Zwei schöne Frauen auf unserem Altar

Predigt zum Rosenkranzfest 2013

Einleitung
Unsere Pfarrkirche Maria vom Rosenkranz liegt in Gerolzhofen am belebtesten Platz der Stadt, umgeben von Geschäften. Tagsüber bewegen sich hier rund um die Kirche die meisten Menschen.
Wer untertags unsere Kirche vom Marktplatz aus unsere Kirche betritt, der betritt eine ganz andere Welt. Es wird still, die vielen Stimmen der Menschen verhallen, die Autogeräusche sind wie eingedämpft. Eine ganz besondere Atmosphäre.
Wer unsere Kirche betritt, dessen Blick fällt auch gleich auf unsere gotische Madonna im Rosenkranz. Mir scheint sie jedem Eintretenden sagen zu wollen: Was du in den wenigen Minuten hier im stillen Gotteshaus erlebst, das kannst du im Rosenkranzgebet erfahren: Unterbrechen des Alltags, die vielen Stimmen und Geräusche werden eingedämpft, du kommst beim Beten ins Nachdenken über dein eigenes Leben.

Predigt
Ganz oben auf unserem barocken Hochaltar sitzen zwei geheimnisvolle Gestalten. Sind es Engel, die durch die zwei großen Fenster geflogen sind und nun auf dem Altaraufbau Platz nehmen? Oder sind es zwei schöne Frauen, die da oben posieren und die Augen auf sich ziehen möchten?
Egal ob Engel oder schöne Frauen, die beiden tragen etwas in ihren Händen. Die linke Gestalt trägt ein Kreuz. Die rechte Figur hat in der rechten Hand einen Anker fest im Griff. In der linken Hand zeigt sie uns ein Herz.
Wer sich in der christlichen Ikonographie ein wenig auskennt, weiß, dass diese drei Attribute - Kreuz, Anker und Herz - die drei christlichen Tugenden darstellen: Das Kreuz den Glauben, der Anker die Hoffnung, das Herz die Liebe. Diese bildliche Darstellung von Glaube, Hoffnung und Liebe haben in unserer Gerolzhöfer Kirche einen besonderen Platz. Sie passen zum Patrozinium unserer Kirche „Maria vom Rosenkranz“. Denn die ersten drei Gegrüßet-seist-du- Maria-Perlen am Rosenkranz sind die Glaubens-, Hoffnungs- und Liebesperle. Bei diesen drei Perlen beten wir immer den Zusatz „der in uns den Glauben vermehre“, „der in uns die Hoffnung stärke“, „der in uns die Liebe entzünde“. Diese drei Perlen, dieses Gebet um Glaube, Hoffnung und Liebe bilden das Eingangstor zum Rosenkranzgebet.
Diese drei christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe nennt man die „eingegossenen“ Tugenden. Der Sinn dieses sonderbaren Wortes „eingegossen“ wird schnell klar, wenn man sich vor Augen führt, dass in der Antike vier andere Tugenden eine große Rolle spielten: Die vier Kardinaltugenden: Tapferkeit, Gerechtigkeit, Besonnenheit und Mäßigung. Das Wort Kardinaltugend hat nichts mit Kardinälen zu tun. Es kommt aus dem Lateinischen cardo, d. h. Türangel, Drehangel und will zum Ausdruck bringen, dass es sich bei den vier Kardinaltugenden um wichtige Wertmaßstäbe, um einen Dreh- und Angelpunkt zu einem geglückten Leben handelt.

Klugheit bedeutet, die Dinge richtig einzuschätzen, Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden zu können, das Irdische nicht mit dem Ewigen zu verwechseln, das rechte Wort zur rechten Zeit finden, nicht durch falschen Eifer Gutes zerstören…

Gerechtigkeit bedeutet, jeden Menschen zu respektieren, ihm das zukommen zu lassen, was ihm zusteht und was er zu einem menschenwürdigen Leben braucht…
Tapferkeit bedeutet, sich für das, was man als gut und wahr erkannt hat, mit voller Kraft einzusetzen, und zwar auch dann wenn es persönliche Opfer kostet und Nachteile bringt.
Mäßigung bedeutet, in allen Dingen das „gesunde Maß“ zu finden und zu halten: in puncto Arbeit und Erholung, Konsum und Askese, Genuss und Verzicht, Gefühl und Verstand, Strenge und Milde, Eifer und Geduld…
Diese vier Kardinaltugenden sind ein Appell: Sei klug, sei gerecht, sei tapfer, halte Maß! Bemühe dich darum und du wirst ein geglücktes Leben finden.
Im Unterschied zu den menschlichen Tugenden werden die drei christlichen Tugenden auch göttliche Tugenden genannt, als von Gott in die Seele der Gläubigen „eingegossen“ bezeichnet. D.h. im Unterschied zu den vier Kardinaltugenden, die du durch ein reflektiertes Leben und redliches Bemühen verwirklichen kannst, sind Glaube, Hoffnung und Liebe nie mit eigener Kraft zu verwirklichen. Sie sind nie machbar, sondern bleiben immer Geschenk.
Der Glaube ist und bleibt einfach Geschenk. Es ist ein Geschenk, wenn ich im Vertrauen auf einen Gott, der in meinem Leben dabei ist, mein Leben angehen kann.
Die Hoffnung kann ich mir nicht selber machen. Es ist ein Geschenk, wenn ich eine Lebensperspektive habe und nach Schwerem im Leben mich immer wieder neu aufrapple und wieder zuversichtlich werde.
Die Liebe kann ich mir nicht einreden und sie auch nicht machen. Es ist ein Geschenk, wenn ich nicht nur um mich kreise, sondern mein Leben auch als Leben für andere gestalte. Es ist einfach ein Geschenk, wenn andere mich gern haben, ohne mir die Liebe verdienen zu müssen.
Die drei Eingangsperlen zum Rosenkranz sagen mir: Diese drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe, sie wollen erbeten sein. Und mit einem Dichter Friedrich Hölderlin kann ich mir nur wünschen: „Glaube und Liebe und Hoffnung sollen nie aus meinem Herzen weichen. Dann gehe ich, wohin es soll, und werde gewiss am Ende sagen: Ich habe gelebt.“

Fürbitten
Mit den Worten von Franz von Assisi rufen wir heute zu Gott

Höchster, glorreicher Gott, erleuchte die Finsternis meines Herzens

Schenke mir rechten Glauben

Schenke mir gefestigte Hoffnung

Schenke mir vollendete Liebe

Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle.

Wir denken auch an unsere Toten. In diesem Gottesdienst nennen wir die Namen von ................................................
Schenke ihnen Frieden bei dir

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn. Amen


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de