Wie wird man glücklich?

Predigt zu Lk 12,13-21 (C/18)

Einleitung
Jesus haut wieder einmal dazwischen.
Wir sind in bester Sommerlaune, genießen den warmen, nicht zu heißen Tag, vergnügen uns in Straßencafés, lassen’s uns auf dem Balkon gut gehen – und dann kommt Jesus und hinterfragt im Evangelium unseren Lebensstil: mit seiner Geschichte vom reichen Tor, der zu seiner Seele gesagt hat: „Ruh dich aus, iss und trink – und lass dir‘s gut gehen.“ Noch in der gleichen Nacht war er tot.

Predigt
Von der Klugheit Jesu, Geschichten zu erzählen
Jesus ist klug. Wenn ihm eine besonders schwierige Frage gestellt wird, lässt er sich eine Geschichte einfallen. Er gibt dem Fragesteller keine Antwort, sondern zu denken. Denn das weiß Jesus: Argumente und Begründungen gehen zum einen Ohr rein und zum anderen raus. Geschichten jedoch gehen in den Bauch – und dort rumoren sie weiter.
So verhält sich Jesus auch beim Erbstreit, von dem das heutige Evangelium erzählt. Jesus gibt keinen Schiedsspruch, sondern zu denken – mit der Geschichte vom törichten Reichen.
Ich möchte in der Linie Jesu bleiben und diese Geschichte nicht auslegen, sondern ihr weitere Geschichten hinzufügen: eine aus dem Märchenschatz, eine aus dem wahren Leben. Hoffentlich geben sie uns zu denken …
Ein Märchen von Leo Tolstoi

Leo Tolstoi erzählt:
Ein König war krank und sagte: „Die Hälfte des Reiches gebe ich dem, der mich gesund macht." Da versammelten sich alle Weisen und überlegten, wie man den König gesund machen könne. Doch keiner wusste wie. Nur einer der Weisen sagte, dass es möglich sei, den Herrscher zu heilen. Er meinte: „Man muss einen glücklichen Menschen ausfindig machen, dem das Hemd ausziehen und es dem König anziehen. Dann wird der König gesund."
Und der König schickte überall hin, dass man in seinem weiten Reich einen glücklichen Menschen suche. Aber die Beauftragten fuhren lange im ganzen Reich umher und konnten keinen Glücklichen finden. Nicht einen gab es, der zufrieden war. Wer reich war, war krank; wer gesund war, war arm; wer gesund und reich war, der hatte ein böses Weib, und bei dem und jenem stimmte es mit den Kindern nicht. Über irgendetwas beklagten sich alle.
Aber einmal ging der Sohn des Königs spätabends an einer armseligen Hütte vorbei und hörte jemanden sagen:„Gottlob, zu tun gab es heute wieder genug, satt bin ich auch und lege mich nun schlafen. Was braucht es mehr?"
Der Königssohn freute sich, befahl seinen Dienern, diesem Menschen das Hemd auszuziehen und ihm dafür soviel Geld zu geben, wie er wolle, und das Hemd gleich dem König zu bringen. Die Diener gingen eilends zu dem glücklichen Menschen hin und wollten ihm das Hemd ausziehen. Aber der Glückliche war so arm, dass er nicht einmal ein Hemd besaß!

- Orgelmusik -

Vom Millionär zum Glückspilz
„Vom Millionär zum Glückspilz“ – unter dieser Überschrift war im Januar 2010 in der Zeitschrift Chrismon ein Interview mit einem Steinreichen abgedruckt, der mit seinen Antworten verblüffte – und noch mehr mit seiner Entscheidung. Ein Auszug daraus:

Herr Rabeder, sind Sie reich?

Ich war mal reich und werde jetzt, wo ich immer weniger reich bin, glücklich und vermögend. Vermögend ist jemand, der mit seinem Besitz was Positives zu bewirken vermag.

Mit drei Millionen Euro ist man reich, weil man dann ganz gut von der Rendite leben kann. Mit 30 Millionen ist man sehr reich und mit 300 superreich.

Dann war ich knapp über „reich“.

Wie kamen Sie zu diesem Geld?

Es kam zu mir! Ich hab Dinge produziert, die anderen Menschen gefallen haben - Wohnaccessoires.

Sie waren früh Millionär, bis zu welchen Möglichkeiten sind Sie vorgedrungen?

Na bis zu denen hier: ein Haus in Tirol, eins in Südfrankreich, fünf Segelflugzeuge ... Sie lachen. Es ist natürlich auch möglich, zwanzig Häuser und fünfzig Flugzeuge zu besitzen. Ich hab Dinge angestrebt, nur weil sie möglich sind. Erst heute frage ich mich: Was von dem, was möglich ist, will ich? Denn wenn die Natur - oder der Schöpfer - großzügig war, dann hat man ausreichend viele Talente und Möglichkeiten und nicht genug Lebenszeit dafür. Das wird mir jetzt erst klar.

Sie haben vermutlich teure Reisen gemacht?

Ja, und mein teuerster Urlaub war zugleich mein schrecklichster, Hawaii 1998. Da meinten meine Frau, inzwischen Exfrau, und ich, wir gönnen uns jetzt mal das ultimative Maximum: drei Wochen Hawaii, mit Inselspringen, vielen Hubschrauberflügen und nur Fünfsternehotels. Alles vom Teuersten ...

Sie hatten gedacht, es wird Sie glücklich machen?

