O Haupt voll Blut und Wunden

Meditativer Abend zur Ausstellung „schmerzRAUM“ in der Johanneskapelle zu Gerolzhofen (14. März 2014)

Lied: Holy is the lamb

Unter dem Titel „schmerzRAUM“ steht die aktuelle Ausstellung mit Objekten und Installationen der Würzburger Künstlerin Christine Schätzlein im Museum Johanniskapelle. Bewusst ist das Wort „schmerz“ klein geschrieben als Tun-Wort: Schmerzen durchschmerzen. Wir wissen nämlich: Es erfordert vom Menschen eine ungeheure Kraft, körperliche und seelische Schmerzen zu durchleiden und zu verarbeiten.
Für das Wort RAUM haben wir Großbuchstaben gewählt. Denn es ist gut, wenn es wirklich Räume gibt, die Herberge sind für solche Schmerzen. Die besten Räume sind Menschen, zu denen man Vertrauen hat, die auch im Schweren zu einem stehen.
Eine große Hilfe sind jedoch auch Räume im wörtlichen Sinn. Die Johanniskapelle mit ihren gotischen Werken und der derzeitigen modernen Kunstinstallation ist ein solcher Raum. Sie bietet gotische Kunstwerke an, die aus der Erfahrung von Schmerz geschaffen sind, die Schmerzbewältigung in der Pieta, in Kreuzdarstellungen, in einem Sebastian und einem Lorenz ins Bild bringen wollen. Die modernen Objekte von Christine Schätzlein sind ebenso aus der Erfahrung von Schmerz und versuchter Schmerzbewältigung geboren. Ihr Mann ist seit langem nach einem schweren Unfall Schmerzpatient.
Aber auch Lieder und Gedichte sind im Übertragenen Sinn Orte, die Menschen helfen können, Schmerzen zu durchleiden. Menschen versuchen Leid und Schmerz mit Bildern, Liedern und Texten zu verarbeiten. Dies soll uns der heutige Abend bewusst machen.
Es wird ein altes barockes Schmerzlied im Mittelpunkt stehen, das bekannte Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“, eine alte Dichtung aus dem Buch der Psalmen, ein aufwühlendes Gedicht von Christine Lavant und Lieder aus unserer Zeit, die einen Antwortversuch auf die Frage nach dem unbeantwortbaren „Warum“ geben möchten. Diese Lieder werden uns von der Gruppe „Four You“ gesungen. Lassen wir uns nun einmal auf unser bekanntes Passionslied „Haupt voll Blut und Wunden ein“.

Lied: Gl 289 „O Haupt voll Blut und Wunden“ (Strophe 1)

Haben Sie das gewusst?
Die Melodie von „O Haupt voll Blut und Wunden" stammt ursprünglich von einem Liebeslied. Es trug den Titel „Mein Gmüt ist mir verwirret“. In diesem Lied berichtet ein junger Mann, wie ihm seine Freundin den Kopf verdreht hat. Komponiert wurde die Melodie von Leo Haßler im Jahr 1601.
Johann Crüger, Kantor der Berliner Nicolaikirche und Weggefährte Paul Gerhardts, hat die Melodie des Liebesliedes dem Passionsgedicht von Paul Gerhardt 1656 unterlegt.
Unserem Passionslied liegt also die Melodie eines Liebesliedes zu Grunde. Das erscheint uns Heutigen ein wenig kurios, vielleicht fast ein wenig pietätlos.Das wäre so, wenn jemand heute in der Kirche ein populäres Liebeslied von Madonna am Karfreitag zum Besten gäbe? - Erstaunlich und mutig! Die Zeit der Gotik und des Barock hatte da keine Bedenken. Schon Martin Luther hat hemmungslos populäre Tanzmelodien für seine reformatorischen Lieder verwendet.

