„Ham’se jedient?“

Predigt zum Gründonnerstag 2014

Einleitung
Man erzählt sich: In einem bischöflichen Ordinariat soll sich ein Mitarbeiter folgenden Scherz erlaubt haben. Er hängte ein Schild in den Aufzug, auf dem zu lesen stand: „Hier dienen alle gerne, aber nur in gehobener Stellung.“
Zum Schmunzeln dieser Satz. Aber er trifft den Kern der Sache: Echter Dienst sieht anders aus.
Darum geht es in der Gründonnerstagsliturgie.

Predigt
Viele kennen den „Hauptmann von Köpenick“ aus dem Fernsehen – mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle als Schustergeselle Wilhelm Voigt.
„Ham’se jedient?“ – das ist die stereotype Frage, die der arbeitslose Schuster gestellt bekommt. Gerade aus der Haft entlassen versucht er eine Arbeitsstelle zu finden. Noch bevor auf seine Ausbildung und Qualifikation geschaut wird, steht die Frage: „Ham’se jedient?“ Damals das entscheidende Kriterium dafür, ob jemand überhaupt die Chance auf einen Arbeitsplatz bekommt.
„Ham’se jedient?“ – das heißt: Haben Sie Militärdienst geleistet? Sind Sie strammgestanden? Waren Sie treuer Pflichterfüller staatsbürgerlicher Gesetze? Haben Sie sich untergeordnet? Haben Sie ohne Widerrede Befehle ausgeführt?
Der Schriftsteller Carl Zuckmayer führt in seinem Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ dieses preußische Ideal bedingungsloser Pflichterfüllung ad absurdum. Der arbeitslose Schustergeselle braucht sich dann nur einen Offizierskittel zu klauen – und schon kann er mit den typischen Militärappellen die Welt stramm stehen lassen.
Was Zuckmayer am „Ham’se jedient?“ aufregt – ist: Da werden Menschen zu Rädchen in einem riesigen Befehlsapparat gemacht. Keiner denkt mehr nach. Alles wird bevormundet. Einer gibt die Linie vor, alle rennen nach.
Diese Art von „dienen“ ist in Verruf gekommen. Das riecht nach: unselbständig, keinen eigenen Willen haben, ja sogar nach knickdienerisch.
Wenn heute einer bereit ist zum Dienen, dann muss damit etwas verdient sein. „Service“ nennt man das. Es ist ein großer Markt von Dienstleistungsunternehmen entstanden. Unternehmensberater und Wirtschaftsinstitute haben das alte Prinzip neu entdeckt: Erfolg durch Dienen. Eigentlich ganz logisch: Wenn keiner mehr zum Dienen bereit ist, dann kann man damit Geld machen, wenn man Dienstleistungen anbietet.
Ganz schön alternativ, was das Gründonnerstagsevangelium vorschlägt, wenn es um „dienen“ geht: Das hat nichts zu tun mit knickdienerischer Hörigkeit. Und das hat auch nichts zu tun mit Servicementalität, um Geld zu verdienen.
Christliche Dienstauffassung, wie sie im Evangelium propagiert wird, stellt alles auf den Kopf: Da dient der Ober dem Unter. Da ist einem völlig egal, ob die anderen dann sagen: „So blöd möcht‘ ich sein!“ Da macht einer das Dienen zum Kriterium für Glaubwürdigkeit: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir: Meister und Herr. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,13-15).

„Ham’se jedient“ – das wird nach diesem Evangelium die entscheidende Frage an jeden Christen sein.
Wenn ich dann sagen kann: Ja, ich habe mich für mein Dorf/Stadtteil eingesetzt und bin eingesprungen, wenn Not an Mann war. Ja, ich hab‘ meine alten Leute über Jahre hinweg daheim gepflegt und auf vieles verzichtet. Ja, viele Jahre habe ich nach der Nachbarin geschaut, die sonst keinen Menschen mehr hatte. Ja, als pensionierte Lehrerin habe ich mich in meiner Freizeit benachteiligter Schüler angenommen.
Ich bin überzeugt: Wenn ich auf die Frage „Hast du gedient“ mit „ja“ antworten kann – dann wird der Herr und Meister mir sagen: „Keine weiteren Fragen!“


Fürbitten
Jesus sagt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Gott, wir bitten dich:
- Für alle, die ein Amt in der Kirche innehaben: dass sie es in Bescheidenheit und im Geist des Dienens ausüben …
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns.
- Für alle Frauen und Männer, die in Staat und Gesellschaft Macht haben: dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst bleiben …
- Für die vielen, die einsam sind und um die sich niemand kümmert: dass sie menschliche Zuwendung erfahren …
- Für alle, die in sozialen und caritativen Berufen tätig sind: dass mit ihrer Hilfe benachteiligte Menschen wieder auf die eigenen Beine kommen …
- Für unsere Verstorbenen: dass ihnen vergolten wird, was sie anderen Gutes getan haben …


Pfarrer Stefan Mai

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