Ein gefährlicher Drache

Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Offb 11,19a.12,1-6a.10ab)

Einleitung

Ob es die Märchen oder Western sind, oder ob es um die Bücher von Harry Potter geht: Irgendwie sind sie alle aus dem gleichen Grundmuster gestrickt. Überall geht es am Ende um den Kampf zwischen Gut und Böse und um die Frage, wer siegt.
Und genau um diese Frage geht es auch in den Lesungen zum heutigen Festtag „Maria Himmelfahrt“.

Predigt

Eine geheimnisvolle, ja fast schauderhafte Bilderwelt wird uns in der heutigen Lesung aus der Offenbarung vor Augen gestellt. Auf der einen Seite der große feuerrote Drache mit sieben Köpfen, zehn Hörnern und sieben Diademen auf den Köpfen - ein wahres Supermonster. So malt der Seher den Satan an die Wand.
Auf der anderen Seite eine schwangere Frau, die in Geburtswehen liegt, hilflos und wehrlos. Und der Drache wartet nur darauf, bis das Kind geboren ist, um es zu fressen.
Was soll diese schaurige Horrorszene bedeuten? Gerne wird die schwangere Frau auf Maria gedeutet, die den Messias zur Welt bringt. Sie wird ja oft so dargestellt: den Mond zu ihren Füßen, mit einem Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt. Und dieser Messias wird einmal diesem satanischen Drachen den Kopf zertreten. Aber von alldem steht hier nichts: Das Kind wird von Gott gerettet und die Frau wird in der Wüste in Sicherheit gebracht und Gott wirft den Drachen aus dem Himmel hinaus. Aus dem Himmel verbannt, sucht er nun auf Erden nach Opfer. Aber was soll dann diese abstruse Bilderwelt bedeuten?

Siebe Köpfe hat der Drache mit sieben gefräßigen Mäulern, zehn Hörner darauf, die rücksichtslos andere niederstoßen wollen, und auf jedem Kopf ein Diadem, Luxus pur. Und der ist darauf aus, der Frau die Zukunft und dem Kind das Leben zu rauben.
Merken wir es? Im Bild dieses furchterregenden Drachens wird uns die satanische Versuchung zur Gier vor Augen gemalt. Und diese Gier ist teuflisch, behauptet der Seher Johannes, sie jagt den Menschen und bringt die zukünftige Generation um ihre Zukunft. Und wer kann behaupten, dass diese satanische Versuchung der Gier nicht nach jedem von uns greifen will.

Der gefräßige Drache Gier fegt in der Lesung die Sterne vom Himmel. Sterne sind Punkte der Orientierung. Das heißt: Gier macht haltlos und orientierungslos. Da wird nicht mehr nach Wertmaßstäben gefragt. Gier macht hungrig und hemmungslos, da gibt es kein Halten mehr. Wen sie im Griff hat, der versucht andere niederzustoßen und der geht letzten Endes über Leichen. Der kennt nur sein Ich - die Zukunft derer nach uns, die liegt außer seinem Blickfeld. Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug! Früher wurde die Gier zu den Todsünden gerechnet. Heute scheint sie zur Tugend zu avancieren.

Die Festtagslesung warnt uns vor der Gier und fragt uns, sind auch wir von dieser satanischen Versuchung schon gefangengenommen?
Die Gier wird systematisch genährt und gefördert. Sie geht um:
Täglich flattern zig Werbeprospekte ins Haus. Unzählige Werbepsychologen forschen danach, wie sie in Menschen Bedürfnisse locken können, die dann befriedigt werden wollen. Dann werden stundenlang Werbeprospekte studiert, die Preise hin und her verglichen, wo der Salat 20 Cent billiger sein könnte, da fährt man dann auch lieber zwei km weiter.
Viele machen einen echten Sport daraus und recherchieren im Internet Tage lang, wenn sie etwas kaufen wollen.
Die Gier geht um. Argwöhnisch wird auf die geschaut, die scheinbar mehr haben und sich bessere Autos und schönere Urlaube leisten können. Die Gier geht um: Wie oft gibt es in den Familien Streit, wenn es ums Erben geht. Wegen ein paar lumpigen tausend € setzt man Familienfrieden aufs Spiel.
Und wie oft kommt die Gier mit ihrem Zwillingsbruder, dem Neid daher und möchte das haben, was andere auch haben. Und die beiden nagen und nagen an der Zufriedenheit und fressen an der Seele.

Das heutige Fest bietet uns zwei Heilmittel gegen die Gier an. Das Evangelium den Geist des Magnificats.
Dietrich Bonhoeffer nennt das Magnificat das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte sagen revolutinärste Adventslied, das je gesungen worden ist.
Da heißt es: „Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten, er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.“
Solche, die sich über andere erheben, die auf andere herabsehen oder die anderen überhaupt nicht mehr sehen, zu denen - so das Magnificat - mag auf Dauer keiner mehr aufsehen, sie erregen kein Aufsehen mehr, sie erleben ihre Niederlagen schneller als ihnen lieb ist.
„Die Hungernden erfüllt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehn“, heißt es weiter.
Die Gierigen lässt er leer ausgehen. Vor lauter Gier stopfen sie in ihre Häuser, Urlaube, Bankkonten hinein, was sie zusammen raffen können, zerstreiten sich wegen ein paar lumpigen Kröten beim Erben. Ihre Köpfe sind von der Gier voll, die Herzen aber leer. Und sie werden einmal leer ausgehen. Die Erben reiben sich schon heute vergnügt die Hände.

Das zweite Heilmittel gegen die Gier bietet der Würzweihbüschel. Er bietet das Heilmittel der Einfachheit und der Zufriedenheit an. Sämtliche Kräuter des Würzweihbüschels sind zufrieden mit kargen Böden. Sie brauchen keine fetten Böden. Es sind einfache Weg- und Wiesenkräuter. Ihre Botschaft ist: Nicht das Extravagante, nicht das Exotische ist die Würze des Lebens. Nein, ein Leben in Einfachheit und Echtheit heilt dich von der Krankheit der Gier.

Liebe Leser,
über dem heutigen Fest steht das Bild von der Krönung Mariens, das Hoffnungsbild, dass das Leben dieser einfachen jüdischen Frau, die das Magnificat gesungen hat, bei Gott zur Vollendung gekommen ist. Für mich ein Gegenbild des gefährlichen Drachen „Gier“. Mir gibt es den Impuls mit auf meinen Lebensweg: Im Geist des Magnifikats und im Geist der einfachen Kräuter findest du zu einem gelingendem, ja geglücktem Leben.

Fürbitten

Antwortruf: Bewahre uns, o Herr

Vor aller Engherzigkeit
Vor jeglichem Hochmut
Vor der gefräßigen Gier
Vor blindem Neid
Vor einem unzufriedenen Herzen
Vor blindem Vertrauen auf alles Materielle
Vor der Angst, zu kurz zu kommen
Vor Zorn, Hass und allem bösen Willen
Vor Verblendung des Geistes
Vor Verhärtung des Herzens


Pfarrer Stefan Mai

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