Liebeslied und Passionslied, wie passt das zusammen? Liebe und Leiden, Liebe und religiöse Ergriffenheit waren für die Menschen des Mittelalters und der Barockzeit keineswegs entgegengesetzte Begriffe. Unser umgangssprachlicher Ausdruck „ich kann dich gut leiden“ zeigt uns bis heute, dass lieben und leiden eng miteinander verbunden sind. Meisterhaft bringt dies eine chassidische Geschichte auf den Punkt. Sie erzählt:

Der Rabbi erzählte seinem Schüler:
„Die Erkenntnis wahrer Nächstenliebe verdanke ich einem Gespräch zweier Dorfleute, denen ich zuhörte.
Erster: Sage mir Freund Iwan, liebst du mich?
Zweiter: Ich liebe dich sehr.
Erster: Weißt du, Freund, auch, was mir wehtut?
Zweiter: Wie kann ich denn wissen, was dir weh tut?
Erster: Wenn du nicht weißt, was mir weh tut, wie darfst du auch nur sagen, dass du mich liebst?
Verstehst du“, führte der Rabbi aus, „lieben, wirklich lieben, heißt wissen, was dem anderen weh tut.“


Das Verhältnis zu Jesus war in der Gotik und Barockzeit von inniger Hingabe und sinnlicher Leidenschaft geprägt. Liebe und Passion - die enge Verbindung von beidem geht auf den mittelalterlichen Mystiker und Zisterziensermönch Bernhard von Clairvaux zurück, der von 1090 bis 1153 lebte. Bernhard verbindet die Passionsbetrachtung mit der Brautmystik, er verknüpft die erotische Liebeslyrik des Hohenlieds Salomos mit der Meditation des Leidens Christi. Christus ist für Bernhard der Seelenbräutigam, der Geliebte der menschlichen Seele, die sich nach ihm verzehrt wie sich das liebende Mädchen in Salomos Hohelied nach ihrem Freund verzehrt.

In der Tradition Bernhards stehend, dichtete dann der Mönch Arnulf von Löwen um das Jahr 1250 einen siebenteiligen Gedichtzyklus, der die unmittelbare Vorlage für Gerhardts Lied „O Haupt voll Blut und Wunden" bildete. Arnulfs lateinischer Zyklus trägt übersetzt den Titel „Rhythmisches Gebet an jedes einzelne Glied des leidenden und am Kreuze hängenden Christus".
Je ein Gedicht widmet sich den Füßen, den Knien, den Händen, der Seite, der Brust, dem Herzen und dem Angesicht des leidenden Gekreuzigten. Und jedes dieser Gedichte beginnt mit dem Wort „Salve!" - „Sei gegrüßt!" Wie ein Liebender zärtlich Kopf, Hände, Füße, Brust seines oder seiner Geliebten betrachtet und streichelt, so meditiert der Dichter die fünf Wunden Jesu an Kopf, Herz, Händen und Füßen.

Gerhardt benutzt diese Vorlage von Arnulf von Löwen und spitzt sie auf die Betrachtung des Gesichtes zu und dehnt sie noch aus. Er kehrt nicht nur die Reihenfolge der beiden lateinischen Worte „Salve caput“ um, sondern spannt eine ganze Liedstrophe dazwischen: „Caput" - „O Haupt" steht am Anfang der Strophe und erst am Schluss der Strophe folgt der Gruß, das „Salve" - „Gegrüßet seist du mir".

Dazwischen steht eine Aufzählung des Entsetzens und des Staunens: Das Haupt des geliebten Bräutigams der menschlichen Seele, das sonst schön, ehrenvoll und geziert ist, ist nun voller Blut, Wunden, Schmerz und Hohn. Ein gewaltiger Kontrast wird aufgespannt und umklammert vom Gruß an das Haupt des Gekreuzigten: Salve caput.

Und warum gerade eine so ausführliche Nachdichtung zum Haupt oder Angesicht des leidenden Christus?
Für mich gibt es zwei Gründe:
Der erste ist ein geographischer: Als Gerhardt sein Gedicht schrieb, war er Pfarrer in Mittenwalde. Am Altar der dortigen Kirche ist eine Darstellung des Schweißtuchs der Veronika zu finden. Auf der Darstellung des Schweißtuches in Mittenwalde ist das Gesicht des gekreuzigten Christus abgebildet, das Haupt voll Blut und Wunden. Gerhardts Lied greift also ganz unmittelbar die lokalen Verhältnisse der Kirche auf, in der er predigte.

