Die 7 Werke der Barmherzigkeit

Sternwallfahrt zur Franziskusstatue am 3. Oktober 2014

Lied: Ihr Freunde Gottes, Str. 1+2

Bereits zum 6. Mal machen wir uns heute aus den verschiedenen Richtungen unserer Pfarreiengemeinschaft auf den Weg zur Franziskusstatue in den Weinbergen von Wiebelsberg. Wir wollen dabei als Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus am Steigerwald immer über wichtige Punkte franziskanischer Spiritualität nachdenken.
Wir wissen: Für Franz von Assisi war nicht eine fromme Erscheinung oder ein besonderes religiöses Erlebnis der entscheidende Wendepunkt in seinem Leben, sondern die Begegnung mit einem Aussätzigen. Auf dem Weg von Assisi nach Portiuncula steht an einer Kreuzung die Casa Gualdi. Dies war im 13. Jahrhundert ein Haus für Aussätzige. Wurde bei einem Menschen der Aussatz festgestellt, dann wurde er nach einer Art Totenliturgie in der Kirche aus der Stadtgemeinschaft ausgeschlossen und musste von da in einer Aussätzigensiedlung außerhalb der Stadt leben. Er durfte den Ort nicht verlassen und mit keinem Menschen Kontakt aufnehmen.

Franziskus – so berichtet die Dreifährtenlegende – begegnete eines Tages, als er in die Nähe von Assisi einherritt, einem Aussätzigen. Und während er es sonst gewohnt war, vor Aussätzigen große Abscheu zu haben, tat er sich jetzt Gewalt an, stieg vom Pferd, reichte dem Aussätzigen ein Geldstück und küsste ihm die Hand. Und nachdem er von ihm den Friedenskuss empfangen hatte, stieg er wieder aufs Pferd und setzte seinen Weg fort.

Lied: Ihr Freunde Gottes, Str.3

Ein Werk der Barmherzigkeit war der entscheidende Anstoß für das Umdenken des verwöhnten und reichen Kaufmannsöhnleins Franz von Assisi. Und so wollen wir heute bei dieser Wallfahrt einmal die Werke der Barmherzigkeit in den Mittelpunkt unserer Betrachtung stellen und über ihre Bedeutung für uns und unsere heutige Zeit nachdenken.
Die Werke der Barmherzigkeit, sie gehörten einmal zum Grundwissen eines Christen. Würden Sie – ohne nachzuschlagen – die 7 Werke der leiblichen Barmherzigkeit noch zusammenbringen?

- kurze Stille-

Die sieben Werke der Barmherzigkeit lauten:

Hungernde speisen
Dürstende tränken
Fremde beherbergen
Nackte bekleiden
Kranke besuchen
Gefangene befreien
Tote bestatten


Diese Werke der Barmherzigkeit sind mehreren Missverständnissen ausgesetzt. In einer Zeit der sozialen Sicherungen und unzähligen Versicherungen. In einer Zeit, in der es bei uns für die vielgefächerte Not sachliche und fachkundige Hilfe von Spezialisten gibt, erhebt sich die Frage: Sind diese Werke nicht überholt? Zudem stehen sie im Verdacht, nur punktuell und nicht strukturell Not zu lindern. Nicht effektiv und umfassend die Nöte anzugehen, oft noch in einer herablassenden Almosenmanier, was wir beim Ausdruck „aus Gnade und Barmherzigkeit“ mithören.

Andererseits spüren wir heute immer mehr Unbehagen an einem perfektionierten, bürokratisierten und unpersönlichen Umgang mit Menschen in Not. Wir spüren, welche Verarmung es für unsere christlichen Gemeinden darstellt, wenn diakonische Dienste immer mehr in die Sonderdienste von Caritas und Diakonie verlagert werden und wie schwer es ist, sie wieder im Gemeindeleben als unverzichtbaren christlichen Grundauftrag anzubinden.
Das ursprüngliche Wort Barmherzig hat wenig mit blankem Mitgefühl zu tun. Es leitet sich von arm-herzig ab, d.h. ein Herz für die Armen zeigen. Und das Wort „Erbarmen“ leitet sich von „abarmen“ ab, d.h. jemanden aus der Not herausreißen.


