Freude beflügelt

Predigt zum Gaudete-Sonntag (mit Kindergartenkindern)

Liebe Kinder, liebe Erwachsene,
wenn wir das Wort „Engel“ hören, dann haben wir sofort Bilder vor Augen. Und die sind meist geprägt von den Engelchen in unseren Barockkirchen. Haufenweise sehen wir sie in unserer Kirche, große und kleine. Die kleinen, fast nackten Engelchen turnen auf unseren Altären herum, ein Bild unbeschwerter Leichtigkeit.

In der Kunstlandschaft gibt es aber auch ganz andere Engel, wie z. B. diesen:

Das Engel-Bild von Paul Klee „es weint“ wird gezeigt
Orgelimprovisation zum weinenden Engel

Dieses Engelbild - ein Ausdruck der Seele.
„Es weint“ - Und wie es aus ihm herausweint. Seinen großen Kopf kann „es“ nicht aufrecht halten. Aus überschweren Augenlidern tropfen dicke Tränen herab. Welch ein trauriger, armer Engel. Flügellahm, ohne Kraft, voller Erdenschwere.

Der Maler Paul Klee hat diesen traurigen Engel gemalt. Da ging es ihm selbst nicht gut. Beruflich wie gesundheitlich war er völlig am Boden. Die Nazis bezeichneten ihn als entarteten Künstler. Er selbst musste Deutschland verlassen. Kurz darauf erkrankte er an einer schweren Krankheit, an einer fortschreitenden Verhärtung des ganzen Körpers. Auch seine Hände wurden immer unbeweglicher, sodass er kaum noch einen Pinsel halten konnte. Er schien am Ende zu sein.
In dieser Zeit zeichnete er noch rund 60 weitere Engel-Wesen. Oft nur aus ganz wenigen Bleistiftstrichen. Keine perfekten himmlische Wesen, sondern Engel mit ganz menschlichen Regungen und Nöten. Er malte in diese Engel seine Seelenzustände hinein.

Schaut euch einmal an, wie sich Menschen fühlen, denen es so geht wie unserem weinenden Engel. Hast du das schon einmal beobachtet, wie sehr sich die Stimmung von jemand in seinem Gang, in seiner Körperhaltung ausdrückt?.......

traurige Kinder kommen nach vorne und spielen, was Erzieherin vorliest
traurige Orgelmusik
Kinder stellen sich vor das Bild „es weint“

Erzieherin:

Wenn ich traurig bin, dann....
...muss ich weinen
...bin ich einsam
...können meine Augen nicht leuchten
...bin ich niedergeschlagen
...wird alles dunkel
...würde ich mich gerne verstecken


Der Maler Paul Klee, der diesen weinenden Engel gemalt hat, blieb aber trotz seines schweren Schicksals nicht verzweifelt sitzen. In dieser Zeit entwickelte er neue Wege in seiner Kunst: „Weisheit in einem Minimum an Strich“, wie ein Kunsthistoriker diesen Malstil nennt. Er malte auch solche Engel. Schaut diesen einmal an!

Schellenengel wird gezeigt
lustige Orgelmusk

Sieht dieser kleine Engel nicht lustig aus? Musst du da nicht ein bisschen schmunzeln? Auf seinen winzigen Beinchen marschiert er unbekümmert und schwungvoll an uns vorbei. Wie in einer Parade. Seine Flügelspitzen stoßen nach oben und nach vorn. Gleichzeitig dreht er sich um. Hat Spaß an der klingenden Schelle hinten am Hemdchen-Zipfel; mit einem Smily, der noch breiter lächelt als er selber.

Kinder tanzen mit Bändern durch alle Gänge nach vorne und spielen, was Erzieherin vorliest
lustige Orgelmusik
Kinder stellen sich vor das Bild „Schellenengel“

Erzieherin:

Wenn ich fröhlich bin, dann...

...hüpfe ich
...umarme ich jemanden
...kreische ich vor Glück
...lache ich...
...gehen meine Mundwinkel nach oben
...leuchten meine Augen
...könnte ich die ganze Welt umarmen

Liebe Kinder, liebe Erwachsene,

der dritte Adventssonntag hat in unserer Kirche einen besonderen Namen. Er heißt „Gaudete“. Das ist ein lateinisches Wort und heißt „Freut euch“. Deshalb steht auch auf dem Adventskranz für den dritten Advent eine farbenfreudige rosa Kerze und der Pfarrer trägt anstatt des tristen dunklen Violett ein Rosa-Messgewand.

Der kleine lustige Schellenengel möchte uns heute vor Augen führen: Freude beflügelt! Er möchte uns anregen, dankbar zu sein, wenn wir Freude erleben dürfen. Paul Klee möchte aber auch mit seinem Schellenengel Menschen in schwierigen Lebenslagen Mut und Hoffnung machen, so wie es schon der Prophet Jesaja in der heutigen Lesung getan hat: Wo Gott seine Hände im Spiel hat, da gibt es das, dass Verzagte wieder Mut gewinnen, wankende Knie wieder fest werden und Flügellahme wie ein Hirsch springen.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de