Mut ist...

Predigt zum Misereor-Fastensonntag

Vielleicht haben Sie auf den großen Plakatwänden in den letzten Wochen die Plakataktion „Mut ist...“ gesehen. Schwarz-Weiß-Zeichnungen mit einem kurzen prägnanten Satz. Da war zu lesen:

Mut ist, dahin zu gehen, wo andere fliehen
Mut ist, Waffen mit Worten zu bekämpfen
Mut ist, für Gold nicht jeden Preis zu bezahlen
Mut ist, von Mächtigen sich nicht ausgrenzen zu lassen
Mut ist, Verbrechen zu beweisen, die angeblich nicht passiert sind
Mut ist, da zu sein, wenn keiner mehr da ist
Mut ist, zu bleiben, auch wenn die Schlagzeilen verschwinden
Mut ist, zu kämpfen, auch wenn der Gegner übermächtig erscheint


Wie geht es Ihnen, wenn Sie solche Worte hören?
Ich spüre in solchen Sätzen eine Bewunderung für Menschen,
die in Krisengebieten für Recht und Gerechtigkeit eintreten,
die in Flüchtlingsgebieten versuchen, mit Menschen auszuhalten,
die sich von den Mächtigen nicht einschüchtern lassen,
die die Gewaltspirale mit Vernunft und Worten durchbrechen wollen,
die in Katastrophengebieten auch dann noch am Wiederaufbau arbeiten, wenn die Schlagzeilen aus den Medien verschwunden sind und kein Schwein von der Lage der Menschen mehr Notiz nimmt.

Das spüren wir: Es braucht Mut, gegen elende Lebensbedingungen anzukämpfen und mit kleinen Schritten etwas zum Besseren zu bewegen: Mut, ein Risiko einzugehen. Mut, den Mächtigen unbequem zu werden.

Mit diesen Mutsätzen will das Hilfswerk Misereor auf die vielen Menschen aufmerksam machen, die oft unter unmenschlichen Bedingungen und trotz Gefahr für Leib und Leben für ihre Ideale und für Menschlichkeit eintreten und sich nicht verbiegen lassen. Gerade solch mutige Menschen möchte Misereor vor Ort unterstützen.

Mit dem Motto für den Misereor-Fastensonntag „Mut ist, zu geben, wenn alle nehmen.“ trifft Misereor den Nerv unserer Gesellschaft.
Die „Nehmen und Haben - Wollen Mentalität“ ist „in“ und selbstverständlich.
Allgemeine Denke: „Wer gibt, ohne zu nehmen, ist schön blöd.“

Misereor dreht den Spieß um und behauptet: Wer gegen diesen Strom unserer Zeit schwimmt, der hat Mut: „Mut ist zu geben, wenn alle nehmen.“
Und spüren wir nicht deutlich im Bauch: Eigentlich bewundere ich gerade solche Menschen. Eigentlich sind das die Helden unserer Zeit. Eigentlich möchte auch ich zu ihnen gehören - wenn ich nur den Mut hätte!


Pfarrer Stefan Mai

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