Die Werke der Barmherzigkeit gehören zu den biblischen Kriterien der Menschlichkeit. Es macht hellhörig: Allein sie – und nicht Gebet und Gottesdienstbesuch - sind einmal die Kriterien, nach der wir Menschen einmal von unserem Schöpfer gefragt werden.

Diese Überzeugung vertritt Jesus in seinem berühmten Weltgerichtsgleichnis:

Hören wir sein Gleichnis vom Weltgericht:

Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden von ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.
Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Erde für euch bestimmt ist.
Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben;
ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben;
ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen;
ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht;
ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
Dann wird er sich an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!
Denn ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben;
ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben;
ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich nicht aufgenommen;
ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben;
ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?
Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.
Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.


Lied: Ihr Freunde Gottes, 4+5

Die Werke der Barmherzigkeit werden der Maßstab sein, nach dem unser Leben einmal bewertet werden wird. Und da werden manche Große sehr klein aussehen, und manche Kleine, etwa jene, die sich ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe einsetzen, die Kranke besuchen, in Suppenküchen arbeiten oder alte Eltern pflegen – groß dastehen.

Barmherzigkeit hat in den verschiedenen Zeiten aber immer auch eine unterschiedliche Ausprägung gehabt. Ohne Zweifel bleiben die 7 klassischen Werke der Barmherzigkeit: Hungernde speisen, Dürstende tränken , Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Gefangene befreien, Tote bestatten zeitlos in Geltung. Doch die Gestalt der Barmherzigkeit wandelt sich. Wie könnte Barmherzigkeit heute aussehen, in einer Gesellschaft, in der soziale Absicherung und Fürsorge weithin vom Staat garantiert werden?
Diese Frage hat sich vor ein paar Jahren der inzwischen emeritierte Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, gestellt und daraus 7 Werke der Barmherzigkeit für unsere Zeit formuliert. Diese sollen uns heute begleiten. Wir wollen über diese neu formulierten Werke der Barmherzigkeit nachdenken, ein Wort der Schrift dazu hören. Wir wollen uns aber auch Beispiele aus unseren Pfarrgemeinden vor Augen führen und ins Beten kommen.

1. Werk der Barmherzigkeit: Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu.

Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen, die psychisch Kranken, die Ausländer usw. Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet: "Du bist kein Außenseiter!" "Du gehörst zu uns!" – z. B. auch zu unserer Pfarrgemeinde – das ist ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit.

Mobbing, das heißt ausgrenzen. In Deutschland schätzt man die momentane Zahl der Mobbingbetroffenen auf über 1 Mio Erwerbstätige.
Auch in Schulen ist das Phänomen weit verbreitet. Hartz IV- Empfänger, Ausländer und Asylsuchende, kranke, behinderte und alte Menschen sehen sich oft aufs Abstellgleis geschoben.

Gerade für Außenseiter, für Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, hatte Jesus ein gutes Auge. Davon erzählen viele Geschichten im Neuen Testament. Direkt programmatisch ist die Erzählung vom Mann mit der verdorrten Hand. Der Evangelist Markus erzählt:

Als Jesus ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte!

Du gehörst dazu. Ein Beispiel aus unserem Gemeindeleben.

Im Herbst letzten Jahres wurden wir mit der Not einer asylsuchenden Frau mit ihren drei Kindern aus Tschtschenien konfrontiert. Ihr drohte die Abschiebung nach Polen, dem Land, von wo sie nach Deutschland eingereist war. Sie sollte dorthin wieder abgeschoben werden.