Der zweite Grund ist für mich ein biographischer:
Paul Gerhardt hat in seinem Leben dem Leiden immer ins Gesicht schauen müssen. Seine Lebenszeit war der dreißig jährige Krieg und die Pestzeit. Die Zeit, in der die Heere plündernd und mordend durch Europa zogen. Die Zeit, in der Tausende von Menschen neben ihm von der Pest heimgesucht wurden und umfielen wie die Fliegen. Mit 14 war er selbst Vollwaise. Vier seiner fünf Kinder musste er ins Grab schauen.
Wie oft saß dieser vom Leiden heimgesuchte Paul Gerhardt vor diesem Haupt voll Blut und Wunden in Mittenwalde. Wie oft hat er vor diesem Bild seinen eigenen Schmerz im Glauben verarbeitet.

Mir sagt Paul Gerhardt: Auch wenn es schmerzlich ist und ungeheuer weh tut: Wenn du Leiden verarbeiten willst, darfst du nicht feige sein und weggucken. Du musst dem Leiden ins Gesicht schauen.
In allen Details führt uns Gerhardt dieses Leiden vor Augen. Wir müssen uns ihm stellen, wir müssen genau hinsehen, die Todesblässe wahrnehmen, das Blut und die Wunden, die Spuren der Folter und der Demütigung.

Strophen 2+3

Schau dem Schmerz ins Gesicht und lauf nicht weg! Bleib stehn!, rät Paul Gerhardt weiter. Nicht ausreißen, wenn ein Mensch am Sterben liegt. So manches Mal erzählen mir Menschen, wie tröstlich es für sie war, dass sie ihren Mann, ihre Frau, ihren Vater im Arm hielten, als er starb. Wer vor Sterbebetten ausreißt, den kann es später leicht einholen.
In der tiefsten Tiefe des Leids und der Verzweiflung fängt in der Liedstrophe, die wir gleich hören werden, ein Spiel gegenseitiger Zärtlichkeit an. Der Beter und Betrachter wird zu einer Pieta-Skulptur. Wie Maria nach der Kreuzabnahme den Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß hält, so zärtlich und voller Liebe wendet sich nun der Sänger Jesus zu: „alsdann will ich dich fassen / in meinen Arm und Schoß." Der Sänger des Liedes nimmt den gemarterten und getöteten Jesus noch einmal im Geiste auf seinen Schoß.

Strophe 5

Wie oft höre ich von Menschen: „Ich will den Toten so in Erinnerung halten, wie er war. Ich möchte den Toten nicht noch einmal anschauen!“ Menschen scheuen oft diesen letzten Anblick aus Angst, sie könnten diesen Anblick nicht verkraften. Und doch wissen wir alle, wie wichtig es ist, noch einmal bewusst von einem Toten Abschied zu nehmen.
Nie werde ich vergessen, wie eine junge Mutter sich ihren
totgeborenen Säugling im Leopoldinakrankenhaus noch einmal auf den Bauch legen ließ, um symbolisch noch einmal auszudrücken, dass sie eigentlich diesem Kind ihre Wärme ins Leben mitgeben wollten.
Nie geht mir die junge Frau aus dem Kopf, die sich noch einmal zu ihrem verunglückten Mann legen wollte, nachdem er plötzlich verstorben war.
Nie gehen mir die Worte der Frau aus dem Ohr, der der Arzt nach einem schrecklichen Verkehrsunfall ihres Mannes, bei dem sein Gesicht völlig entstellt wurde, geraten hat: Schauen Sie ihn nicht mehr an! Wie sie ihm sagte: „Herr Doktor, wissen Sie nicht, was Liebe aushalten kann?

Und dann am Schluss des Liedes diese Bitte:


Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein!

Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und lass mich sehn dein Bilde
In deiner Kreuzesnot!
Da will ich nach dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Strophen 7+8

Der Beter bittet: Jesus, bleib auch Du bei meinem Sterben bei mir. Verlass mich nicht. Ein Bild letzter Zärtlichkeit: Der Beter will in seinem eigenen Sterben Jesus nach einmal ganz fest an sich drücken.

„Geben Sie mir bitte mein Sterbekreuz, ich will es fest an mich drücken, sagte mir einmal ein Sterbender.“
Der, der Schmerz und Leid durchgemacht hat, der, an den ich geglaubt habe, der soll mir auch jetzt in der Stunde des Sterbens Stütze, Hilfe und Trost sein.

Kann ich das noch glauben: Wer so stirbt, der stirbt wohl?


Lied: Nearer by god


Näher mein Gott zu Dir,
Näher zu Dir!
Drückt mich auch Kummer hier,
Drohet man mir,
Soll doch trotz Kreuz und Pein,
Dies meine Losung sein:
Näher mein Gott zu Dir,
Näher zu Dir!

