag ist Lukas wie umgedreht. Worte können verwandeln. „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen“, diesen Satz liest er in einem Buch, und er geht ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und immer, wenn er Schweres durchzumachen hat, denkt er sich: Auch das gehört zum Leben. Worte können durchhalten lassen. Liebe Leser, „Im Anfang war das Wort“, so heißt es heute im Evangelium. Was ein einziges Wort manchmal bewirken kann! Wie viel Leid nimmt seinen Anfang oft mit einem einzigen Wort! Würde man darüber nachdenken: Manches Wort würde niemals gesprochen. Und wie viel Segen kann ein einziges Wort ins Leben bringen! Würde man darüber nachdenken: Manchmal würde man ein Wort aussprechen, das man sich nur still denkt.
Fürbitten Herr, unser Gott, du hast uns die Sprache geschenkt. Täglich bestimmen Worte unser Leben. Wir bitten dich: - Wenn wir mit Worten taktieren; wenn unsere Worte andere verletzen; wenn wir nicht mehr sagen, was wir denken Herr, erbarme dich! - Wenn wir keine Worte mehr finden; wenn wir vor dem Leid verstummen; wenn wir mundtot gemacht werden … - Wenn wir zu viele Worte machen; wenn wir andern das Wort abschneiden; wenn wir nicht mehr zuhören können … - Wenn unsere Worte zu schwach sind, um andere zu trösten, zu ermutigen und aufzurütteln …
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