Wir haben uns in unseren pfarrlichen Gremien – ohne damit groß in die Öffentlichkeit zu gehen - entschlossen, der Frau mit ihren Kindern, Kirchenasyl zu gewähren, um die Abschiebung zu verhindern und die Zeit bis Ende Februar zu überbrücken, bis die asylsuchende Familie unter deutschem Asylrecht steht.
Die alten Schwestern aus Lülsfeld erklärten sich bereit, die Familie auf dem Areal des Klosters Maria Schnee in der ehemaligen Pfarrerswohnung eine gute Unterkunft zu gewähren. In Gerolzhofen bildete sich seitens der katholischen Pfarrgemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde ein Unterstützerkreis, der sich dazu verpflichtete, die Familie finanziell zu unterstützen, Kontakt zu ihr zu halten, die Kinder sprachlich und musisch zu fördern, ihr einfach zu vermitteln: Ihr gehört dazu.
Während der Zeit, in der die Familie das Klostergelände nicht verlassen durfte, wurden die Lülsfelder Schwestern wichtige Bezugspersonen für die Kinder. Auf unbürokratischem Weg wurde der Kleinsten ein Kindergartenplatz bei uns gewährt und die beiden älteren Buben konnten in die Schule gehen.
Inzwischen ist das deutsche Asylrecht für die Familie wirksam. Seit vier Wochen wohnt sie nun mit zwei anderen tschetschenischen Familien, denen ebenso Kirchenasyl in St. Ludwig und in Dingolshausen gewährt worden war, in einer Asylunterkunft in Dingolshausen. Und wir hoffen, dass Ihnen Bleiberecht in Deutschland zugesprochen wird.

Fürbitten

Gott, wir danken dir, dass wir in einem Land des Wohlstands und in Frieden und Freiheit leben dürfen. Einem Land, das viele Möglichkeiten im Umgang mit Menschen in Not hat. Wir bitten dich:
Lass uns nicht hinwegsehen, wenn wir fremder Not begegnen und nicht schweigen, wo wir glauben, dass Menschen ungerecht behandelt werden
Schenke allen Menschen, die sich für Asylsuchende und Menschen am Rand der Gesellschaft einsetzen, Kraft und Zähigkeit
Wir bitten dich für alle, die auf der Flucht sind vor Verfolgung und Not. Sei ihnen nahe, bewahre sie und gib ihnen einen Ort der Hoffnung und Zuflucht.
Wir bitten dich für uns alle, die wir für Flüchtlinge Verantwortung tragen, die du uns als unsere Nächsten anbefohlen hast: Schenke uns den Mut, ihnen aus unserem Glauben heraus mit Wort und Tat zu begegnen.

Wir beten für unsere Regierung, dass sie die Grenzen öffnen für Fremde, die Hilfe und einen sicheren Ort brauchen, um ihr Leben neu aufbauen zu können.
Wir beten für alle, die über Asylanträge täglich entscheiden zu haben und für die es oft schwer ist, Menschen in Not gerecht zu werden

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn

Lied: Wohl denen, die da wandeln, Str. 1

2. Werk der Barmherzigkeit: Ich höre dir zu.

Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: "Hab doch einmal etwas Zeit für mich!"; "Ich bin so allein!"; "Niemand hört mir zu!" Die Hektik des modernen Lebens, die Ökonomisierung von Pflege und Sozialleistungen zwingt zu möglichst schnellem und effektivem Handeln. Es fehlt oft – gegen den Willen der Hilfeleistenden – die Zeit, einem anderen einfach einmal zuzuhören. Zeit haben, zuhören können – ein Werk der Barmherzigkeit, paradoxerweise gerade im Zeitalter technisch perfekter, hochmoderner Kommunikation so dringlich wie nie zuvor!

Wann sehen Deutsche rot für ihre Partnerschaft? Eine Umfrage ergab, dass 3 von 4 sagen: Wenn der andere nie zuhört. Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Ist der Partner nicht ganz Ohr, glauben 85%, dass er kein Interesse an dem hat, was man sagt
Wie wichtig Zuhören sein kann, davon erzählt auch die biblische Geschichte von den beiden Schwestern Maria und Martha:

Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Martha, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.
Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not.
Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.
Ein Beispiel für dieses Werk der Barmherzigkeit ist die Nachbarschaftshilfe Gerolzhofen:

Frauen und Männer nehmen sich die Zeit, ältere und kranke Menschen zuhause zu besuchen. Sie sind behilflich bei Behördengängen, übernehmen gelegentliche Besorgungen, gehen mit alten Menschen spazieren. Die Frauen und Männer, die sich in der Nachbarschaftshilfe engagieren brauchen vor allem eines: Die Gabe des Zuhörenkönnes, ein offenes Ohr dafür haben, was Menschen bewegt, was ihnen Sorgen und Freude macht, was sie wirklich brauchen. Für so manchen Menschen ist es Medizin, wenn sie reden können und da ist eine/einer, der zuhört.

