Stefanus – ein Störenfried

Stefanustag 2013

Einleitung
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, lautet ein chinesisches Sprichwort. Winde, die einem ins Gesicht blasen, sind unangenehm. Normalerweise schützt man sich vor ihnen.
Aber sie könnten genutzt werden als Energie für neue Entwicklungen.
Auch an den Weihnachtsfeiertagen - nämlich heute … - gibt es einen, der bläst Gegenwind in die harmonische Weihnachtsstimmung.

Predigt
Wer wünscht sich das nicht, als Vorgesetzter: ein Team, in dem alles glatt läuft; Leute, die mitmachen; am besten stromlinienförmige Mitarbeiter, wo kein Widerspruch laut wird, wo alle an einem Strang ziehen, wo alles wie am Schnürchen klappt und reibungslos verläuft.
Einmal ehrlich: Wer von uns wünscht sich schon Leute, die ständig nachfragen und anfragen; die ständig etwas zu meckern haben; denen nichts gut genug ist; die nie mit dem Erreichten zufrieden sind. Kurz gesagt: Wer arbeitet schon gerne mit Querulanten zusammen?
Ob wir’s wollen oder nicht: Am heutigen Feiertag steht uns ein Querulant per excellence vor Augen. Er bemängelt, dass in der Urgemeinde von Jerusalem die griechisch-sprechenden Witwen bei der Versorgung benachteiligt werden – und fordert Gleichstellung mit den Einheimischen, die Hebräisch sprechen.
Und damit nicht genug: Was diesen hebräisch sprechenden Juden hoch und heilig ist, der Tempel von Jerusalem, ist für ihn Anlass zur Kritik. Stefanus steht dafür ein, dass dieser Gott sich nicht in einen Tempel einsperren lässt, sondern überall erfahrbar ist (vgl. Apg 744-50). So ein Mann wird von den Tempelpriestern und Schriftgelehrten als ein Störenfried empfunden.
Aber Stefanus fühlt sich in bester Gesellschaft. Denn er weiß: Da gab es nicht lange vor ihm einen, der die gleiche Linie vertreten hat. Der auch Sprüche gegen den Tempel losgelassen und behauptet hat: Mag er noch so schön sein: Nichts wird davon übrig bleiben.
Einen der gegen die Tieropfer im Tempel gewettert und behauptet hat: Gott gefällt es viel besser, wenn Menschen zueinander menschlich und barmherzig sind, als wenn sie den Rauch von Hunderten von Opfertieren zum Himmel steigen lassen (vgl. Mt 9,13).
Das machte Angst, das stellte die Grundfesten der Tempelpriesterschaft in Frage. Also musste der Störenfried verschwinden: Jesus von Nazaret.
Stefanus schlägt in die gleiche Kerbe. Und die andern schlagen auch bei ihm in gleicher Weise zu. Wie Jesus wird auch Stefanus zur Stadt hinausgetrieben – und dort getötet.
Und auch in seinem Sterben tritt Stefanus in die Fußstapfen dieses Jesus – und betet für seine Verfolger.
Liebe Leser,
für mich stellt dieser Stefanus als erster Nachfolger Jesu an uns Christen die große Frage: Haben wir noch den Mut, Störenfriede zu sein? Haben wir noch den Mut, nicht überall auf lieb Kind zu machen und einfach brav mitzuspielen? Haben wir den Mut, den Mund aufzumachen, wenn von Politikern oder Kirchenmännern etwas anderes in den Mittelpunkt gestellt wird als der Mensch? Haben wir den Mut, zur Nachfolge Jesu zu stehen, wenn sie uns nicht nur keine Vorteile, sondern Nachteile bringt?
Ich bin davon überzeugt, solche Störenfriede sind wichtig für jede Organisation, solche die sie sich selbst treu bleiben und zum Guten weiterentwickeln wollen.

Fürbitten Stefanus
Guter Gott, das Beispiel des Stefanus fordert uns heraus. Wir bitten dich:
- Sei denen nahe, die verleumdet und diffamiert werden, weil sie sich für Gerechtigkeit einsetzen
- Stärke alle Menschen, die sich wegen ihres Engagements für die Armen in Lebensgefahr befinden
- Ermutige die Christen in allen Ländern, in denen die Lebenssituation für sie immer schwieriger wird
- Schenke denjenigen, die sich für eine Verständigung unter den Religionen einsetzen, den Geist der Beharrlichkeit und Versöhnung
Gott, lass uns in den Auseinandersetzungen unseres Lebens nicht mutlos werden, sondern stärke uns immer wieder mit deinem heiligen Geist.



Pfarrer Stefan Mai

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