Laetare!

Predigt zum 4. Fastensonntag 2014

Einleitung

Die Farbe Violett ist die Farbe der Fastenzeit. Am 4. Fastensonntag wird die Farbe Rosa getragen. Mit dem Eröffnungsvers dieses Sonntags „Laetare - freue dich“ und der Farbe Rosa soll der Freudencharakter dieses Tages vor Augen geführt werden.
Der Ursprung für den besonderen Akzent des 4. Fastensonntags liegt wohl in einem alten römischen Brauch: Man feierte an diesem Tag den Sieg des Frühlings über den Winter und trug dabei Rosenblüten mit sich. Die Farbe Rosa kommt von der Rose. Der Papst nahm diesen Brauch in die Liturgie auf, segnete Rosen und verschenkte sie an seine Mitarbeiter. Eine farbenfrohe Liturgie – mitten in der Fastenzeit.

Predigt

Zur Vorbereitung der Würzburger Synode wurde anfangs der 70-er Jahre vom Institut für Demoskopie in Allensbach eine große Umfrage unter den Katholiken Deutschlands gestartet. Frau Noelle-Neumann hat bei der Interpretation der Umfrageergebnisse unter anderem folgende These aufgestellt: „Menschen, die der Kirche nahestehen, sehen weniger glücklich aus. Kirche und Lebensfreude erscheinen als Gegensatz.“
Schon lange vorher hat der Philosoph Friedrich Nietzsche den viel zitierten Satz geprägt: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“

Hat die Kirche - das Evangelium, die frohe Botschaft in den Händen – anstatt Freude und Herzensfrische in das Leben von Menschen zu bringen, gebeugte, geduckte, in Ehrfurcht erstarrte und das Genick eingezogene Kreaturen erzogen? Hat sie sich vielleicht zu sehr an der Frage festgebissen: Was ist wahr? Und dabei aus den Augen verloren, was auch froh machen kann?

„Laetare! Freue Dich!“ ist der Ruf des vierten Fastensonntags. Sicherlich, Lebensfreude kann man nicht einfach befehlen oder herbeizwingen. Diese wird letzten Endes immer ein Geschenk bleiben. Aber hungern wir nicht alle nach Tipps, die uns vielleicht helfen könnten, dieser Lebensfreude auf die Spur zu kommen? Vielleicht können uns heute ein paar alte Ratschläge aus dem 13. Jahrhundert dabei nützlich sein. Thomas von Aquin hat sie in einer kleinen Schrift mit dem Titel „Gegen die Traurigkeit des Gemüts“ zusammengestellt. Zu meinem Erstaunen zählt der Überflieger-Theologe darin ganz banale und alltägliche Dinge auf, die nötig sind, damit die Freude in unserem Leben wachsen kann. Seine Tipps lauten: Genießen, schlafen, schwimmen, weinen, mit Freunden sprechen und beten.

Genießen – Im Talmud, einer jüdischen Auslegung alttestamentlicher Texte, heißt es: „Am jüngsten Tag wird der Mensch Rechenschaft ablegen müssen über alle guten Dinge, die er hätte genießen können, aber nicht genossen hat.“

Schlafen – weil ich dadurch loslassen kann, was mich so umtreibt und oft auch fesselt. Weil der Schlaf mir bewusst macht, dass ich nicht nur von meiner eigenen Leistung und Schaffenskraft das Heil erwarten kann, sondern dass mir vieles nicht nur im Schlaf sondern überhaupt im Leben einfach zufällt.

Schwimmen – dieses Gefühl: Ich muss mich bewegen und zugleich werde ich getragen. Diese Einsicht: Manchmal muss ich mich wirklich abstrampeln und doch werde ich nicht fallen gelassen.

Weinen - „Tränen lügen nicht“ Das wusste ein Thomas von Aquin schon lange vor dem Schlager von Michael Holm. Weil Tränen Giftstoffe ausschwemmen, weil sie ein Zeichen des ehrlichen Gefühls und echter Menschlichkeit sind.

Mit Freunden sprechen – weil ich dabei nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss, weil Lebenserfahrungen ausgetauscht werden und auch über manchem Blödsinn noch gelacht werden kann.

Beten – weil ich mich dabei aus der Verkrampfung löse, alles selber machen zu müssen.

Vielleicht regt dieses Rezept des Thomas von Aquin uns am Laetare-Sonntag einmal an, über unsere persönlichen Freudequellen nachzudenken.
Eines ist klar: „Von Herzen frohe Menschen sind immer eine Wohltat, ein Segen, sie sind Lebens- und Verwandlungskünstler, sie wirken ansteckend, erheiternd, erhellend, aufmunternd.“ (Paul Weismantel).

Einem solchen Menschen bin ich erst am Freitag auf der Kurzzeitpflege wieder begegnet: einem fast 90- Jahre alten Mann, im Gesicht gezeichnet vom Hautkrebs, an den Rollstuhl gefesselt. „Mein größtes Geschenk ist meine Lustigkeit. Die hab ich nie verloren,“ meinte er. Vor der Kommunion fragte ich ihn dann, welches Lied wir denn miteinander singen können. Da stimmte er - ohne zu überlegen - ein Lumpenliedchen an. Als ich dann meinte, so jetzt singen wir aber noch was aus dem Gesangbuch, da kam aus tiefster Seele, sodass er es fast nicht mehr „derschnaufen“ konnte: „Großer Gott wir loben dich“.
Ja, es ist wahr: „Von Herzen frohe Menschen sind immer eine Wohltat, ein Segen, sie sind Lebens- und Verwandlungskünstler, sie wirken ansteckend, erheiternd, erhellend, aufmunternd.“

(Die Anregung zur Predigt verdanke ich W. Raible, Gegen die Traurigkeit des Gemüts in Predigten, Lesejahr A, S. 70-72)

Fürbitten

Heute am Sonntag „Laetare“ bitten wir dich, o Gott, um das große Geschenk der Lebensfreude und Lebensfrische. Wir antworten mit dem Ruf: Schenke uns deine Freude, Gott:

Damit unser Leben Zuversicht und Freude ausstrahlen kann

Damit wir trotz unserer Sorgen und Ängste die Freude am Leben nicht verlieren

Damit wir, wenn wir uns selbst das Leben schwer machen, deine froh machende Botschaft hören

Wir beten auch für unsere Toten. In diesem Gottesdienst nennen wir stellvertretend die Namen von............................................. Schenke auch ihnen deine Freude, o Gott

Darum bitten wir....


Pfarrer Stefan Mai

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