Ich liebe den Himmel

Predigt zum Himmelfahrtstag 2014

Einleitung

Eine Kirchenführerin, die häufig Touristen in der bekannten Klosterkirche Birnau führt und Menschen das theologische Programm der barocken Kirche nahebringen möchte, machte folgende Feststellung: „Die heutigen Menschen sind im Gegensatz zu der früheren Generation nicht mehr gewohnt, nach oben zu schauen. Ihnen tut gleich der Nacken weh, wenn sie zum Deckengewölbe hochschauen sollen.“
Ob das mit unserer veränderten Einstellung zum „Himmel“ zu tun hat?

Predigt

„Ich liebe den Himmel, den ganz irdischen Himmel, der sich über mir und allen anderen auf der Erde wölbt. Der keine Grenzen hat und überall gesehen wird. Den maßlos weiten, über den klein und silbrig, ganz hoch oben, die Flugzeuge flitzen. Das Himmelreich der Vögel, die Spielwiese der Mücken an Sommerabenden. Die blaue Seide im Frühling, vor der sich die Magnolie wiegt. Den Himmel, der am Abend sanft errötet, und den mit den Flügeln der Morgenröte. Den Himmel der Wolkentürme an heißen Sommertagen. Ja, und auch dieses weinerliche Tuch der Regentage, das auf´s Gemüt schlägt. Der Nachthimmel: Gepriesen sei er. Und der reingewaschene, verschwiegene, an dem der Morgenstern prangt. Was täte und was wäre ich ohne diesen Himmel über mir? Was wäre die Erde ohne diesen Himmel über ihr? Eine öde Wüste! Wenn ich sterbe, will ich einmal unter ihm die Arme ausbreiten und mich bedanken für so viele lichtvolle Augen-Blicke und Lebenszeiten.“

So lese ich in einer Betrachtung über den Himmel im Magazin „Andere Zeiten“. Dieser Himmel wölbt sich über einen jeden von uns. Für die einen bleibt er ein naturwissenschaftliches Phänomen, für die anderen wird dieser Himmel zu einer Erfahrungschiffre Gottes, für ein Bild der Freiheit, der Leichtigkeit, für ein Leben, das sich ein Mensch bei Gott einmal erhofft.

Der „Himmel“ ist ein vieldeutiger und schillernder Begriff. Berühmt geworden ist das Zitat Konrad Adenauers, der einmal meinte: „Wir alle leben unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“

Die englische Sprache unterscheidet diesen unterschiedlichen Horizont mit zwei unterschiedlichen Worten. Den Himmel der Wolken, aus dem der Regen fällt, in dem die Flugzeuge und Vögel fliegen, in den wir die Raketen schießen, nennen die Engländer „sky“. Den Himmel im übertragenen Sinn als Lebensbereich Gottes, als Ort der letzten Lebenshoffnung und größten Lebensglücks nennen sie „heaven“.

„Wir alle leben unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont“.

Die einen pfeifen auf den Himmel und überlassen ihn mit Heinrich Heine „den Engeln und den Spatzen“ - für die anderen ist er letzte Lebenshoffnung.
Für die einen ist dieser Himmel nur eine billige Vertröstung und billige Entschuldigung, sich nicht für die Anliegen und Aufgaben in dieser Welt zu engagieren. Für die anderen bedeutet der Aufblick zum Himmel ein ungeahntes Maß an Kraft und Hoffnung.
Die einen sagen in schwierigen Situationen „Kopf hoch“, die anderen brauchen in der Not der Krankheit, in der Bedrängnis von drückenden Sorgen ein „Stück Himmel“, zu dem sie aufschauen können und das sie nicht aufgeben lässt.

Vielleicht nutzen wir heute den Himmelfahrtstag wieder einmal als eine Gelegenheit, bewusst in den Himmel zu schauen und mich zu fragen, was ist dieser Himmel für mich: sky oder auch heaven?

Eine erfundene aber schöne Geschichte zum Schmunzeln und zugleich zum Nachdenken zum Schluss:

"Kurz nach Juri Gagarins erstem Raumflug wurde ein Empfang zu seinen Ehren gegeben, bei dem auch der Pope der Russisch-Orthodoxen Kirche, Alexis I., anwesend war: ‚Haben sie Gott gesehen, als Sie im All waren?’ fragte dieser den Astronauten. Juri Gagarin verneinte. ‚Mein Sohn’, sagte Alexis daraufhin, ‚bitte behalten sie das für sich.’
Kurz darauf stellte auch Nikita Chruschtschow Juri dieselbe Frage. Aus Respekt vor Alexis I. erwiderte Juri, er habe Gott gesehen. ‚Lieber Juri’, bat Chruschtschow ihn dringend, ‚bitte verraten sie das niemandem.’"



Pfarrer Stefan Mai

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