Immer wieder das gleiche Lied

Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (Jes 22,20-23)

Einleitung
Bei jeder Pfarreinführung wird dem neuen Pfarrer symbolisch der Schlüssel für die Pfarrkirche überreicht. Dahinter steckt mehr als nur der freie Zugang zur Kirche.
Wenn in einer Firma oder einem Unternehmen Schlüssel anvertraut werden, dann unterschreiben alle, die einen Schlüssel erhalten auf einer eigenen Schlüsselliste. Jedem und jeder soll dadurch bewusst werden, dass er mit dem Schlüssel sorgfältig umzugehen hat und damit eine hohe Verantwortung trägt.
Wir hören heute in der Lesung und im Evangelium von zwei Personen, denen Schlüssel anvertraut wurden.

Predigt
Nein, so groß sind unsere heutigen Edelstahlschlüssel oder elektronischen Transponder beileibe nicht mehr wie damals die Schlüssel zur Zeit des Jesaja. Damals, im alten Israel, waren wichtige Schlüssel so groß, dass man sie auf den Schultern tragen musste. Schon allein deshalb ein sichtbares Zeichen für die Bedeutung eines Mannes, der die Schlüsselherrschaft über wichtige Gebäude hatte.

Schebna war ein solcher Mann. Er war Palastvorsteher des Königs Hiskija und hatte Schlüsselgewalt über den Königspalast. Ein Mann mit Stellvertretervollmachten, ein hohes Tier. Der Profet Jesaja legt sich mit ihm an. Im Namen Gottes schleudert er ihm die Worte entgegen: "Ich verjage dich aus dem Amt, ich vertreibe dich von deinem Posten!“ An jenem Tag werde ich meinem Knecht Eljakim berufen. Ich bekleide ihn mit deinem Gewand und lege ihm deine Schärpe um. Ich übergebe ihm dein Amt und er wird für die Einwohner Jerusalems und für das Haus Juda ein Vater sein.“
Die Frage ist, warum erregt dieser Schebna, ein Mann in hoher Schlüsselposition das Missfallen des Profeten. Warum soll er vor den Augen Gottes nicht mehr bestehen können und deswegen seinen Platz räumen? Warum plädiert er für eine Amtsenthebung?

Die Antwort wird uns kurz vorher schon gegeben. Da heißt es:
So spricht Gott, der Herr der Heere. Auf, geh zu dem Verwalter hier, zu Schebna, dem Palastvorsteher, und sag: Wie kommst du dazu und wer bist du denn, dass du dir hier ein Grab aushauen lässt? - Da lässt er sich hoch oben ein Grab aushauen, im Felsen sich eine Wohnung ausmeißeln! Gib Acht, der Herr wird dich in hohem Bogen wegschleudern. Er wird dich zu einem Knäuel zusammenwickeln und wie einen Ball in ein geräumiges Land rollen. Dort wirst du sterben. Dorthin kommen dann deine Prunkwagen, du Schandfleck im Haus des Herrn. Ich verjage dich aus deinem Amt, ich vertreibe dich von deinem Posten (Jes 22,15-19).

Schebna erregt in den Augen Jesajas das Missfallen Gottes, weil er seine Schlüsselposition ausnutzt. Weil er selbstherrlich wird und vergisst, dass sein hohes Amt eigentlich ein Dienstamt ist. Stattdessen lässt er sich schon zu Lebzeiten ein prunkvolles Mausoleum aus dem Felsen heraushauen, benutzt sein Amt als Selbstbedienungsladen, anstatt – wie es dann von seinem Nachfolger Eljakim heißt, ein „Knecht“ und ein „Vater“ für die Einwohner Jerusalems zu sein. Also ein Mann, der seine hohe Position als Dienst für die Menschen versteht.

Diese Geschichte ist ein Paradebeispiel für die uralte Versuchung von Menschen, die in hohen Schlüsselpositionen stehen, egal ob in Wirtschaft, Politik oder Kirche. In solchen Positionen kann man korrupt oder selbstherrlich werden und vergessen, dass man selbst in einem Verantwortungsverhältnis steht. Da kann man noch so häufig sagen: Ich bin als Mann oder Frau in Schlüsselposition Diener und, versuchen, einen aufopferungsvollen Dienstheiligenschein über sein Amt zu hängen. Menschen sind in diesem Punkt äußerst sensibel und spüren, ob die Diensteinstellung echt ist. Das bekommen nicht erst in unseren Tagen ein Bischof Tebartz van Elst oder eine Christine Haderthauer zu spüren.

Diese uralte Geschichte ist aber auch eine Anfrage für jeden von uns, wie er sein Leben versteht, als Schielen auf eine Position, die ihm viel einbringt oder als Dienst für Menschen. Vielleicht regt uns dazu die Geschichte von Rabbi Naftali nochmals dazu an:
In der Stadt Ropschitz beauftragten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen, Wächter, um nachts ihren Besitz zu schützen. Als Rabbi Naftali eines späten Abend am Rande des Waldes spazieren ging, begegnete er einem der Wächter: "Für wen gehst du?" fragte ihn der Rabbi.
Der Wächter nannte den Namen seines Auftraggebers, fügte aber die Gegenfrage hinzu: "Und für wen geht Ihr, Rabbi?" Das Wort traf den Gelehrten wie ein Pfeil. "Noch gehe ich für niemanden!", stammelte er. Lange schritt er schweigend neben dem Wächter einher. "Willst du mein Diener werden?" fragte er endlich.
"Das will ich gern", antwortete jener, "doch was habe ich zu tun?"
"Mich zu erinnern", sagte der Rabbi.


Fürbitten
Wir beten für die Mächtigen auf dieser Welt, dass sie sich ständig ihrer hohen Verantwortung für die Völker dieser Erde bewusst sind

Wir beten für die Regierenden, dass sie ehrlichen Herzens nach Friede und Gerechtigkeit suchen

Wir beten für alle, die in die Fallstricke hoher Positionen geraten sind, dass ihnen im privaten Leben ein neuer Anfang möglich ist

Wir beten für uns selbst, dass wir nicht nur mit dem Finger auf die da oben deuten, sondern uns selbst um ein ehrliches Leben bemühen

Wir beten für unsere Verstorbenen. In diesem Gottesdienst denken wir an.............................................................Dass sie dein Erbarmen spüren dürfen


Pfarrer Stefan Mai

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