Bricht mir, wie Jakob dort,
Nacht auch herein,
Find ich zum Ruheort
Nur einen Stein,
Ist selbst im Traume hier
Mein Sehnen für und für:
Näher mein Gott zu Dir,
Näher zu Dir!

Führt Leid und Schmerz - wie dieses Lied singt – wirklich näher zu Gott? Das kann man sich fragen. Oder bewirkt es nicht eher das Gegenteil? Nirgends spürt man doch die Abwesenheit Gottes stärker als im Schmerz und im Leid. Nichts lässt stärker mit Gott hadern, an ihn zweifeln, ihn sogar verfluchen wie Schmerz und Leid.
Es bringt mich immer zum Nachdenken, dass von den 150 Psalmen, die in der Bibel stehen, die meisten Psalmen Klagepsalmen sind, die Gott mit Fragen konfrontieren, die Leid nicht einfach so hinnehmen, sondern rebellieren. Hören wir ein paar Sätze aus einem solchen Klagepsalm, dem Psalm 13:

Herr! Hast du mich für immer vergessen?
Wie lange willst du dich denn noch verbergen?
Wie lange sollen mich die Sorgen quälen,
der Kummer Tag für Tag an meinem Herzen nagen?...

Sieh mich doch wieder an, Herr!
Gib mir doch Antwort, du mein Gott!
Mach es wieder hell vor meinen Augen,
damit ich nicht in Todesnacht versinke!....

Moderne Dichter nehmen diese Gattung der Klagepsalmen auf verarbeiten in aufrührenden Gebeten ihren Schmerz. Eine schmerzgeplagte Dichterin war die Österreicherin Christine Lavant.
„Kunst wie meine ist nur verstümmeltes Leben“ – schreibt sie in einem Gedicht.
Von Kindheit an mit Krankheit geschlagen,
verkrüppelt und verunstaltet,
halb blind, halb taub, kontaktarm,
gegen Mensch und Gott misstrauisch,
von kaum jemandem wirklich verstanden
bleibt ihr, so scheint es,
als einzig verlässlicher Partner
nur ein verborgener Gott,
gegen dessen Schweigen sie ankämpft
mit der unerhörten Sprache
einer vom Leben und Leiden Geplagten.

Hören wir eines ihrer Klagegedichte, auch „Lästergebete“ genannt

Das war mein Leben, Gott, vergiss das nicht!
ich werde niemals wieder eines haben -
du kannst’s verzögern, dass sie mich begraben
und dass mein Herz an diesem Kummer bricht;
doch seither bin und bleib ich eine Leiche.
Sag nicht, so viele hätten schon das gleiche
mit deiner Hilfe herrlich überstanden
und wären fromm und Heilige geworden.
Mein Leichnam tobt und will sich noch ermorden
und die dazu, die dich als Trost erfanden,
dort, wo du niemals wirklich wirksam bist.
An meinen Nerven zehrt ein Wolf und frisst -
bist das auch du? Und wühlt denn deine Hand
in meinem Häuflein glimmernden Verstands
so grob herum und hält mich überwach,
wenn alle schlafen? - Gott, sag das nicht nach,
sag keins der lauen Worte deiner Frommen!
Ich will ja nicht in ihren Himmel kommen!
Nur einmal noch - bevor sie mich begraben -
lass mich im Traum ein Fünklein Liebe haben.

Sind das wirklich Lästergebete?
Dieses Hinausschreien des Schmerzes
ist das wirklich Gotteslästerung
Sie ruft, bittet, klagt, stellt Fragen,
wartet, so scheint es,
vergeblich auf Antwort,
will aber, wie der Beter des Klagepsalms
durch alle Bedrängnis hindurch
nicht von Gott los,
sondern nur wissen,
was mit Gott los ist.
Wie der Beter eines Klagepsalms
schluckt sie die Not nicht hinunter,
sondern schreit sie aus sich heraus.
Ihre letzte Hoffnung bellt sie heraus
wie ein vergessener Hund am andern Rand der Welt.
Ein mächtig-ohnmächtiger Aufschrei aus dunkler Nacht.
Ein einsames, isoliertes, gequältes Herz,
das unerhört nach Gott ruft.

