Sich erbauen an oder bauen auf...

Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis C

Einleitung
Jede Religion hat ein äußeres Glaubensgebäude: Ihre sakralen Bauten, ihre Riten, ihre liturgischen Gewänder und Frömmigkeitsformen. Dieses äußere Glaubensgebäude ist sichtbar.
Jede Religion hat aber auch innere Glaubenshaltungen, die nicht nur in diesen Gebäuden und Riten wohnen, sondern die Gläubigen in ihrem Alltag tragen und ihr Handeln bestimmen.

Eines ist klar: Das äußere Glaubensgebäude prägt sich unserem Auge und Gefühl ein. Aber ohne die innere Glaubenshaltung bleibt es nur Staffage. Vielleicht können Sie auf dem Hintergrund dieser Behauptung einmal auf das heutige Evangelium, auf die Endzeitrede Jesu hören.

Tagesgebet
Gott der Schöpfung und der Geschichte,
schenk uns das feste Vertrauen in deinen Schutz.
Halte du unser Leben und unsere Welt in deinen Händen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Predigt
Versetzen Sie sich einmal in die Szenerie des heutigen Evangeliums: Da stehen Menschen vor den Mauern des mächtigen und prächtigen Tempels in Jerusalem. Ein imposantes Bauwerk, das alle bestaunen. Der Glanz von Jerusalem. Das Zentrum des jüdischen Glaubens. Hier in diesem mächtigen Bauwerk erleben Menschen den Höhepunkt der herodianischen Baukunst. Hier können sie über Größe, Architektur und wertvolle Materialien, mit denen der Tempel ausgeschmückt ist, staunen. Hier feiert Israel seine großen Gottesdienste und Feste. Hierher ein Mal im Jahr zu pilgern, ist der Traum eines jeden gläubigen Juden. Der Anblick des Tempels, ein erhebendes Gefühl. Er lässt die Ahnung von der gewaltigen Größe Gottes im Menschen aufsteigen.
Dieses erbauende Gefühl bringt der Psalm 84 mit den Worten zum Ausdruck:
Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen. Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel des Herrn...Ein einziger Tag in den Vorhöfen deines Heiligtums ist besser als tausend andere.

Doch Jesus schockt seine Zuhörer, die darüber reden und staunen, dass der Tempel mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei. Er ernüchtert alle, die sich am Glanz imposanter religiöser Bauten erbauen. Davon - meint er - wird einmal nichts übrig bleiben. Und noch mehr: Auf schöne Fassaden und prunkvolle Bauten kommt es am Ende gar nicht an.
Bleiben und zählen wird einmal nur, was dem Menschen Kraft zum Durchhalten und Mut zum Zeugnis gibt. Wichtig ist nur, ob das Vertrauen auf Gott einen im Leben und vor allem in den Widrigkeiten und Schwierigkeiten trägt, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn die Sterne der Hoffnung vom Himmel fallen. Wenn Orientierungslosigkeit herrscht und man nicht weiß, wem man noch glauben soll.

Wie oft staune ich selbst, wenn ich in einem hohen Dom oder schönen Kirchen stehe. Wie lässt das Schöne staunen und das Herz aufgehen. Momente der Erbauung. Einfach ein erhebendes Gefühl.
Und doch ist das alles - wenn ich Jesus im heutigen Evangelium richtig verstehe - nur äußerliche Fassade. Diese erhebenden religiösen Gefühle brechen schnell wie Fassaden zusammen, wenn Schicksalsschläge hereinbrechen, wenn es im Leben dann drunter und drüber geht, wenn ich im Glauben angefochten werde. Bleiben wird dann nur, was dem Menschen Kraft zum Durchhalten gibt, die „Worte und die Weisheit“ mit denen Jesus seine Jünger stärkt. Erhebende religiöse Gefühle brechen wie Fassaden zusammen, wenn nicht der innerste Kern der Religion dieses radikale Vertrauen ist, dass Gott da ist, dass er mich in allem und durch alles hindurch hält und trägt. Dieser Glaube, den Jesus ins Bildwort fasst: „Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden.“

Keiner von uns kann über dieses Geschenk des radikalen Gottvertrauens verfügen. Aber eines bestätigt sogar die heutige moderne Gehirnforschung: Was am stärksten Angst verhindern und bewältigen hilft, ist Glauben und Vertrauen.

Fürbitten
Herr, unser Gott, du bleibst uns Menschen nahe. deswegen rufen wir:

A: Herr, bleib‘ nahe deinem Volk

Für alle Gemeinden, die den Zerfall kirchlicher Strukturen erleben und in Depressivität zu versinken drohen

Für die Christen, die im Alltag um ihres Glaubens willen persönliche Nachteile oder sogar Gewalt und Verfolgung erleiden

Für die Menschen auf den Philippinen, die durch die Naturkatastrophe Hab und Gut verloren haben und um viele Menschen trauern

Für alle Menschen, deren Glaube durch Schicksalsschläge schwer erschüttert wurde und deren Vertrauen in dich ins Wanken geraten ist

Für uns, die wir uns nach religiöser Erbauung und nach einem festen Glaubensfundament sehnen

Für unsere Verstorbenen, die wir bei dir daheim wissen. Stellvertretend für alle nennen wir die Namen von....

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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