Die Rede von der Jungfrauengeburt - ein ständiger Stachel

Predigt zum 4. Adventssonntag (Mt 1,18-25)

Einleitung
Nur die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus erzählen von der Kindheit Jesu. Markus und Johannes zeigen für die Kindheit Jesu kein Interesse.
Während der Evangelist Lukas die Person Marias in den Mittelpunkt stellt und deswegen auch in der kirchlichen Tradition als Madonnenmaler dargestellt wird, erzählt der Evangelist Matthäus häufiger von Josef. Mehrmals erscheint dem Josef ein Engel im Traum und übermittelt ihm eine Botschaft, wie wir es heute im Evangelium auch hören.
In einem gleichen sich allerdings die beiden: Sie erzählen beide von der Jungfrauengeburt.

Predigt
Was empfinden Sie, wenn Sie die Worte des Evangeliums hören: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen“, wenn in jedem Hochgebet von der „seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ die Rede ist und wir in jedem Glaubensbekenntnis beten: „Und an Jesus Christus, unsern Herrn, empfangen durch den heiligem Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?
Was geht Ihnen beim Thema „Jungfrauengeburt“ im Kopf herum? Wie soll man sich das vorstellen „geboren aus einer Jungfrau“, wie verstehen?
Fakt ist, dass sowohl der Evangelist Lukas als auch der Evangelist Matthäus von der Jungfrauengeburt berichten. In der lukanischen Verkündigungsgeschichte fragt Maria den Engel, der die Menschwerdung Jesu in ihrem Schoß ankündigt: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Und der Engel bezeichnet die Empfängnis Jesu als schöpferische Wundertat Gottes: „Für Gott ist nichts unmöglich!“ Im Matthäusevangelium erklärt der Engel Josef: „Das Kind, das Maria erwartet ist vom hl. Geist“.
So eindeutig die Bekenntnisaussage von der jungfräulichen Geburt Jesu in diesen beiden Texten festgehalten ist, so viele Schwierigkeiten macht sie uns heute. Muss man sie rein biologisch verstehen und sogar noch ausweiten auf ein Dogma von der Jungfrauenschaft „vor“ der Geburt, als auch „in“ der Geburt und „nach“ der Geburt, wie es das Konzil von Konstantinopel im Jahr 553 tut? Oder darf man das Motiv der Jungfrauenschaft auf dem Hintergrund von jüdischen und hellenistischen Parallelen verstehen, die mit der Jungfrauengeburt deutlich machen wollen, dass es sich bei dem Neugeborenen um einen ganz besonderen Menschen handelt?
Was wurde im Lauf der Theologiegeschichte über dieses Thema Jungfrauengeburt schon diskutiert und gestritten und wieviele theologische Köpfe an den Universitäten sind schon gerollt, wenn Theologieprofessoren sich gegen ein biologisches Verständnis der Jungfrauengeburt ausgesprochen haben!
Es hat mich erstaunt, wie das Magazin „FOCUS“ vor einigen Jahren sich mit diesem Thema Jungfrauengeburt auseinandergesetzt hat. Ich lese darin:
„Maria mit dem Ei des Erlösers, das nach christlichem Glauben vom Heiligen Geist befruchtet wurde, birgt eine geradezu männermordende Botschaft: Man braucht die Kerle gar nicht. Das ganze Machogehabe ist aufgeplusterte Wichtigtuerei. Die Menschheit braucht die Männer nicht, um erlöst zu werden. Theologisch gesprochen: Die Kirche braucht nur Gott - und nichts dazwischen. Eine gefährliche These für den Bestand der Machos und ihrer Klerisei.“ (Focus Nr. 52, 20. 12. 1997, S. 92)
Ist dieser Interpretationsansatz - von einer nichtkirchlichen Seite formuliert - nicht geradezu die Sinnspitze der Rede von der Jungfrauengeburt? Die theologische Rede von der Jungfrauengeburt ist ein ständiger Stachel. Ein ständiger Stachel gegen alles Machogehabe in und außerhalb der Kirche. Ein ständiger Stachel für alle, die meinen, ohne sie laufe nichts im Kleinen und im Großen. Ein ständiger Stachel für alle, die meinen, sich als Erlöser aufspielen und die Welt retten zu müssen.
Die Rede von der Jungfrauengeburt versucht eines klar und deutlich auszusprechen: Gott ist souverän. Er hasst alle aufgeplusterte Wichtigtuerei. Am Ende braucht er keine Wundermänner, keine Theologen und auch keine Kirche, um die Welt zu retten. Er allein ist Herr einer neuen Schöpfung. Er allein kann einen Neuanfang setzen, wo wir es nicht mehr für möglich halten.

Fürbitten
Jesus, du wirst als „Immanuel“ angekündigt, als „Gott mit uns“. Wir empfehlen dir die Menschen, denen das Mit-Sein fehlt:

V: O Immanuel A: Sei mit ihnen

Die Einsamen und Vereinsamten in einer anonymen Gesellschaft

Die wegen ihres Andersseins Ausgegrenzten und Gemiedenen

Die Armen und Mittellosen, die nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können

Die Kranken und Alten, die vergeblich auf einen Besuch warten

Die Jugendlichen, die keinen Anschluss im Freundeskreis finden

Die Menschen, die nach dem Tod eines Menschen alleine weiterleben müssen

Unsere Verstorbenen. Heute denken wir an..................................






Pfarrer Stefan Mai

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