Gebet

Gott, du hast uns mit der Gabe des Gehörs ausgestattet und uns gleich zwei Ohren bei nur einem Mund gegeben. Wir rufen zu dir:

Ruf: Bitten wir dich

Um Ohren, die zuhören können
Um Ohren, die die feinen Untertöne wahrnehmen können
Um Ohren, die auch Kritik wahrnehmen und vertragen
Um Ohren, die sich gegenüber der leisen Stimme der Not nicht verschließen
Um Ohren, die imstande sind, Deine Stimme in allem Lauten dieser Welt zu vernehmen
Um Ohren, die das Unbequeme nicht überhören,
Um Ohren, die sich manchem Lärm und Geschwätz zu verschließen
Um Ohren, die sich über gute Nachrichten freuen
Um Ohren, die sich für das Weltgeschehen interessieren
Um Ohren, die sich an den Klängen der Musik und den Stimmen der Vögel freuen können
Um Ohren, die Dank entgegennehmen können


Lied: Wohl denen, die da.., Str. 2

3. Werk der Barmherzigkeit: Ich rede gut über dich.

Jeder hat das schon selbst erfahren: In einem Gespräch, einer Sitzung, einer Besprechung – da gibt es Leute, die zunächst einmal das Gute und Positive am anderen, an einem Sachverhalt, an einer Herausforderung sehen. Natürlich: Man muss auch manchmal den Finger auf Wunden legen, Kritik üben und Widerstand anmelden. Was heute freilich oft fehlt, ist die Hochschätzung des anderen, ein grundsätzliches Wohlwollen für ihn und seine Anliegen und die Achtung seiner Person. Gut über den anderen reden – ob nicht auch Kirchenkritiker manchmal barmherziger sein könnten?

Bei einer Online-Umfrage gab die Hälfte der User auf die Frage: „Lästern Sie gern über andere?“ an: „Meinetwegen muss das nicht sein, ich mache es aber auch mal mit.“
Aber genauso gefürchtet ist das Lästern. Jeder dritte hat Angst um seinen guten Ruf, weil Arbeitskollegen über ihn herziehen

Ein Beispiel aus dem Leben:
Ein Frauenkreis hat eine besondere Abmachung getroffen. Die Frauen haben bemerkt, wenn sie zusammen sind, dann gibt es eine große Versuchung, über andere herzuziehen und zu lästern. Da kam eine auf die Idee, dass bei der nächsten Zusammenkunft auf dem Tisch eine rote Karte liegt. Und wenn sie wieder in das alte Lästerschema fallen, soll eine die rote Karte zeigen, was bedeutet: Stopp mit der Lästerei. Sie meinte: Wir sollten eigentlich lieber von Menschen erzählen, was sie gut machen. Das würde uns helfen, Menschen mit neuen Augen zu sehen.

Es macht mich nachdenklich, dass das Wort „segnen“ im lateinischen „benedicere“ heißt. Wörtlich übersetzt: „Gutes sagen“. Unser bekanntester Segenswunsch aus dem Alten Testament ist der aaronitische Segen. Er lautet:

„Der Herr Segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten du sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.“


Gebet

Antwort: Herr, erbarme dich
Wir beten für alle, die auf alles Negative fixiert sind
Wir beten für alle, die nichts Gutes an ihren Mitmenschen mehr entdecken
Wir beten für alle, die sich selber hassen
Wir beten für die Journalisten, die täglich auf der Jagd sind, um Skandale aufzudecken
Wir beten für die Reporter, die aus Krisengebieten täglich Bilder von Not und Elend in den Äther senden
Wir beten für Menschen, die anderen sogar Böses wünschen
Wir beten für alle, denen kein gutes Wort mehr über die Lippen kommt
Wir beten für, die auf ihre verkorkste Vergangenheit fixiert werden und denen keine Chance mehr gegeben wird
Wir beten für die Menschen, die es gut meinen, aber es keinem Recht machen können
Wir beten für alle, die auf ein Lob oder ein Wort der Anerkennung warten
Wir beten für alle Sozialarbeiter und Bewährungshelfer, die Menschen wieder auf die Sprünge helfen möchten
Wir beten für alle Musiker und Künstler, die Schönes zu Gehör oder vor Augen bringen möchten