Ist das wirklich gelästert, wenn die Dichterin hofft, dass Gott anders ist als der Gott der Frommen. Inständig bittet sie, er möge die Sprache der Frommen nicht nachsprechen. Ist es wirklich gelästert, wenn ein Mensch darauf hofft, dass Gott die Kraft hat, ihr jenes ersehnte „Fünklein Liebe“ doch noch zu ermöglichen?

Ist nicht das Aufbegehren der Protest gegen das Leid nicht inständigstes Gebet? Ein RAUM, in dem Menschen ihr Leid durchschmerzen und versuchen, damit fertig zu werden?

Ein Ort an dem sie Gott inständig bitten:
Shine your light – Lass dein Licht in und für mich leuchten!


Lied „Shine your light“
„schmerzRAUM“ heißt der Titel unserer Ausstellung.
Sie will uns anregen, um über Räume nachzudenken, die für Menschen eine Hilfe sind, Schmerzen zu bewältigen.
Eines muss uns klar sein: Solange es Leben gibt, gibt es Schmerzen. Wir träumen so oft von einem Rosengarten ohne Dornen auf Erden, aber Gott hat uns nie einen solchen versprochen. Eines müssen wir uns klar sein: Auch der Glaube bewahrt nicht vor allem Leid, aber ich hoffe darauf, dass er in allem Leid bewahrt und Kraft zum nächsten Schritt gibt.

Gott hat uns auf Erden nie einen Rosengarten versprochen. Aber seit 2000 Jahren lebt der Traum von einem RAUM, in dem der Schmerz ein Ende hat. Der Traum vom diesem RAUM wird am Ende der Bibel im Buch der Offenbarung geträumt und heißt das himmlische Jerusalem, das gotische Kirchen in ihrer Architektur immer nachbilden wollen. Der Seher Johannes malt diesen Raum mit folgendem Bild:

Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
auch das Meer ist nicht mehr


Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
von Gott her aus dem Himmel herabkommen;
sie war bereit wie eine Braut,
die sich für ihren Mann geschmückt hat.


Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen:
Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen!
Er wird in ihrer Mitte wohnen,
und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.


Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen:
Der Tod wird nicht mehr sein,
keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.
Denn was früher war, ist vergangen.



Am Ende dieser Stunde soll noch einmal ein Lied stehen. Es ist wieder ein Vater, der ein Kind verloren hat. Der Sänger Eric Clapton malt angesichts des Todes seines Sohnes in diesem Lied seine Hoffnung von einem RAUM ohne Schmerz und Leid in Anlehnung an das Bild des himmlischen Jerusalems. Der Liedtext lautet:

Wenn ich Dir jetzt da oben im Himmel begegnen würde,
würdest Du mich dann wiedererkennen?
Wüsstest Du überhaupt noch, wie ich heiße?
Wäre dann alles wieder wie vorher?
Würdest Du mir die Hand geben, mich festhalten, mir helfen?
Ich muss halt stark sein. Weitermachen.
Weil ich nicht dahingehöre, wo Du jetzt bist.
Aber ich werde es schaffen, weil ich nicht da bleiben kann,
wo Du jetzt bist.
Zeit. Zeit kann Dich kaputtmachen, kleinmachen, brechen.
Dich in die Knie zwingen, Dich soweit runterholen,
dass Dein Stolz zerstört wird und Du zum erstenmal wieder um etwas bitten kannst.
Ich stehe vor dieser Tür, und Du bist dahinter.
Du und Frieden.
Weil es im Himmel keine Tränen gibt.
Davon bin ich überzeugt

Lied: Tears in heaven

Schließen wir den Abend mit einem Abendgebet unserer Kirche. Ich lade sie ein, dieses Gebet mitzusprechen.

Bleibe bei uns, Herr,
denn es will Abend werden,
und der Tag hat sich geneigt.
Bleibe bei uns
und bei deiner ganzen Kirche.
Bleibe bei uns
am Abend des Tages,
am Abend des Lebens,
am Abend der Welt.
Bleibe bei uns
mit deiner Gnade und Güte,
mit deinem heiligen Wort und Sakrament,
mit deinem Trost und Segen.
Bleibe bei uns,
wenn über uns kommt
die Nacht der Trübsal und Angst,
die Nacht des Zweifels und der Anfechtung,
die Nacht des bitteren Todes.
Bleibe bei uns
und allen deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit.

Lied: This little light


Pfarrer Stefan Mai

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