Wer stärkt heute den Rücken?

Predigt zum Sebastiani-Tag in Oberschwarzach 2014

Die Legende Aurea, die berühmteste mittelalterliche Legendensammlung über die Heiligen, erzählt zu Beginn der Lebensbeschreibung vom heiligen Sebastian folgendes:

Die Zwillingsbrüder Marcellianus und Marcus, die zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian Christen geworden waren, wurden vor Gericht verhört und ihnen wurde angedroht, dass sie enthauptet werden, wenn sie ihrem Glauben nicht abschwören. Da kamen die Eltern der beiden und bettelten sie an, sie mögen doch den Glauben verleugnen und um ihretwillen am Leben bleiben. Die Mutter stand mit aufgelöstem Haar und zerrissenen Kleidern vor ihren Söhnen und wies sie auf das Leid hin, das sie ihr mit ihrem Entschluss antäten, lieber zu sterben als ihren Glauben abzuschwören. Während sie mit bewegten Worten klagte und weinte, wurde der greise Vater hereingeführt. Er hatte Asche auf sein Haupt gestreut und schrie, seine Söhne möchten sich doch erbarmen und nicht willentlich in den Tod gehen. Als nun auch noch Freunde herbeieilten, um die beiden umzustimmen, da krampfte sich ihr Herz in der Brust zusammen und fast wären sie schwankend geworden. In diesem Augenblick trat Sebastian aus der Menge und ging auf die beiden mit den Worten zu: „Bleibt stark und lasst euch nicht die Krone rauben durch Bitten und süße Worte.“ Zu den Eltern sagte er: „Fürchtet euch nicht, denn diese beiden werden nicht von euch geschieden, sondern sie gehen hin, dass sie eine Wohnung für euch bereiten. Die Verfolgung, die wir hier leiden, glüht heute und ist morgen verraucht, in einer Stunde nimmt sie ein Ende.“
Marcellianus und Marcus blieben standhaft und nahmen das Martyrium auf sich.

Bevor Sebastian selbst ins Visier der Christenverfolger gerät, wird er als ein Mann geschildert, der anderen Christen den Rücken stärkt, der auf dem Weg zu ihnen in die Gefängnisse ist und ihnen Mut zuspricht, der für ein radikales Bekenntnis zu Christus eintritt, ohne Wenn und Aber.

Diese Zeit ist weit weg von unserer Lebenswirklichkeit - diese Zeit der Christenverfolgung. Im Gegensatz zu den Christen der damaligen Zeit und zu vielen Christen in anderen Ländern, in denen sie wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sind wir in Watte gehüllt.

Aber stellen Sie sich einmal vor:

Da sitzen im Büro ein paar Arbeitskollegen zusammen und ziehen über die Skandale der Kirche her. „Ich bin doch nicht blöd und zahl für so einen Verein Kirchensteuer. Das Geld spare ich mir lieber für einen dritten Urlaub im Jahr auf. Da hab ich wenigstens was davon.“

Oder: Die Freundesclique geht am Samstagabend aus. Sie sitzen zusammen. Und da nimmt einer den 18-jährigen Markus hoch und meint: „Na, Markus, wenn wir morgen am Sonntag bis in den Nachmittag hinein schlafen, springt der fromme Markus früh um zehn schon wieder in die Kirche. Du hast wohl am Sonntag nichts Gescheiteres vor. So blöd möchte ich bloß sein!“

Oder: Da erzählt im Freundinnenkreis eine junge Mutter: „Also ich weiß gar nicht, was in unsere Kleine gefahren ist. Die ist so begeistert von ihrer Religionslehrerin und will jetzt sogar eine Kinderbibel zum Lesen. Die Geschichten vom Alten Testament sind so spannend, sagt sie, und lässt sich nicht davon abbringen. Sie will unbedingt jetzt eine schöne Kinderbibel. Ich weiß gar nicht, wie man ihr die frommen Flausen aus dem Kopf treiben soll.“

Liebe Leser,
wo bleibt da im Personalraum der Sebastian unserer Tage, der aufsteht und sagt:“ Also du bist doch ein alter Egoist. Du kannst doch nicht dauernd den Prunkbau von Limburg als Entschuldigungsgrund für deinen Kirchenaustritt vor dir hertragen und ignorieren, welche sozialen Projekt die Kirche auf der ganzen Welt auf die Beine gestellt hat. Du wärst für mich glaubwürdiger, wenn du mit dem Geld soziale oder kulturelle Projekte unterstützen würdest, anstatt alles in den eigenen Säckel zu stecken.“

Wo bleibt da in der Jugendclique der Sebastian unserer Tage, der sagt: „Respekt, dass da noch einer den Mut hat, quer zum Zeitgeist zu stehen, den Sonntag nicht zum phantasielosen Schlaftag verkommen und sich dafür auch noch auslachen lässt.“

Wo bleibt da im Freundinnenkreis der Sebastian unserer Tage, der kontert: „Du willst doch sonst deine Kinder in allem fördern, was ihnen Spaß macht und wofür sie Interesse haben und karrst sie jeden Tag dafür woanders hin. Vielleicht hilft ihr im späteren Leben die Weisheit dieser alten Geschichten mehr als alles andere.“

Liebe Leser,
wir feiern heute in Oberschwarzach wieder nach alter Tradition den Sebastianitag zu Ehren des hl. Sebastian mit „klingendem Spiel und bewaffneter Mannschaft“. Die größte Ehre für ihn ist, wenn Menschen sich gegenseitig im Glauben den Rücken stärken und sich des Glaubens in unserer Zeit nicht schämen, so wie es Sebastian konsequent vorgelebt hat.


Fürbitten

Herr, unser Gott, zu Ehren des hl. Sebastian feiern wir diesen Gottesdienst. Wir bitten dich:

Um Aufrichtigkeit für alle, die in Politik und Gesellschaft eine wichtige Position innehaben. Gib ihnen den Mut, Probleme nicht zu verschleiern und schönzureden, sondern offen anzusprechen.

Um Ehrlichkeit für alle, die in unserer Kirche Verantwortung tragen. Gib ihnen den Mut, ihre Unsicherheit nicht zu verheimlichen, sondern gemeinsam mit den Gläubigen nach einem guten Weg in die Zukunft suchen.

Um Überzeugungskraft für alle, die Gottes Wort verkünden. Gib ihnen den Mut, sich nicht hinter Formeln zu verstecken, sondern lebendig und klar das Evangelium zum Klingen bringen.

Um Geradlinigkeit für alle, die ihr Fähnchen gern nach dem Wind hängen. Gib ihnen den Mut, sich nicht vom Trend der Zeit abhängig zu machen, sondern - wenn nötig - auch gegen den Strom zu schwimmen.

Um Entschiedenheit für uns selbst. Gib uns den Mut zu unserem Glauben zu stehen, für ihn einzutreten und uns auch für ihn einsetzen

Um deine Güte und Erbarmen für unsere Verstorbenen. In diesem Gottesdienst denken wir an.........................................................

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de