Lied: Wohl denen, die da wandeln, Str. 3

4. Werk der Barmherzigkeit: Ich gehe ein Stück mit dir.
Vielen ist mit einem guten Rat allein nicht geholfen. Es bedarf in der komplizierten Welt von heute oft einer Anfangshilfe, gleichsam eines Mitgehens der ersten Schritte, bis der andere Mut und Kraft hat, allein weiterzugehen. Das Signal dieses Werkes der Barmherzigkeit lautet: "Du schaffst das! Komm, ich helfe dir beim Anfangen!"
Aber es geht hier nicht nur um soziale Hilfestellung. Es geht um Menschen, bei denen vielleicht der Wunsch da ist, Gott zu suchen. Sie brauchen Menschen, die ihnen Rede und Antwort stehen und die ein Stück des möglichen Glaubensweges mit ihnen mitgehen.

Ein Beispiel aus unseren Gemeinden:

Seit Jahren gibt es in unserer Pfarreiengemeinschaft eine Gruppe von Menschen, die Kinder und junge Eltern in der
Kommunion- und Taufkatechese begleiten. Sie möchten mithelfen, dass Kinder und Eltern gute Erlebnisse mit Kirche machen, neu über Fragen des Glaubens zum Nachdenken kommen.

Schrifttext: Emmaus

Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist.
Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.
Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen.
Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten.
Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen,
und der eine von ihnen - er hieß Kleopas - antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk.
Doch unsere Hohenpriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen.
Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist.
Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab,
fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe.
Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht.
Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben.
Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?
Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen,
aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.
Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.
Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr.
Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?
Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt.
Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.
Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.


Gebet: Du treuer Weggefährte

Antwortruf: Geh mit uns

Jesus, du Weggefährte deiner Jünger, geh mit uns!
Jesus, du verborgener Weggefährte –
Jesus, du unerkannter Weggefährte –
Jesus, du verstehender Weggefährte –
Jesus, du besorgter Weggefährte –
Jesus, du zielbewusster Weggefährte –
Jesus, du geduldiger Weggefährte –
Jesus, du brüderlicher Weggefährte –
Jesus, du göttlicher Weggefährte-
Jesus, wenn wir Gott nicht mehr begreifen –
Jesus, wenn wir enttäuscht sind von Gottes Wegen –
Jesus, wenn unser Glaube erstirbt –
Jesus, wenn unsere Hoffnung erlischt –
Jesus, wenn unsere Liebe verstummt –
Jesus, wenn der Zweifel an uns nagt –
Jesus, wenn die Verzweiflung nach uns greift –
Jesus, wenn es ausweglos wird –
Jesus, wenn es hoffnungslos wird –
Jesus, wenn es sinnlos wird –
Jesus, wenn wir ratlos geworden sind –
Jesus, wenn unsere Augen nicht mehr weitergehen –
Jesus, wenn unsere Füße nicht mehr weitergehen –
Jesus, wenn unsere Herzen ausgebrannt sind –
Jesus, wenn wir niedergeschlagen sind –
Jesus, wenn wir alles aufgeben wollen –
Jesus, wenn alles zum Davonlaufen ist –
Jesus, Geh mit uns!

Lied: Hilf, Herr meines Lebens, Str. 1+2

5. Werk der Barmherzigkeit: Ich teile mit dir.

Es wird auch in Zukunft keine vollkommene Gerechtigkeit auf Erden geben. Es braucht Hilfe für jene, die sich selbst nicht helfen können. Das Teilen von Geld und Gaben, von Möglichkeiten und Chancen wird in einer Welt noch so perfekter Fürsorge notwendig bleiben. Ebenso gewinnt die alte Spruchweisheit gerade angesichts wachsender gesellschaftlicher Anonymität neues Gewicht: "Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!"

