Was „dick werden“ und „Christ werden“ gemeinsam haben

Predigt zur Taufe des Herrn 2014

Einleitung

Bei der Autofahrt bekam ich vor kurzem auf Bayern 1 eine Hörerbefragung mit, wann die Christbäume und Krippen aus den Wohnungen verschwinden sollen. Bei den einen sind die Christbäume schon nach den Weihnachtsfeiertagen aus den Wohnzimmern geflogen, schließlich standen sie ja schon im halben Advent, dass man etwas von ihnen hat. Die anderen warten bis Dreikönig und wollen dann mit einem Generalputz einen neuen Duft in die Wohnung bringen. Ein - wenn auch wesentlich geringerer Teil - möchte die Weihnachtsstimmung bis zum Lichtmesstag bewahren.

Auch in den Kirchengemeinden kommt es manchmal zur Diskussion: Wie lange lassen wir denn den Christbaum und die Krippe stehen? Offiziell endet nach dem liturgischen Kalender mit dem heutigen Fest der Taufe Jesu die Weihnachtszeit. Die einen sagen: Also raus mit dem Weihnachtsschmuck. Die anderen meinen: Früher hat man den Weihnachtsbaum und die Krippe immer in den Kirchen bis Lichtmess stehen lassen.

Ehrlich gesagt. Ich bin da relativ leidenschaftslos. Ich frage mich vielmehr: Schwingt von dem, was wir an Weihnachten feiern, etwas mit in das gesamte Jahr hinein. Sind wir Festtagschristen oder Alltagschristen?

Predigt

In den Tagen nach Weihnachten hören wir es wieder oder stimmen auch selbst mit ein in das Gejammer über die steigenden Pfunde. Bei den einen haben sich die Pfunde auf die Hüften geschlagen, bei den anderen ist das Bäuchlein gewachsen, die Hose enger geworden oder das Hemd spannt. Schuld daran sind natürlich die Plätzchen, die Gans oder die geleerten Fläschchen Wein. Und wir kennen alle die Sprüchli: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen“. Und wir kennen sie auch die vielen guten Vorsätze: „Im neuen Jahr, da wird es anders!“

Zu diesem Gejammer meint ein Gesundheitsberater: „Dick wird man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.“ Dieser griffige Merksatz leuchtet mir ein: Mein Gewicht hängt nicht von ein paar üppigen Mahlzeiten während der Festtage ab, sondern von meinen Essgewohnheiten das ganze Jahr über.

Ich möchte heute diesen Rat des Gesundheitsberaters ein klein wenig verändern, mit dem Austausch nur eines einzigen Wortes: „Christ wird man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.“ Das heißt anders ausgedrückt: Nicht die feierlichen Weihnachtsgottesdienste allein machen mich stärker im Glauben, sondern ein weihnachtliches Leben zwölf Monate hindurch.
Wie wir das probieren könnten, das legen uns Figuren nahe, von denen wir in den Weihnachtstagen in den Evangelien wieder gehört haben: Die Sterndeuter, die Hirten, Maria. Sie geben uns drei Ideen mit auf den Weg, wie wir dieses „weihnachtlich leben“ im neuen Jahr probieren könnten:

Sterndeuten wie die Weisen.
Weitererzählen wie die Hirten.
Innehalten wie Maria.


Sterndeuten wie die Weisen. An diesen Männern aus dem Osten fasziniert mich, dass sie genau beobachten, was in ihrer Welt geschieht, was sich verändert. Was sich an Neuem und Ungewohntem in ihrem Leben zeigt. Und dass sie dann überlegen, was diese Entdeckungen für sie bedeuten. „Die Zeichen der Zeit erkennen“, nennt das II. Vatikanische Konzil diese Lebenshaltung: Wach und aufmerksam sein für das, was um uns herum, in unserer Gesellschaft, in unserer Kirche geschieht und dann überlegen, welche Konsequenzen wir aus diesen Wahrnehmungen ziehen könnten.

Ein zweiter Baustein für ein weihnachtliches Leben, das sich nicht nur auf wenige Tage im Jahr beschränkt: Weitererzählen wie die Hirten. Diese können ihre Erfahrungen und ihre Freude nicht für sich behalten. „Sie erzählten, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. „Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten“, heißt es im Weihnachtsevangelium. Der frühere belgische Kardinal Leo-Joseph Suenens hat einmal bedauernd festgestellt: „Das Drama der Kirche ist heute nicht, dass die Menschen nicht bereit wären, von Christus zu hören, sondern dass viele Christen nicht bereit sind, von ihm zu reden.“ Und das wissen wir: Weitererzählen von Jesus, das geschieht nicht nur mit Worten. Das geschieht noch überzeugender ohne viele Worte, durch die Sprache der Hilfsbereitschaft, der Freude, der Herzlichkeit.

Ein dritter Baustein: Innehalten wie Maria. Von ihr heißt es: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Ich weiß es nicht mehr, welcher bekannte Mann es war. Als man ihn fragte, was er für das oberste Gebot unserer Zeit sehe, gab er eine äußerst knappe Antwort. Er meinte: „Nachdenken, nachdenken!“ Das heißt, nicht einfach die Parole-Wörter unserer Zeit kritiklos übernehmen, sondern sie hinterfragen, nicht einfach gleich mitrennen, wenn es um den neuesten Schrei geht. Das heißt aber auch: Alles, was ich erlebt und erfahren habe, überdenken und neu nach vorne denken. Menschen, die tief gründen, die erst denken, bevor sie schwätzen; die eine innere Ruhe ausstrahlen, wie gut tun diese einer aufgeregten, schnellen und lauten Zeit!

Liebe Leser, „Christ wird man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.“
„Ich werde Weihnachten im Herzen ehren und versuchen, es das ganze Jahr hindurch aufzuheben,“ las ich vor kurzem.
Haben Sie bemerkt? Die Weihnachtsfiguren Sterndeuter, die Hirten und Maria schlagen uns hierfür konkrete Wege vor.

Die Anregung zu dieser Predigt verdanke ich Wolfgang Raible, Anzeiger für die Seelsorge 1/2014, S. 30


Pfarrer Stefan Mai

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