So wie man es aus dem amerikanischen Film kennt, von den Reichen und Schönen, die alle glücklich sind. Aber dass wir nur auf lauter Schauspieler stoßen, bei den Hotelmitarbeitern wie den Gästen, das haben wir nicht erwartet. Mit zuckersüßer Lächelmaske spielten die alle die Rolle: "Die Welt ist wunderbar! "
Am Wochenende danach sind wir hier in den Tiroler Bergen auf eine Hütte, die Wirtin hat die Apfelsaftschorle auf den Tisch gestellt und dabei verschüttet, da hat sie gesagt: "Jessas! " Wir hatten das Gefühl: Willkommen in der echten Welt. Das war einer der magischen Momente.

Sie hätten jung in Rente gehen können ...

Ja, mit 32, das war 1994, da hatte ich meine Kontostände mal zusammengerechnet.

Aber Sie haben noch mal zehn Jahre weitergearbeitet. Warum?

Ich hab schon damals das, was ich die Stimme meines Herzens nenne, gehört, und gar nicht undeutlich. Aber mir hat der Mut gefehlt.

Für viele Möglichkeiten braucht man schon ein bisschen Geld.

Ich merke, dass ich mehr Möglichkeiten habe, je weniger Geld ich besitze. Weil im Kopf endlich wieder was zu laufen anfängt: Wozu bin ich auf diesem Planeten? Was will ich wirklich?

Stimmt es, dass die Spürbarkeit von Reichtum abnimmt, je mehr man hat?

Ja. Für mich war immer der wichtigste Wert die Freiheit. Und am Anfang gehört Geld dazu, zur Freiheit. Aber das, was man wirklich braucht, ist schnell erreicht, danach hilft Geld nicht mehr viel. Freiheit ist das genaue Gegenteil von Besitz.

Weil man mehr Aufwand treiben muss, wenn man viel besitzt?

Zwei Häuser, fünf Flugzeuge, zwei Autos - das ist eindeutig mehr Arbeit als ein Mountainbike.

Wenn man Sie damals gefragt hat, wie es Ihnen geht ...

...hab ich gesagt: "Gut! " Weil ich mir was anderes nicht hab vorstellen können. Ich hab nur gemerkt, dass da innen sich irgendetwas verkrampft, laufend. So ein Gefühl: Das kann doch nicht alles im Leben sein. So ein großes Fragezeichen.

Und was spürt sich gut für Sie an, heute?

Von Nutzen zu sein, für andere. ¬ Als ich - nach dem Verkauf der Firma - ein Jahr so intensiv flog wie nie zuvor, verweilte ich glücklicherweise auch länger an Orten, blieb den Winter über in Argentinien, und da hab ich das erste Mal nicht über die Armut hinwegsehen können. Früher hab ich die auch wahrgenommen, aber gedacht: Das ist deren Armut. Jetzt konnte ich nicht mehr ignorieren, dass das auch was mit mir zu tun hat. Und weil ich dort so oft beschenkt worden bin - seien es materielle Geschenke oder tolle Freundschaften -, beschloss ich, was zurückzugeben.

Wenn Sie jetzt Ihr Tiroler Haus verlost haben, wie geht es dann weiter mit Ihnen?

Das wird mir mein Herz sagen, wenn es so weit ist.

Herr Rabeder! (vorwurfsvoll)

Ich habe Vermutungen. Ich vermute, dass ich mich wirklich von all meinem Besitz trennen will und auch keine Spur der Reserve aufheben will. Da bin ich schon sehr nahe dran.

Was ist da noch abzustoßen?

Die Limousine ist weg, das andere Auto kleingeschrumpft, die Flugzeuge sind alle verkauft, die Häuser bald weg, auch alle Geldreserven werden ein zeitliches Ende haben, und das finde ich schön. Denn jetzt passiert mit dem Geld endlich mal was Sinnvolles, weil ich damit die Organisationsgründung von My-MicroCredit unterstütze und die Software bezahle und die ganzen anderen Kosten, von denen mir vorher gar nicht klar war, dass es sie geben wird. Mein Ziel ist es, mit meinem Besitz auf doppelte Rucksackgröße zu kommen.

Haben Sie keine Angst?

Nein, wovor? Ich hab nur immer mehr Angst verspürt, je mehr ich gehabt habe: Angst, was zu verlieren und mir dann manche Dinge nicht mehr leisten zu können - die ich eh nicht brauchte.

Haben Sie eine Ahnung, ob Ihnen was schwerfallen könnte?

Ich habe den Verdacht, es könnte mir schwerfallen zu akzeptieren, dass ich so lange gebraucht habe zu erkennen, dass man nicht reich sein muss, um vermögend zu sein.

– Orgelmusik – mit Überleitung zum Credo –


Fürbitten
Gott, du weißt, was wir im Leben wirklich brauchen. In diesem Vertrauen bitten wir dich:
- Für unsere Kirche: Schenke ihr deinen Geist, damit sie ein glaubwürdiges Zeugnis der Bescheidenheit und echter Solidarität ablegen kann

(Kantor) V/A Gott sei uns gnädig, mache uns frei
(GL 529/3)

- Für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft: Stärke in ihnen den Willen, die Güter der Erde gerecht zu verteilen

- Für uns selbst: Lass uns nicht nur mit dem Finger auf die sogenannten Reichen zeigen, sondern uns ehrlich selbst prüfen, ob nicht Gier und Geiz auch unser Denken beherrschen

- Für unsere Gesellschaft: Lass die Erkenntnis stärker wachsen, dass zu einem guten Leben mehr gehört als Wohlstand, Geld und Luxus

- Für alle, die in ihrem Urlaub ganz bewusst einmal bescheiden und einfach verbringen möchten: Lass sie Erholung und Entspannung finden


Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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