Ein Beispiel aus unseren Pfarrgemeinden:

Jeden Montag und Freitag trifft sich eine Gruppe des Kreuzbundes im Pfarrer Hersam Haus. Eine gute Einrichtung für Menschen, die mit dem Problem der Alkoholerkrankung kämpfen und fertig werden möchten. Diese Gruppen teilen Zeit miteinander, bestärken sich gegenseitig, unterstützen sich, können aus eigener Erfahrung wertvolle Ratschläge mit auf den Weg geben. Sie erzählen sich gegenseitig von ihren Sorgen, Schwierigkeiten und Erfolgen. Sie erfahren, wie man sich gegenseitig Vertrauen schenkt, wie der Gruppe Anvertrautes auch in der Gruppe bleibt. Sie versuchen sich gegenseitig zu bestärken, nach einem Entzug, trocken zu bleiben. Ohne solche Gruppen wäre die Rückfallquote in die Sucht noch viel höher als sie ohnehin schon ist.

Das Kreuz von Menschen mittragen, Leid miteinander teilen, das wird uns in der Figur des Simon von Cyrene vor Augen gestellt. Der Liedermacher Reinhard Mey nimmt diesen Mann in der Reihe von Bildern auf, was ein Mensch für den anderen sein kann. Er singt:

Du, meine Freundin, Kamerad,
Auf meinem Weg, mein guter Rat
Mein Halt, mein Simon von Cyrene
Hältst noch zu mir im Untergang
Wenn alle anderen schon lang auf eines Stärk‘ren Seite steh‘n.
Mein off‘nes Fenster auf die Welt,
Mein heißer Sommertag im Feld
Mein Himmel, grau und wolkenschwer.
Du, meine Dünen und mein Meer,
Mein Bilderbuch ohne Anfang und Schluss.


Gebet

Für solche Menschen wollen wir danken.
Antwortruf: Lass uns dankbar sein

Für alle Menschen, die mit uns teilen
...die sich mit uns freuen
...die mit uns weinen
...die mit uns hoffen und bangen
...die Leid mit uns teilen
...die Zeit mit uns teilen
...die Gedanken mit uns teilen
...die an unserem Leben Anteil nehmen
...die uns zur Seite stehen
...die an uns denken

Lied: Hilf, Herr meines Lebens, Str. 3+4

6. Werk der Barmherzigkeit: Ich besuche dich.

Eine Erfahrung ist: Den anderen in seinem Zuhause aufsuchen ist besser, als darauf warten, dass er zu mir kommt. Der Besuch schafft Gemeinschaft. Er holt den anderen dort ab, wo er sich sicher und stark fühlt. Die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden ist sehr kostbar. Lassen wir sie nicht abreißen! Gehen wir auch auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.

Ein Beispiel aus unserer Pfarreiengemeinschaft:

In unserer Pfarreiengemeinschaft ist das Wohnstift Steigerwald in Gerolzhofen ein Segen. Nicht nur, weil hier viele Altersgebrechliche und Demenzkranke eine gute Betreuung finden. Das Wohnstift ist eine echte Stätte der Begegnung, ein Austauschort von früheren Erinnerungen. Viele alte Menschen kennen sich aus früheren Zeiten. Viele Freunde, Nachbarn und Bekannte haben hierher nicht weit. So ist bei uns das Wohnstift ein Ort, wo Menschen in Begegnungen sich täglich gegenseitig beschenken. Durch die Besuche kommt Abwechslung und Heimat durch die Tür.

Hören wir von einer bereichernden Begegnung der jungen Maria mit der schon älteren Elisabeth:

Schrifttext

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.

