Warum ausgerechnet der Hals?

Predigt zum Blasiustag 2014 in Zeubelried

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welches Wunderwerk unser Hals ist, welche Funktionen dieser besondere Körperteil hat? Unser Hals ist multifunktional:
Durch den Hals führt die Speiseröhre die Nahrung zum Magen. Durch die Luftröhre fließt der Atem in die Lunge.
Im Kehlkopf sitzen unsere Stimmbänder. Und die Sprache zeichnet doch unser Menschsein aus.
Durch die Halsschlagader wird unser Hirn mit sauerstoffreichem Blut versorgt.
Wichtige Nervenbahnen laufen vom Gehirn aus durch den Halswirbelkanal.
Unser Hals ist sehr beweglich und kann unseren Kopf hin- und herdrehen.
Er ist eine sensible und empfängliche Stelle für Zärtlichkeit.
Und irgendwo kommt es mir vor, als wäre der Hals im übertragenen Sinn eine Art Verbindungsstelle zwischen Kopf und Herz.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welche Bildworte es zum Hals gibt und was sie ausdrücken wollen?
- da kann einer den Hals nicht voll kriegen
- da steht einem das Wasser bis zum Hals
- das hängt mir zum Hals raus
- da habe ich einen Kloß im Hals
- jemandem schlägt das Herz bis zum Hals
- einer handelt Hals über Kopf
- oder steckt bis zum Hals in etwas
- da hat einer jemanden am Hals
- oder will sich jemanden vom Hals schaffen
- ich dreh dir gleich den Hals um, schreit einer in Wut
- der riskiert seinen Hals, heißt es von einem Wagemutigen
Wenn eine brenzlige Situation gemeistert ist, sagt man:
- der hat den Hals nochmals aus der Schlinge gezogen.
Wenn nicht:
- es hat ihm das Genick gebrochen
- aus vollem Hals werden Lieder gesungen,
- es kann einem aber auch die Stimme verschlagen
- ich hab so einen Hals, schreit eine in Wut
- und einer anderen schnürt es vor Angst die Kehle zu.

Haben Sie es gemerkt?
Mit dem Hals werden viele psychosomatische Empfindungen und Verstimmungen ausgedrückt. Mit den Redewendungen vom Hals schildert die Volksseele, wie Menschen fühlen, worunter sie leiden und welches Lebensgefühl sie haben.

In Erinnerung an den Arzt Blasius, der im Gefängnis den kleinen Jungen, dem eine Fischgräte im Hals steckenblieb, half, damit er wieder frei atmen konnte, lassen wir uns die Kerzen anlegen. Der Legende nach soll Blasius, ehe man ihn tötete, zu Gott gebetet haben: Die Bitten aller Menschen, die ein Leiden an ihrem Hals oder sonst eine Krankheit hätten und in seinem Namen Gesundheit begehrten, mögen erhört werden.
Für mich ist es viel zu kurz gedacht: Der Blasiussegen bewahrt dich vor Halskrankheiten. Der Blasiussegen als Art Versicherung gegen Mandelentzündungen.

Wenn wir uns die Kerzen an den Hals legen lassen, dann drückt das für mich die große Sehnsucht und den tiefen Wunsch nach geglücktem Leben aus. Das hat mit den Bildern vom Hals zu tun:
Denn das wissen wir: Wer zuviel hinunterschluckt, dem schlägt sich‘s auf den Magen oder dem geht es an die Nieren. Das bekommen so viele Menschen zu spüren, die Verletzungen und Kränkungen zu lange einfach in sich hineinfressen. Wie gut ist es dann, wenn Menschen sich wieder Luft machen können.
Wie viele Menschen leiden unter der Kälte am Arbeitsplatz oder in ihren Beziehungen. Das einzige Mittel gegen Kälte und Vereinsamung in unserer Gesellschaft ist Wärme und Mitgefühl, das sagen mir die brennenden Kerzen.
Jeder von uns weiß, wie schwer es ist, nach Schicksalsschlägen oder in gestörten Beziehungen wieder die Sprache zu finden, und wie befreiend es ist, wenn Menschen wieder füreinander Worte finden.
Und eine der schlimmsten Krankheiten unserer Zeit ist, dass wir den Hals nicht mehr voll kriegen. Kein Wunder, dass uns dann einfach alles ankotzt oder wir zum Platzen voll sind mit Dingen, die wir eigentlich gar nicht brauchen.

Liebe Leser,
der Blasiustag regt uns wieder einmal an, auf unseren Hals zu achten und was in ihm vorgeht. Ich denke, es wäre eine gute Übung: Wenn ich heute nach vorn gehe und mir die Blasius-Kerzen anlegen lasse, mir einmal ganz ehrlich die Frage zu stellen: „Wovon möchte ich da eigentlich geheilt werden?“


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de