Münzen prägen

Predigt zu Mt 22,15-21

Einleitung
Landschaften prägen: Ein Bergbauer aus einem steilen Gebirgstal läuft, spricht und verhält sich anders als der Herr eines Gutshofs im Münsteraner Flachland.
Elternhäuser prägen: Das hört man an der Sprache und das sieht man an den Gesten.
Landschaften und Elternhäuser prägen uns – und oft merken wir es gar nicht, bis andere uns darauf aufmerksam machen.
Genauso ist es mit vielen anderen Dingen, die uns prägen, ohne dass es uns bewusst ist – und vielleicht sogar, ohne dass wir es wollen.
Im heutigen Evangelium dürfen wir erleben, wie Jesus diesen Punkt aufdeckt.

Predigt
Münzen prägen. Bis heute habe ich ein kleines Kästchen mit ehemaligen DM-Münzen. Sie erinnern mich an meine Kinder- und Jugendzeit, an mein erstes selbstverdientes Geld. Und in der Zeit unmittelbar nach der Umstellung der Währung auf EUR habe ich wie viele die Preise umgerechnet – in die vertraute DM-Währung. Münzen prägen – und sie zeigen, in welchem System man denkt.
Das war noch viel ausgeprägter in der Alten Welt. Da gab die jeweils herrschende Macht vor, in welchem Geldsystem gedacht werden musste. Denn der Herrscher allein hatte das Münzrecht – zumindest für die großen Münzen, nach denen umgerechnet wurde. Und Münzen waren zugleich das größte Propaganda-Mittel: In einer Zeit ohne Internet und Fernsehen war auf den Münzen das Entscheidende zu sehen: Die Köpfe der Herrscher und ihre Programmworte. Bei jedem Kauf sollte man vor Augen haben: Das ist der Herrscher deines Landes. Von ihm kommen die Devisen. Ihm verdankst du dein geregeltes Leben.
Wenn Jesus im heutigen Evangelium zu den Pharisäern sagt: Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt!, dann reagiert er sehr klug. Denn die Pharisäer wollten Jesus in eine Fangfrage verwickeln. Sie locken ihn mit Komplimenten, damit er etwas sagt, was sich gegen ihn verwenden lässt: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen?“

Antwortet Jesus darauf mit Nein - dann ist er ein Revolutionär und es kann ihm an den Kragen gehen. Antwortet er dagegen mit Ja, dann knickt der scheinbar so Geradlinige, der in seinen Entscheidungen auf niemand Rücksicht nimmt, am Ende doch ein.
Jesus fällt auf diesen Trick nicht herein. Er gibt überhaupt keine Antwort. Er lässt die Pharisäer die Münze aus ihrer Tasche holen, mit der sie ihre Steuern bezahlen.
Mir scheint, Jesus will zeigen: In Diskussionen kann ich viel behaupten, kann ich meine Meinung gut ins rechte Licht setzen und verteidigen. Aber was mich im Innersten prägt, das muss nicht unbedingt in Worten zum Ausdruck kommen. Was mich prägt, das ist das, was ich mit mir herumtrage. Was ich griffbereit anderen zeigen kann.
Und Jesus hat sich nicht getäuscht. Prompt bekommt er einen Denar gereicht. Er schaut ihn gar nicht an. Er hält die Münze seinen Gesprächspartnern unter die Nase und fragt sie süffisant: Wessen Bild und Aufschrift ist darauf zu sehen? Und sie müssen kleinlaut beigeben: Die die Kaisers.
Mit dieser Antwort konfrontiert Jesus seine Fragesteller mit sich selbst: Das ist es, was ihr mit euch herumtragt. Das ist es, worauf ihr täglich schaut: der Kopf des Kaisers Tiberius, der sich auf der Münze „Sohn des Gottes Augustus“ nennt und „erster Priester des Reiches“ (pontifex maximus). Das ist es, was euch täglich vor Augen steht und was ihr immer griffbereit bei euch tragt.
Jesus hat keine römischen Münzen in der Tasche. Er lebt von der Hand in den Mund. Deswegen braucht er mit den Pharisäern auch nicht zu diskutieren.
Wer den Kaiser ständig mit sich herumträgt, wer das römische System im Kopf hat, der soll dem Kaiser auch geben und schön nach Rom abführen, was von dort kommt und womit er sich selbst infiziert hat: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört!
Die Reaktion Jesu gibt mir zu denken. Sie fragt mich: Was ist es, was dich eigentlich prägt? Ganz unabhängig davon, was du in kleinen oder großen Reden von dir behauptest. Was ist es, was du immer mit dir herumträgst? In der Tasche, im Kopf? Welche Bilder haben sich dir eingeprägt? Welche Gedanken sind es, die dich ständig begleiten?

Liebe Leser,
im Würzburger Exerzitienhaus Himmelspforten hängt im Foyer ein ganz besonderes Kreuz. Es zeigt keinen Korpus, sondern das Negativmodell eines Korpus, eine Model sozusagen. Ich glaube: In einer Zeit, wo so vieles auf uns eindringt, wo wir von allen Seiten umworben und beeinflusst werden, will diese Kreuz-Model ein Richtungsweiser sein und sagen: Pass auf, wovon du dich prägen lässt. Lass nicht alles auf dich einströmen. Lass dich prägen von seinen Worten, von seinen Gedanken, von seinen Ideen. Trag seine Worte, seine Gedanken, seine Ideen mit dir herum!

Fürbitten
Als Fürbittgebet sprechen wir die folgenden Gebetsrufe nach:
(Lektor/in):
Wort Christi, präge mich!
Alle: Wort Christi …
Geduld Christi, trage mich!
Kraft Christi, stärke mich!
Hände Christi, ergreifet mich!
Freude Christi, erlöse mich!
Atem Christi, belebe mich!
Geist Christi, erfülle mich!
Liebe Christi, durchströme mich!


(nach M. Gutl, Texte, Meditationen, Gebete, Graz 1985, 181)



Pfarrer Stefan Mai

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