Maria und Josef – ein Paar?

Familiensonntag 2013

Einleitung
Nicht weil Weihnachten in den Köpfen der Menschen ein Familienfest ist und der Wunsch nach einer heilen Familie zu den größten Sehnsüchten der Menschheit gehört, wurde das Fest der heiligen Familie eingeführt. Die Wurzeln für dieses Fest liegen nicht allzu lang zurück: 1920 erst wurde das Fest verbindlich für die gesamte kath. Kirche eingeführt. In einer Zeit der großen gesellschaftlichen Umbrüche in der Zeit der beginnenden Industrialisierung. Man hat gespürt: Familie zu leben ist nicht allein Sache des guten Willens. Oft genug spielen auch äußere Faktoren eine gewichtige Rolle. Und mit denen müssen Menschen zurechtkommen.

Predigt
Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen: In unserer Kirche dürfen Maria und Josef niemals ein Paar sein. Sie haben getrennte Feiertage. Ganz nebenbei bemerkt: Maria hat viel mehr davon als Josef.
Und: Die beiden sind in unseren Kirchen schön auf zwei Altäre verteilt. Rechts der heilige Josef mit der Lilie oder mit Jesus in seiner Werkstatt – und links Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß.
Und diese Trennung spiegelte sich lange im Kirchenraum wider: Rechts war die Bubenseite, links die Mädchenseite. Weiter hinten saßen rechts die Männer, links die Frauen.
Nur an Weihnachten durften sie zusammen sein, Maria und Josef. Genau wie es im Lukasevangelium steht: „Die Hirten eilten hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (Lk 2,16). Aber auch hier hat man es beiden schwer gemacht, wirklich ein Paar zu sein: Auf vielen Darstellungen ist Maria jung, Josef dagegen alt – und muss sich etwas abseits bei den Tieren auf einen Stock stützen, um so ja nicht als Vater des Kindes in Frage zu kommen.
Eigentlich verwunderlich, wo doch unsere Kirche so viel auf Ehe und Familie hält. Wo sie doch gerade am heutigen Sonntag das hohe Ideal der harmonischen, gläubigen Familie singt.


Im Tagesgebet heißt es: „In der heiligen Familie hast du uns ein leuchtendes Vorbild geschenkt. Gib unseren Familien die Gnade, dass auch sie in Frömmigkeit und Eintracht leben und einander in der Liebe verbunden bleiben.“
Aber wir wissen aus Statistiken: Diese Musterfamilien sind die absoluten Ausnahmen. Die Wirklichkeit steht auch da im krassen Kontrast zu den Idealen. Die Scheidungsraten sind im gesamten westlichen Kulturkreis auf Rekordhöhen geschnellt. In Europa werden immer mehr Kinder unehelich geboren. Vor 50 Jahren waren es in der BRD 7%, heute sind es über 30%. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sogar mehr als 60%. Zwar gehen etliche Paare nach der Geburt eine Ehe ein, doch wachsen Kinder zusehends in instabilen Partnerbeziehungen auf.
Das kirchliche Ideal von der „heiligen Familie“ und die empirische Realität klaffen auseinander. Angesicht dieser veränderten Lage hilft es nicht, ein hohes Ideal zu beschwören – und die Augen vor der Realität zu verschließen.
Hellhörig macht, dass ausgerechnet der Papst, der den Wert von Familie hochschätzt, in einer weltweiten Befragung wissen will: Wie schaut es in unseren Familien wirklich aus? Jeder kann über Internet darauf antworten. Und das Ergebnis dieser Umfrage will Papst Franziskus aus Ausgangspunkt nehmen für die bischöflichen Beratungen darüber, wie Kirche für „Familien“ von heute eine Hilfe sein kann.


Die Richtung hat er selbst schon gewiesen, in seiner allerersten Ansprache bei seiner Einführung auf dem Petersplatz. Er hat von einer Berufung zum „Hüten“ gesprochen und gesagt: Sie besteht darin, „die Menschen zu hüten, sich um alle zu kümmern, um jeden einzelnen mit Liebe, besonders um die Kinder, die alten Menschen, um die, welche schwächer sind und oft in unseren Herzen an den Rand gedrängt werden.“
Vielleicht sehen in Zukunft Familienbilder anders aus. Vielleicht geht es nicht mehr in erster Linie um rechtliche Unterscheidungen, sondern um diese menschliche Haltung des „Hütens“: „Familie“ ist dort, wo Menschen schützend den Arm umeinander legen und füreinander Verantwortung übernehmen.


Fürbitten Familie
In unserer Zeit erleben wir, dass „Familie“ viele Formen annehmen kann. Herr, unser Gott, höre du unsere Bitten:
- Wir beten für alle Menschen, die das Glück haben, in einer intakten Familie leben zu dürfen
- Wir beten für alle Menschen, die in zerrütteten und schwierigen Familienverhältnissen groß werden
- Wir beten für alle Partner, die keinen Weg mehr zueinander finden konnten und sich getrennt haben
- Wir beten für alle, die nach einer gescheiterten Beziehung ein zweites Mal wagen, sich auf eine Partnerschaft einzulassen
- Wir beten für alle, die einer Patchwork-Familie neuen Lebenssinn und einen neuen Aufgabenbereich suchen
- Wir beten für alle, die trotz Sehnsucht nach Familie allein geblieben sind
- Wir beten für unsere verstorbenen Familienangehörigen


Pfarrer Stefan Mai

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