Die Antwort findest nur Du selbst!

Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (Hebr 12,5-7.11-13)

Einleitung

Warum gibt es soviel Leid auf der Welt? Warum werden so viele unschuldige Menschen Opfer von Gewalt und Terror? Warum so viel Leid in Ägypten und Syrien? Warum greift da Gott nicht ein? Hört er den Schrei der Kinder und der verzweifelten Mütter nicht?
Warum wird manchen Menschen so unsäglich viel Leid zugemutet, dass sie darunter zerbrechen?
Die Frage nach dem „Warum“ des Leids wird seit Menschengedenken gestellt. Und zu allen Zeiten haben die Menschen nach Antworten auf diese Fragen gesucht. Wir hören heute einen solchen Antwortversuch in der Lesung.

Predigt

1968 ist der französische Kardinal Veuillot gestorben. Er wurde nur 55 Jahre alt und sein Todeskampf dauerte drei Monate. Seine Worte, die er während dieser Leidenszeit einem befreundeten Bischof anvertraut hat, klingen wie ein Vermächtnis. Sie lauten:
„Wir (Theologen) verstehen es meisterhaft, schöne Sätze übers Leiden zu machen. Auch ich habe übers Leiden in ergreifenden Worten gepredigt. Sagen Sie den Priestern, sie sollen lieber schweigen; wir wissen nämlich nicht, was Leiden heißt...“

Wie ist es Ihnen eben ergangen, mit der Antwort des Schreibers des Hebräerbriefs auf die Frage nach dem Sinn des Leids? Hilft sie einem, der schweres Leid zu tragen hat, wenn man ihm sagt: Deine Krankheit, deine Schmerzen, deine aussichtslose Lage - das alles sind Beweise, dass Gott dich liebt?
Mit den Schlägen, die du jetzt einstecken musst, will dir Gott etwas Gutes tun. Er will dich zum Guten erziehen. So wie die Schläge eines Vaters doch nur den Sinn haben, einem Kind zu helfen, ein besserer und reiferer Mensch zu werden, so wird das Leid, das du jetzt durchmachen musst, sich als Liebesbeweis Gottes herausstellen. Es wird sich als Gewinn im Leben und als dein großes Glück herausstellen. Du wirst dafür später dankbar sein!

Stellen Sie sich vor: Sie liegen todkrank da und würden diese Sätze hören! Wäre das nicht blanker Zynismus? Würde sich in Ihnen gegen solche Worte nicht alles sträuben?

Als allgemeingültige Antwort und Erklärung auf die Frage nach dem „Warum“ des Leids, auf die Fragen: Warum gibt es so viel Schlimmes, so viel Not und Elend, so viele Katastrophen, so viel Leid unschuldiger Menschen - taugen diese Sätze ganz sicher nicht.

Und trotzdem machen sie mich nachdenklich. Denn wie oft höre ich von Kranken selbst: Durch meine Krankheit bin ich ein anderer Mensch geworden. Was war früher alles so wichtig, lauter Kram. Erst durch die Krankheit ist mir wieder bewusst geworden, was wirklich im Leben zählt. Wie oberflächlich habe ich dahingelebt, alles für selbstverständlich genommen, mich wegen Belanglosigkeiten verrückt gemacht. Jetzt setze ich andere Schwerpunkte im Leben. Jetzt weiß ich wieder, wie wichtig die Menschen sind, die zu mir halten und denen ich vertrauen kann.

Wenn andere zu mir kommen und sagen würden: Dieses Leid schickt dir Gott, damit du gestärkt daraus hervorgehst, dann wäre ich wütend, würde protestieren oder denken: Du frommer Quacksalber!
Wenn ich selbst nach durchstandenem Leid entdecke: Das war im wahrsten Sinn des Wortes eine „Reife-Prüfung“, die mich im Leben weitergebracht hat, dann habe ich für mich das Körnchen Wahrheit gefunden, das in der Lesung aus dem Hebräerbrief verborgen ist.

Liebe Leser, was mir durch die nicht leichte Kost der heutigen Lesung klar wird: Die Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ oder den Sinn des Leidens kann nie allgemein beantwortet werden, die kann dir auch niemand auf der Welt sagen. Wenn es eine gibt, dann kannst du sie nur selbst für dich finden.

Die Anregung zur Predigt verdanke ich W. Raible, Predigten für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr C, S. 207-210

Fürbitten

Wir sehnen uns im Leben nach Sinn und Glück. Dennoch begleiten Enttäuschung und Leid das menschliche Leben. Gott, wir bitten dich:

Menschen in Ägypten, in Syrien und an unzähligen Orten auf dieser Welt haben Angst vor dem, was auf sie zukommt: Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Menschen sind niedergedrückt von Enttäuschung und Resignation: Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Menschen wissen in Leid und Not nicht, woher sie die Kraft nehmen sollen: Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Menschen sind aber auch dankbar für alles Gute, das ihnen im Leben geschenkt wurde. Heute feiert das Ehepaar Lang mit uns diesen Gottesdienst aus Dankbarkeit für 50 gemeinsame Jahre: Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Menschen sind auch dankbar, wenn sie Krisenzeiten, Schweres und Schicksalsschläge durchstanden haben: Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Menschen, die wir geschätzt und gekannt haben, sind gestorben. Stellvertretend für sie nennen wir heute die Namen von............... : Sei du ihnen Zukunft und Hoffnung, Gott!

Darum bitten wir dich heute durch Christus unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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