Gebet

Wir beten:
Für alle Menschen, die heute einen Besuch machen

A: Sei ihnen nahe
Für alle, die heute auf einen Besuch warten
Für alle, die heute einen Schwerkranken besuchen
Für alle Gefangenen, die auf einen Besuch warten
Für alle, die heute an einen Menschen denken und zum Telefonhörer greifen
Für alle, die heute an Menschen einen Brief schreiben
Für alle, die keinen Menschen mehr hören und sehen möchten
Für alle, die sich in ihrem Umfeld regelmäßig nach alten und kranken Menschen umschauen
Für alle, die sich in der Nachbarschaftshilfe engagieren
Für alle Frauen und Männer, die zu unseren Besuchsdiensten in Krankenhäusern und Altenheimen gehören
Für alle Pfarreien und Gemeinden, die fremden Menschen Gastfreundschaft gewähren
Für die verschiedenen Generationen in unseren Familien
Für Familienangehörige, die aneinander vorbeileben
Für Menschen, die allein leben und darunter leiden
Für die Ordensgemeinschaften auf dieser Welt
Für die Wohngemeinschaften, in denen alte Menschen oder Studenten zusammenwohnen
Für die Behinderten, die zusammen mit ihren Betreuern und Betreuerinnen Leben gestalten

Lied: Hilf, Herr meines Lebens, Str. 5

7. Werk der Barmherzigkeit: Ich bete für dich.

Wer für andere betet, schaut auf sie mit anderen Augen. Er begegnet ihnen anders. Auch Nichtchristen sind dankbar, wenn für sie gebetet wird. Ein Ort in der Stadt, im Dorf, wo regelmäßig und stellvertretend alle Bewohner in das fürbittende Gebet eingeschlossen werden, die Lebenden und die Toten – das ist ein Segen. Sag es als Mutter, als Vater deinem Kind: Ich bete für dich! Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten. Gottes Barmherzigkeit ist größer als unsere Ratlosigkeit und Trauer.

42 % der Deutschen glauben laut einer Umfrage an die Kraft des Gebetes. Weit mehr als 40.000 Internetnutzer besuchen alljährlich das Fürbittenbuch im katholischen Online-Portal „Kirchensite.de“. Ordensleute beten für die dort eingetragenen Anliegen. Ein Nutzer schrieb: „Ich möchte im Namen aller, insbesondere im Namen der unbenannten Nutzer dafür Dank sagen, dass ihr diese Möglichkeit geschaffen habt.“
Die rege und intensive Nutzung dieses Bereichs spricht für sich.

Der Apostel Paulus ermuntert oft in seinen Briefen zum Beten. Im Brief an die Thessalonicher schreibt er:
Betet ohne Unterlass! Dankt für alles, denn das will Gott von euch.

Und Martin Luther meint zum Thema Gebet:
"Eines Christen Handwerk ist beten. Wie ein Schuster einen Schuh macht, und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. In allen menschlichen Dingen richten wir alles durchs Gebet aus: was geordnet ist, das regieren wir; was geirrt ist, ändern und bessern wir; was nicht geändert oder gebessert werden kann, das leiden wir, überwinden alles Unglück und erhalten alles Gute. Wider Gewalt ist kein Rat, sondern allein Gebet."

Manchmal sagen Menschen zu mir: Beten Sie für mich. Sie bringen damit ihr Vertrauen zum Ausdruck, dass Gebet Menschen wie ein guter Schutzengel Menschen im Leben begleitet.

Zum ehemaligen Münsteraner Spiritual Johannes Bours eine Frau und meinte: „Mit meinem Beten am Morgen und am Abend ist es fast nichts, es besteht eigentlich nur aus einem einzigen Wort. Ich sage einfach zu Gott: „Segne...und sage ihm einfach die Namen von Menschen, an die ich denke, so wie sie mir in den Sinn kommen.“
Ob dies nicht eine gute Anregung für ein gutes Beten ist. Ein Gebet, das von sich selber weg schaut auf die hin, die die Nächsten sind?

Vielleicht für uns eine gute Anregung, jetzt einfach in Stille Gesichter von Menschen vor unserem Auge einfach vorbeiziehen lassen, ihre Namen zu sagen und Gott zu bitten: Segne ihn, segne sie.

- Stille -

Schließen wir mit dem bekannten Segen des hl. Franz von Assisi:

Der Herr segne und behüte dich. Er zeige dir sein Angesicht und erbarme sich deiner. Er wende dir sein Antlitz zu und schenke dir den Frieden. Der Herr segne dich. Der Herr gebe dir den Frieden!

Lied: Selig seid ihr

Sollte noch Text fehlen: Andachtsabschnitt GL 676/6 - Heilige


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