Verantwortung lässt sich nicht abschieben

Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis

Einleitung
„Wir zahlen! Ihr spielt!“
Mit diesem Slogan hat einmal ein Bekannter von mir süffisant die Denke unserer Zeit umschrieben. Ich will unterhalten werden, zahle auch dafür einen Preis. Will mich aber selbst dann zurücklehnen können und alles soll gut funktionieren.
Gegen eine solche Denke erhebt das Gleichnis, das wir heute als Evangelium hören, Einspruch.

Predigt
Eine chinesische Parabel erzählt: Die Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass viele Menschen mitfeiern sollten. Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie.
Es sollte ein großes Fest werden, mit vielen Gästen; denn warum sollte unsere Freude nicht ansteckend sein? – fragten sie sich. Es herrschte unter den Menschen ohnehin mehr Leid als Freude.
Also baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass stehen, in das sie ihren Wein gießen könnten; und so sollte jeder die Gabe des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein.
Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass es nur Wasser war. Versteinert saßen oder standen sie da, als ihnen bewusst wurde, dass eben jeder gedacht hatte: Die eine Flasche die ich hineingieße, wird niemand merken oder schmecken. Nun aber wussten sie , dass jeder so gedacht hatte. Jeder hatte von ihnen gedacht: Heute will ich mal auf Kosten anderer feiern. Unruhe, Unsicherheit und Scham erfasste sie alle; nicht nur, weil es lediglich Wasser zu trinken gab. Und als um Mitternacht das Flötenspiel verstummte, gingen sie alle schweigend nach Hause, und jeder wusste: Das Fest hatte nicht stattgefunden.


Zu allen Zeiten, in allen Kulturkreisen war und ist dies eine große menschliche Versuchung: Dabeisein wollen, mitmachen, etwas Schönes erleben – aber ohne allzu großen persönlichen Einsatz. Irgendwie die Einstellung, ich nehme so im Vorbeigehen einfach etwas mit, ohne dass ich mich groß anstrengen muss. Ich komme auf meine Kosten, ohne dass es mich etwas kostet. Ich bin dabei, aber jemand anders wird´s schon richten.

Davon erzählt auch das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Sie wollen dabeisein beim großen Augenblick, wenn der Bräutigam von seinem Elternhaus zum Haus der Braut kommt. Sie wollen dabeisein, bei diesem Highlight, wenn die Tür zum Hochzeitssaal geöffnet wird, sie mit dem Bräutigam einziehen und das große Fest beginnt. Sie wollen mitfeiern.
Aber – so das Gleichnis – die einen hatten sich nicht gut genug darauf vorbereitet, hatten nur ihre Lampen mitgenommen, aber nicht ans Öl gedacht. Unter Lampen muss man sich Gefäßfackeln vorstellen, Gefäße an Stäben, in denen mit Öl getränkte Lumpen brennen.
Fünf der Brautjungfern fällt es erst zu spät ein: Wir haben kein Öl dabei und können unsere Fackeln gar nicht anzünden. Die anderen fünf sollen jetzt mit ihrem Öl in die Bresche springen. Aber so die Antwort: „Dann reicht das Öl weder für uns noch für euch!“ Während der Hochzeitszug sich schon in Bewegung setzt, laufen sie erst los, um Öl zu kaufen. Am Ende stehen sie dann vor verschlossener Tür.
Liebe Leser,
komisch ist unsere Reaktion auf dieses Gleichnis. Plötzlich regt sich unser „Helferherz“ und unsere Sympathie gehört eher den armen Vergesslichen und wir sind innerlich empört über die fünf „Egoistinnen“, die nichts hergeben und meinen: Vielleicht hätt´s doch noch gelangt!
Unser Gleichnis macht jedoch eindeutig klar: Jeder trägt Verantwortung dafür, dass es in dieser Welt ein Stück heller wird. Um diese Verantwortung kann sich niemand drücken! Diese Verantwortung kann niemand abschieben, andere dafür in die Bresche springen lassen oder sich einfach davon loskaufen.
Mit diesem Gleichnis spielt der Evangelist auf einen Spitzensatz der Bergpredigt an, wo Jesus sagt: „Ihr seid das Licht der Welt...So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen macht klar: Was unsere Welt heller macht, das ist die eigene Lebensenergie, die ich für andere Menschen einsetze. Das sind meine guten Werke, die ich weder von anderen ersetzen lassen kann, noch schnell bei Bedarf mit Geld kaufen kann.

Fürbitten
Herr, unser Gott, du hast einem jeden von uns Mittel und Fähigkeiten gegeben, die er für eine bessere Welt einsetzen soll. Wir bitten dich:

1) Für alle Regierenden und Politiker: dass sie nicht eigene Interessen über das Wohl ihrer Völker stellen
2) Für die Verantwortlichen in Industrie und Wirtschaft: dass sie nicht aus reiner Profitgier ihre Zukunftspläne schmieden
3) Für alle christlichen Gemeinden: dass sie nicht im Kreisen um sich selbst vergessen, deine Botschaft in unsere Gesellschaft zu tragen
4) Für uns selbst: dass wir im Glauben nicht ermüden, sondern uns von deinem Evangelium neu herausfordern lassen.
5) Für unsere Verstorbenen. Dass sie teilhaben dürfen am himmlischen Hochzeitsmahl


Pfarrer Stefan Mai

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