„O Freunde, nicht diese Töne! - Freude! Freude!

Predigt zum Gaudete-Sonntag (3. Advent)

Einleitung
Freude – so habe ich in einem schönen Wort gelesen - kann gleich drei Mal beglücken:
als Erwartung
als Erlebnis
als Erinnerung
Aber eines wird dabei vorausgesetzt: Ich muss sie auch empfinden.

Predigt
- Ode an die Freude von Ludwig van Beethoven einspielen -

Wer kennt sie nicht, diese Melodie. Sie ist die Hymne der EU, bei der Wiedervereinigung Deutschlands wurde sie gespielt. Wen reißt sie nicht mit diese Aufforderung zur Freude aus dem Schlusssatz der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Der fast taube Komponist greift hier in die vollen Register. Zur Überraschung der damaligen Zuhörer, die ganz auf ein Instrumentalstück eingestellt waren, vertont Beethoven Schillers „Ode an die Freude“ und lässt Chor und Solisten diese Ode aus vollem Hals singen.

Beethoven weiß aus seinem Leben, dass einem oft nicht zur Freude zumute ist, dass man Freude nicht machen kann, dass das Leben oft mehr Leid als Freud ist. Und trotzdem fordert er genauso wie der heutige 3. Adventssonntag zur Freude auf. Den Bass lässt er eingangs singen:

„O Freunde, nicht diese Töne!
Sondern lasst uns angenehmere
anstimmen und freudenvollere.
Freude! Freude!“

Hört endlich einmal auf mit der Jammerei und denkt darüber nach, was im Leben ein Grund zur Freude ist. Und ich glaube, mit diesen Worten hält er sich selbst eine Predigt.
Aber wie sieht sie aus, die Freude, im tristen Alltag? Ansätze einer Antwort liefern Schiller und Beethoven selbst:

„Freude, schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium.“

So besingt der Chor die Freude. Diese Freude ist so grandios, dass sie zunächst mit nichts auf der Welt vergleichbar ist. Die Freude hat ihren Ursprung in Elysium, auf der Insel der Seligen, d.h. im göttlichen Bereich. Sie ist ein Geschenk des Himmels. Sie fällt mir zu.
Wer von uns wurde nicht schon einmal von einem tiefen Gefühl der Freude ergriffen und in Gedanken in eine andere Welt entführt, eben in eine Insel der Seligen, wo ich für kurze Zeit abschalten und neue Kraft auftanken kann. Und ich weiß gar nicht, wo diese Freude herkommt.

Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

„Mode“ ist ein altes Wort für Zeit. Freude verzaubert einen und führt Leute zusammen, die sich mit der Zeit aus den Augen verloren haben,die sonst kaum miteinander reden.
Durch die Freude werden Differenzen zwischen den Menschen aufgehoben. Freude vermag viele Unterschiede und Gegensätze auszugleichen. Wir brauchen dabei nur Bilder von der Fußball-Weltmeisterschaft zu denken.

Freuen soll sich „Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein.“

Grund zur Freude ist: einen Freund oder eine Freundin zu haben. Jemanden, der für einen da ist, egal wie es um mich bestellt ist. Dem ich alles anvertrauen kann, der mich versteht und der vor allem zu mir steht. Das ist ein wirklicher Grund zur Freude.

„Wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein.“

Einen Partner gefunden zu haben, der mit einem durchs Leben geht. Das ist ebenfalls Freude. Der andere wird mit den Jahren zu einem Teil von mir. Ich gebe und ich empfange. Man wächst zusammen, auch wenn kleine Restgeheimnisse bleiben, was auch gut so ist!
„Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur;
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur
Küsse gab sie uns und Reben“
Freuen dürfen wir uns über alles, was Gott uns durch seine Schöpfung schenkt. Dazu gehören die Reben und der Wein – wer von uns wollte das hier im Fränkischen bestreiten? Weiter gehört dazu auch die Zärtlichkeit, die Menschen einander im Leben schenken.

Wer solches erlebt, den fordern Schiller und Beethoven auf:
Mische seinen Jubel ein! Der soll mitjubeln und mitsingen

Und wer's nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund.

Wenn man allerdings nichts Positives sehen will und alles nur schwarz im Leben sieht, dann raten sie, soll man sich aus dem Staub machen, dann hat man im Jubelchor nichts verloren.
Wer nicht mehr genießt, wird mit der Zeit ungenießbar.

Liebe Leser,
zugegeben: die Ode an die Freude gibt irdische Ratschläge für die Freude. Aber von einem bin ich fest überzeugt: Wer sich an diesen weltlichen Dingen, die die Ode an die Freude besingt, nicht freuen kann, der kann auch ein anderes nicht, wovon der Prophet Jesaja schreibt: „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott.“

- nochmals kurz einspielen: Ode an die Freude -


Pfarrer Stefan Mai

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