Was ist Hoffnung?

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit (1 Petr 3,15-18)

Einleitung

Auf den heutigen Gottesdienst möchte ich Sie mit einem Gedicht von Friedrich Schiller einstimmen.
Es trägt die Überschrift
„Hoffnung“

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren!
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.


Predigt

In einer Zeit, in der Kirche immer weniger gefragt ist, wird sie immer mehr angefragt, manchmal in ihrer Sinnhaftigkeit auch angezweifelt. Da beginnen Texte wie der heutige Lesungstext aus dem Petrusbrief neu an Aktualität zu gewinnen:

Haltet Christus in eurem Herzen heilig!
Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.


Diesen alten urchristlichen Satz möchte ich heute einmal mit einem Ausspruch des verstorbenen tschechischen Philosophen und Präsidenten Vaclav Havel ins Heute übersetzen.

Als man ihn einmal danach fragte, was Hoffnung für ihn bedeutet, gab er zur Antwort:

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

Wenn ich den Rat des Petrusbriefes: „Haltet Christus in eurem Herzen heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“, in der Denkspur eines Vaclav Havel betrachte, bedeutet er für mich:

Es hat einen Sinn, die Worte, die Jesus gesprochen hat, die Werte, die er vorgelebt hat, zu beherzigen, egal was andere darüber denken.

Es hat einen Sinn, das, was diesem Jesus heilig, wichtig und wertvoll war, im Leben umsetzen zu wollen, auch wenn es mir oft nur stümperhaft gelingt.

Es hat einen Sinn, sein Leben als Dienst zu verstehen, auch wenn ich dadurch nicht groß herauskomme oder persönliche Vorteile erziele.

Es hat einen Sinn, Kindern vom Lebensbeispiel Jesu zu erzählen, sie in eine Gemeinschaft einzuführen, die miteinander in ihren Gottesdiensten Gott feiert, ihn lobt, dankt und um Hilfe anfleht, auch wenn ihnen später die Kirche egal wird.

Es hat einen Sinn, Verleumdung oder Nachteile zu ertragen, wenn ich überzeugt bin, ich habe aus lauteren Motiven gehandelt.

Es hat einen Sinn, an den Wert meines Bemühens und Tuns zu glauben, auch wenn ich oft hinter mir selbst zurückbleibe und scheinbar nichts Großes bewirke.

Es hat einen Sinn, wenn ich mich um Frieden in meiner kleinen Umgebung bemühe, auch wenn dadurch noch lange kein Weltfrieden entsteht.

Es hat einen Sinn, daran zu glauben, dass mir Einer beisteht und mein Leben mit mir geht, auch wenn ich manchmal nichts davon spüren kann.

Welches Hoffnungspotential könnten Sie persönlich dieser kleinen Hoffnungs-Liste hinzufügen?


Pfarrer Stefan Mai

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