Ein Kind ist uns geboren

Christmette 2013

Mette – Einführung
Jerusalem 639 v. Chr. Ein Volk ist am Boden. Zappenduster. Die Stimmung auf dem Nullpunkt. Keine Hoffnung. Keine Aussicht. Überall assyrische Soldaten. Das Volk wird durch Steuern und Willkür geknechtet und ausgenutzt. Niemand sieht einen Hoffnungsschimmer.
Da steht ein Mann auf namens Jesaja. Er tritt vor das Volk – mit einer neuen Botschaft.

Lektor tritt mit Schriftrolle in der Hand ans Mikrophon

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht;
über denen, die im Land der Finsternis wohnen,
strahlt ein Licht auf.
Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude.
Man freut sich in deiner Nähe,
wie man sich freut bei der Ernte,
wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
Denn wie am Tag von Midian
zerbrichst du das drückende Joch,
das Tragholz auf unserer Schulter
und den Stock des Treibers.
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft,
jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist,
wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
Denn uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns geschenkt.
Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter;
man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber,
Starker Gott,
Vater in Ewigkeit,
Fürst des Friedens.
Seine Herrschaft ist groß,
und der Friede hat kein Ende.
Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich;
er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit,
jetzt und für alle Zeiten.
Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen. (Jes 9,1-6)

Pr: Da, schaut hin!

Mehrere Kerzenträger begleiten die Person, die das Krippenkind in die Kirche trägt
Organist intoniert GL 844 „Ein Kind ist uns geboren“
Alle stellen sich im Altarraum auf – dann wird Ps 72 vorgelesen – mit dem Kehrvers GL 844
KV „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, Halleluja“


L1: Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König,
dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit
und deine Armen durch rechtes Urteil.
KV


L2: Dann tragen die Berge Frieden für das Volk
und die Höhen Gerechtigkeit.
Er wird Recht verschaffen den Gebeugten im Volk,
Hilfe bringen den Kindern der Armen,
er wird die Unterdrücker zermalmen.
KV

L1: Er soll leben, solange die Sonne bleibt und der Mond,
bis zu den fernsten Geschlechtern.
Er ströme wie Regen herab auf die Felder,
wie Regenschauer, die die Erde benetzen.
KV

L2: Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen
und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.
Er herrsche von Meer zu Meer,
vom Strom bis an die Enden der Erde.
KV

L1: Vor ihm sollen seine Gegner sich beugen,
Staub sollen lecken all seine Feinde.
Denn er rettet den Gebeugten, der um Hilfe schreit,
den Armen und den, der keinen Helfer hat.
Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen,
er rettet das Leben der Armen.
KV

Kind wird in die Krippe gelegt. Dabei Gloria (“Tochter Zion, freue dich”). Inzens

Predigt
Die Spannung in der Kairoer Markuskathedrale ist mit Händen zu greifen. Fast drei Stunden lang haben die koptischen Christen Messe gefeiert und um Gottes Beistand für die Wahl ihres neuen Papstes gebetet. Jetzt endlich findet die Wahl statt.
Ein Kind, dem die Augen verbunden sind, greift in einen Kristallkelch. Darin liegen drei Kugeln. Jede enthält einen Papierstreifen mit dem Namen eines Kandidaten. Von verschiedenen Gremien hatten sie zuvor die meisten Stimmen erhalten. Anwesend sind sie jedoch nicht. Sie haben sich in ein Kloster zurückgezogen.
Als neuer koptischer Papst ist bestimmt, wessen Name das Kind aus dem Kristallkelch zieht. Das Kind übergibt die gezogene Kugel dem Zelebranten, dieser öffnet sie feierlich und zeigt den Namen des Neugewählten nach allen Seiten unter frenetischem Beifall. Die wichtigste Entscheidung ihrer Kirche legen die Kopten in die Hände eines kleinen Kindes.
Auch im tibetischen Buddhismus gibt es diese Tradition: Der heute weltberühmte Dalai Lama wurde als kleines Kind zum Oberhaupt der tibetischen Mönchsrepublik ausgewählt. Er war das Kind ganz einfacher Bauern. Eines Tages kamen buddhistische Mönche in das entlegene Dorf und legten dem Zweijährigen verschiedene Spielzeuge vor, darunter eine Gebetskette des alten Dalai Lama. Die Mönche fragten den Kleinen: „Was gehört dir?“ – und er griff sofort nach der Gebetskette.
Für die Mönche ein Zeichen, dass in ihm der Geist des alten Dalai Lama weiterlebt. Bis heute ruht auf diesem ehemals kleinen Bauernbuben die Hoffnung der tibetischen Mönche – und viele Menschen in der westlichen Welt schauen und hören auf ihn.
Liebe Leser,
der Liedermacher Herbert Grönemeyer hat vor ein paar Jahren ein Lied getextet, das so beginnt: „Gebt den Kindern das Kommando, denn sie berechnen nicht, was sie tun." Darin steckt die Überzeugung: Wenn ihr wollt, dass die Welt menschlicher wird, dass keine ungerechten Systeme aufgebaut werden, dann legt die Verantwortung in die Hände von Menschen, die sind wie Kinder: ohne Berechnung, ohne Eigennutz, spielerisch, spontan. Voller Vertrauen in die Menschen und auf die Zukunft. Zufrieden mit sich und der Welt. Für alles Neue offen. Neugierig.
Als Eltern und Großeltern wissen Sie das: Kleine Kinder können einen verzaubern. Lachen einen an – und man hat die Sorgen vergessen. Sagen ein Wort – und bringen einen auf andere Gedanken. Handeln völlig unerwartet – und bringen einen aus dem Konzept. Interessieren sich für etwas – und reißen einen mit. Nehmen einen an der Hand – und geben einem das Gefühl: Es gibt eine Zukunft.
Die tibetischen Mönche und die koptischen Christen setzen diesen Glauben an ein Kind radikal um und geben einem Kind alle Macht.


Uns Christen erinnert Jahr für Jahr am Weihnachtsfest das Kind in der Krippe daran: Gott hat einem Kind alle Macht gegeben und damit einen neuen Anfang gesetzt. Und er lädt Jahr für Jahr ein: Lass dich von diesem Kind verzaubern. Trau dem Kind in dir. Pfeif auf alle Allüren. Auf alle Machtspielchen. Auf alle Berechnung. Auf alles Schielen nach Karriere, Geld und Positionen. Glaub daran: Das, was wirklich zählt, und das einzige, was diese Welt verändern kann, ist: Vertrauen, Charme, Arglosigkeit, Lebenslust und Neugierde, wie sie kleine Kinder haben.


Fürbitten Mette
Im Zentrum des Weihnachtsgeheimnisses steht ein kleines Kind. Mit den Augen dieses Kindes, o Gott, schaust du die Welt an. Wir bitten dich:
V/A: Liedruf „Kindelein im Stall mach uns selig all, Kindelein so arm, dich erbarm (GL alt 839)
- Für alle Kinder, die in dieser Nacht auf unserem Erdball geboren werden
- Für alle Familien, die ein Kind in großer Freude und Dankbarkeit im Kreis ihrer Familie empfangen, und für alle Familien, die nicht wissen, wie sie das Kind in eine gute Zukunft führen sollen
- Für Väter, Mütter und Kinder, die Weihnachten in Kriegsgebieten oder Flüchtlingslagern verbringen und Angst vor der Zukunft haben
- Für alle, die sich beruflich oder privat für Menschen einsetzen, die ihr Leben nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können


Pfarrer Stefan Mai

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