Ein raffinierter Erzähler

Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis (Mt 25,14-30)

Einleitung
Unser Leben und unser Glaube ist ein Geschenk, zugleich aber auch eine große Herausforderung. Unser Leben und unser Glaube sind uns als Gabe und zugleich als große Aufgabe anvertraut. Die Worte des Evangeliums sind Zuspruch, zugleich aber auch ein großer Anspruch. Ich denke, dies wird uns heute im Evangelium wieder einmal besonders deutlich.

Predigt
Der Evangelist Matthäus ist ein raffinierter Erzähler. In drei Gleichnissen weckt er beim Hörer oder Leser ein ungeheures Mitgefühl mit Menschen, die am Ende schlecht abschneiden. Ja, er baut förmlich Sympathie für diese Menschen auf, dass man fast nur Mitleid mit ihnen haben kann.
Eine solche Figur ist der arme Kerl im Hochzeitsgleichnis. Der König lädt groß zur Hochzeit ein. Doch alle eingeladenen Gäste geben dem König einen Korb. Er lädt daraufhin Hinz und Kunz ein und ist froh, dass endlich sein Saal voll wird. Und dann die unverständliche Szene. Der König geht durch die Reihen der Gäste hindurch und fischt sich so einen armen Sack heraus. Er spricht ihn auf seine Kleidung an. Zu den Einlassbedingungen hat es nicht gehört, das Festgewand. Und jetzt ist es plötzlich ein Grund, den armen Schlucker bloßzustellen und ihn vor die Tür zu setzen. Bei mir hinterlässt das Gleichnis einen bitteren Geschmack. Der arme Kerl kann einem doch nur leid tun. Erst eingeladen, dann wieder hinausgeschmissen (Mt 22,1-14).

Nicht anders geht es einem mit den fünf törichten Jungfrauen. Sie hatten doch guten Willen. Wollten dem Bräutigam einen prächtigen Empfang bereiten. Das kann doch jedem einmal passieren, dass man in der Aufregung etwas vergisst! Sie wollten das mit dem vergessenen Öl ja auch noch zurechtbiegen. Überzogen, ja direkt unmenschlich kommt uns die Reaktion des Bräutigams dann vor, als die fünf endlich – diesmal mit Öl in ihren Lampen - an die Tür klopfen: Haut ab, ich will nichts von euch wissen (Mt 25,1-13)!
Da kann man doch nur mit dem Kopf schütteln. So kann man doch nicht mit Menschen umgehen!

Und genauso geht es uns heute mit dem Mann mit dem einen Talent. Eigentlich war er von vorneherein im Leben schon beschissen dran. Die beiden anderen konnten mit zehn und fünf Talenten beginnen, er steht mit einem da – und mit wenig Selbstvertrauen. Kein Wunder, dass er so handelt. Die Sympathie, das Mitleid unserseits gehört gerade dem, den dann der Herr im hohen Bogen in die Finsternis hinauswirft. (Mt 25, 14-30)
Eine große Erzählkunst: Da wird beim Hörer oder Leser eine ungeheure Empathie und Sympathie für die armen Würstlein aufgebaut. Umso größer ist dann der Schock. Gerade die, für die doch eigentlich mein Herz schlägt, bekommen ihr Fett ab. Wo bleibt da die frohe Botschaft? Wo soll da einer das gute Herz Jesu noch spüren? Was soll da die Lehre sein?

Liebe Leser,
der Evangelist Matthäus hat seine Gemeinde vor Augen. Mit diesen drei Gleichnissen will er eines klarstellen:
Eingeladen ist jeder. Da wird nicht unterschieden nach Rang und Namen. Nach Intelligenz und Leistungsstärke. Nach Aussehen und Erscheinungsbild. Dem Mann ohne Hochzeitsgewand wird die Tür in die Gemeinde geöffnet. Die fünf Törichten haben eine Fackel in der Hand – und dürfen sich am Hochzeitszug beteiligen. Keiner wird vorher kontrolliert, ob die Vorbereitung perfekt war. Es wird Vertrauen geschenkt. Von dem Mann mit dem einen Talent wird nicht erwartet, dass er zehn für das Reich Gottes dazu erwirtschaftet, sondern nur erwartet, gemäß seiner begrenzten Fähigkeit zu handeln.
Der Evangelist will uns aber auch schocken, um mit diesen scheinbar ungerecht behandelten Figuren eines deutlich zu machen: Wer die Einladung in unsere Gemeinde wahrnimmt, der ist auch dafür mitverantwortlich, welches Gesicht unsere Gemeinde zeigt.
Wer zur Gemeinde gehört, der soll mit seinem Öl, seiner Lebensenergie in ihr etwas zum Leuchten bringen und sich nicht nur auf andere verlassen und sich bedienen lassen.
Wer – und sei es auch nur ein Talent – ins Leben mitbekommen hat, der soll es einbringen. Er soll voller Mut, mit Phantasie und ohne Furcht das wagen, was Gott ihm offensichtlich zutraut und auch zumutet.

Ich denke, wir merken: Der Evangelist Matthäus gibt auch unseren heutigen christlichen Gemeinden einen Stupser. Mit den drei Erzählfiguren der Gleichnisse will er keine andere Botschaft an den Mann und an die Frau bringen, als es Papst Franziskus am 13. April 2013 bei seiner Frühmesse im vatikanischen Gästehaus Santa Marta in einer bilderreichen Predigt getan hat.
In dieser Messe hat Papst Franziskus vor einer „Babysitter-Kirche“ gewarnt, in der die Gläubigen passiv bleiben, sich bedienen lassen und auf eine Betreuung warten. Er betonte vielmehr: Jeder Getaufte müsse Christus mit Worten und Taten bezeugen. Nur so werde die Kirche wirklich zur „Mutterkirche“ und die Gläubigen zu ihren Söhnen und Töchtern. Er hob hervor: Jeder Getaufte besitzt die erforderlichen Voraussetzungen dafür, seinen Beitrag für ein glaubwürdiges Gesicht der Kirche in unserer Zeit zu leisten.

Orginalton Franziskus:
Manchmal denken wir: Ich habe die Taufe empfangen, ich bin gefirmt worden, ich habe die Erstkommunion empfangen ... der Personalausweis ist in Ordnung. Und jetzt: schlafe ruhig! …..... Wenn wir das tun, wird die Kirche keine Mutter, sondern eine Babysitter-Kirche, die sich um das Kind kümmert, um es einschlafen zu lassen. Es ist dies eine eingenickte Kirche. Denken wir an unsere Taufe, an die Verantwortung unserer Taufe!“


Pfarrer Stefan Mai

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